Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltendmachung der Leistung von Rentennachzahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung durch einen Nachlasspfleger. Fiskus als Erbe. Verwaltungsaktqualität von Mitteilungen des Rentenversicherungsträgers über den endgültigen Einbehalt von Rentennachzahlungen. Rechtsschutzbedürfnis für eine Änderung von Bescheiden im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB 10 trotz Eingreifen der "Verfallklausel" des § 44 Abs 4 SGB 10

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein vom Gericht eingesetzter Nachlasspfleger kann die Leistung von Rentennachzahlungen nicht beanspruchen, wenn der Fiskus als Erbe in Betracht kommt. Eine diesbezügliche Leistungsklage ist unzulässig.

2. Bei den Mitteilungen eines Rentenversicherungsträgers über den endgültigen Einbehalt von Rentennachzahlungen handelt es sich um Verwaltungsakte iS von § 31 SGB X (Anschluss an LSG München vom 27.6.2017 - L 13 R 171/15, LSG Mainz vom 24.10.2018 - L 6 R 453/15 und LSG Celle-Bremen vom 23.7.2020 - L 12 R 143/19).

3. Trotz Eingreifen der "Verfallklausel" des § 44 Abs 4 SGB X kann ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Änderung von Bescheiden im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X bestehen, wenn mit diesen Bescheiden ein möglicher rechtlicher Grund für die weitere Einbehaltung bereits bewilligter Leistungen fortbesteht (Anschluss an BSG vom 23.2.2017 - B 4 AS 57/15 R = SozR 4-1300 § 44 Nr 34).

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die unbekannten Erben nach A S (nachfolgend: Versicherte), gesetzlich vertreten durch die Nachlasspflegerin, wenden sich im Zugunstenverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) gegen die - aufgrund von Erstattungsansprüchen erfolgte - Auszahlung von Rentennachzahlungen an das beigeladene Sozialamt.

Die am 1945 geborene und am 2017 verstorbene, ledig gebliebene, kinderlose Versicherte mit einem Grad der Behinderung von zuletzt 100 (Bescheide des Landesamtes für Gesundheit und Soziales vom 30. November 2000, 11. September 2001 und 8. September 2015) war nach einer zweijährigen Ausbildung als Bürolehrling zunächst als Büroangestellte beim „H. K.“ und später als Telefonistin / Bürokraft im Schichtdienst bei der B. tätig, bevor sie sich 1981 als Marktverkäuferin - zunächst mit einem Trödel-, später mit einem Textilienstand - selbständig machte. Es bestand eine freiwillige Versicherung bei der Beigeladenen zu 2). Ab August 1998 übte die Versicherte ihre selbständige Tätigkeit nicht mehr aus und meldete ihr Gewerbe zum 1. April 1999 ab. Gleichzeitig stellte sie einen Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe, die ihr ab April 1999 bis Mai 2000 bewilligt wurde. Von Juni 2000 bis Dezember 2001 erhielt die Versicherte ergänzende Sozialhilfe. Mit Beschluss vom 27. Juni 2001 wurde eine Betreuung für sie angeordnet.

Im Rahmen eines vor dem Sozialgericht (SG) Berlin geführten Klageverfahrens (S 11 RA 4651/99) erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 7. Februar 2000 das Vorliegen von Berufsunfähigkeit (BU) bei der Versicherten auf der Grundlage eines Leistungsfalles vom 21. Januar 1999 an und gewährte ihr eine BU-Rente für die Zeit vom 1. August 1999 bis zum 31. Januar 2001.Die ermittelte Nachzahlung für die Zeit vom 1. August 1999 bis 31. März 2000 i.H.v. 6.095,44 DM kehrte die Beklagte an den Beigeladenen zu 1) aus. Dies teilte sie der Versicherten mit.

Mit Rentenbescheid vom 20. März 2000 gewährte die Beklagte der Versicherten eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) auf Zeit bis zum 31. Januar 2001. Die der Versicherten für die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis 30. April 2000 zu gewährende Nachzahlung bezifferte sie auf 2.666,37 DM. Mit Schreiben vom 9. Mai 2000 teilte sie der Versicherten mit, dem Beigeladenen zu 1) 2.285,46 DM zur Erfüllung des Erstattungsanspruchs überwiesen zu haben.

Nachdem die Beklagte die Renten der Versicherten neu berechnet hatte, ergaben sich Nachzahlungsbeträge i.H.v. 115,82 DM und 781,74 DM, mithin insgesamt 897,56 DM. Von diesem Betrag kehrte die Beklagte 636,98 DM an den Beigeladenen zu 1) aus. Hierüber und über den verbleibenden Rentennachzahlungsbetrag i.H.v. 260,58 DM setzte sie die Versicherte mit Schreiben vom 23. August 2000 in Kenntnis.

Aufgrund der Neuberechnung der EU-Rente der Versicherten ab 1. Juli 2000 ergab sich ein Nachzahlungsbetrag i.H.v. 6.185,40 DM (Bescheid vom 22. Mai 2001). Mit Schreiben vom 11. Juni 2001 machte der Beigeladene zu 1) Erstattungsansprüche i.H.v. 1.575,83 DM (Krankenversicherungsbeiträge für die Monate Juli bis Dezember 2000 sowie Weihnachts- und Krankenhilfe im Dezember 2000) sowie i.H.v. 7.729,18 DM (Hilfe zum Lebensunterhalt und Krankenversicherungsbeiträge für die Zeit von Januar bis Juni 2001), mithin insgesamt 9.305,01 DM, geltend. Die Beklagte teilte der Versicherten mit Schreiben vom 11. Juli 2001 mit, dass si...

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