Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Interviewer
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Ist ein Interviewer in die betriebliche Organisation seines Auftraggebers - ein Marktforschungsinstitut - eingebunden, ist ihm die Vorgehensweise bei seiner Tätigkeit fest vorgeschrieben, ist er seinem Auftraggeber gegenüber weisungsgebunden, erhält er ein fest vereinbartes Honorar und hat er ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. März 2017 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit ist noch der versicherungsrechtliche Status des 1967 geborenen Beigeladenen zu 3) in seiner Tätigkeit als Interviewer an den einzelnen Einsatztagen in der Zeit vom 27. Juli 2009 bis zum 28. März 2013.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen dessen unternehmerischer Zweck es ist, Befragungen zu Zwecken der wissenschaftlichen Markt- und Sozialforschung durchzuführen. Hierfür betreibt sie u. a. ein entsprechend ausgerüstetes Telefonstudio in B. Von dort oder im Home-Office führen für sie Telefoninterviewerinnen oder Interviewer telefonische Interviews durch. Die Interviewer und Interviewerinnen werden für die Klägerin in der Regel in Nebentätigkeit auf Honorarbasis tätig.
Zu diesen Interviewern gehörte auch der Beigeladene zu 3), der nach einer Weiterbildungsmaßnahme ab dem Wintersemester 2010/2011 an der t Universität ein Physikstudium aufnahm.
Am 25. Juli 2009 schlossen er und die Klägerin eine sogenannte Rahmenvereinbarung für die Zusammenarbeit mit Interviewern als freie Mitarbeiter. Danach verpflichtete sich der Beigeladene zu 3) für die Klägerin als Interviewer für Forschungsaufgaben tätig zu werden. Die Tätigkeit sollte sich nach den Bestimmungen des Vertrages und der jeweiligen Einzelaufträge richten. In der Vereinbarung heißt es, dass diese nach Grundsätzen formuliert und gestaltet sei, die eingehalten werden müssten, damit ein freies Mitarbeiterverhältnis bestehe, für das keine Sozialversicherungspflicht und keine Lohnsteuerpflicht bestehe. Abweichungen seien möglich, es müsse jedoch sichergestellt werden, dass es sich um ein freies Mitarbeiterverhältnis handele. Im Hinblick auf die Abgrenzungsprobleme zwischen freier Mitarbeit und einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und um eine möglichst große Rechtssicherheit zu erzielen, gehe diese Vereinbarung, anders als sonst bei Vertragsgestaltungen üblich, im besonderen Maße auf die Kriterien ein, die für eine Abgrenzung der Selbstständigkeit von der abhängigen Beschäftigung rechtserheblich seien. Der Interviewer sei als freier Mitarbeiter, ohne auch nur scheinselbstständig zu sein, für die Klägerin im Rahmen dieser Vereinbarung tätig. Die Bestimmungen über den Werkvertrag fänden kraft Gesetzes Anwendung. Der Interviewer sei frei und ungebunden, soweit sich aus der Natur der Sache nichts anderes ergebe. Der Interviewer dürfe in jedem Einzelfall entscheiden, ob er wegen der Erteilung eines Auftrages von sich aus auf die Klägerin zugehen wolle, oder ob sich auch die Klägerin zu Einzelaufträgen an den Interviewer wenden solle. Der Interviewer könne Aufträge beliebig ablehnen. Es gebe keine Einsatzpläne, in denen im voraus Einsätze des Interviewers festgelegt würden. Dem Interviewer sei es auch sonst freigestellt, wann er tätig werden wolle. Bei Telefoninterviews könne der Interviewer während der Öffnungszeiten kommen und gehen, wann er wolle. Kernarbeitszeiten, zu denen ein Interviewer anwesend sein müsse, gäbe es nicht. Die Klägerin sei verpflichtet, darauf zu achten, dass sich keine Regelmäßigkeiten ergäben, von denen aus auf eine Unselbständigkeit des Interviewers geschlossen werden könne.
Der Interviewer könne den Ort, an dem er arbeite, frei wählen. Methoden und Techniken der empirischen Sozialforschung müssten bei der Auswahl der zu befragenden Personen eingehalten werden. Der Interviewer müsse den Auftrag nicht in eigener Person ausführen. Die Durchführung des Auftrages durch geeignete Dritte sei möglich. Eine Vergütung werde nur für mangelfreie, termingereicht abgeschlossene und den vereinbarten Studienerfordernissen entsprechende Interviews entrichtet. De...