Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Anschaffung eines individuell ausgestatteten Laptops. Privilegierung von Einkommen und Vermögen

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Anspruch eines sehbehinderten und hörgeminderten schulpflichtigen Kindes auf Übernahme der Kosten eines Laptops gegen den Sozialhilfeträger als Hilfe zur angemessenen Schulausbildung im Sinne der §§ 53, 54 Abs 1 S 1 Nr 1, 92 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB XII iVm § 12 EinglVO (juris: BSHG§47V).

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird in Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Oktober 2016 der Bescheid der Beklagten vom 28. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2014 aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte erstattet der Klägerin die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen je zur Hälfte.

 

Tatbestand

Die stark sehbehinderte Klägerin begehrt die Kostenerstattung für die Anschaffung eines Notebooks mit Zubehör zur Verwendung im inklusiven Schulunterricht in Höhe von 820,62 €, nachdem die Beklagte die Leistung wegen fehlender Mitwirkung versagt hat.

Die am ... 1999 geborene Klägerin hat das CHARGE-Syndrom (genetischer Defekt, bei dem verschiedene Organe betroffen sind). Sie ist bei angeborener Missbildung des Auges hochgradig sehbehindert, die Sehschärfe wurde auf ca. 0,1 geschätzt. Außerdem besteht neben anderem eine hochgradige kombinierte Hörstörung (mit Hörgeräten bds. versorgt) und ein komplexer Herzfehler kombiniert mit motorischen Defiziten. Bei ihr ist ein GdB von 100 festgestellt sowie die Merkzeichen “B„, “G„, “Bl„, “H„ und “RF„ zuerkannt (Bl. 18 VA). Seit dem 25.2.2013 besucht sie die G.-S.-Schule (Gemeinschaftsschule) in H., in der sie mittlerweile in der Realschule inklusiv beschult wird. Zur Teilnahme am Unterricht gewährt die Beklagte Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten für Schulbegleitung im Umfang von 36,5 Stunden (Bescheid vom 7.11.2013, Bl. 429 VA). In dem Zusammenhang wurde der Hilfebedarf der sehhörbehinderten Klägerin umfassend ermittelt.

Mit Schreiben vom 22.3.2013 beantragte die Mutter der Klägerin u.a. die Unterstützung bei der Beschaffung eines Laptops zur individuellen Arbeitsplatzausstattung in der Schule. Bisher habe sie ihren persönlichen Laptop hierfür zur Verfügung gestellt, der wegen eines glänzenden Bildschirms für die Klägerin nur suboptimal sei und den sie (Mutter) immer wieder zu Hause benötige, um Rückgriff auf ihre dort gespeicherten persönlichen Daten nehmen zu können. Gerne würde sie einen Laptop aus dem “Dell„ Programm anschaffen, da dort die Möglichkeit eines erweiterten Serviceangebots bestehe. Es sei von einer Anschaffungssumme von ca. 600 € (ohne Besonderheiten bei der Ausstattung) auszugehen. Mit Schreiben vom 26.6.2013 erinnerte die Mutter der Klägerin an ihren Antrag und teilte mit, dass eine Anfrage der G.-S.-Schule beim Beschaffungsamt der Stadt H. ablehnend entschieden worden sei (Bl. 307 VA).

Die Beklagte teilte der Mutter der Klägerin dazu mit, dass die Leistungen der Eingliederungshilfe einkommens- und vermögensabhängig geleistet werden und forderte von ihr Nachweise zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen (Schreiben vom 15.5.2014, Bl. 573 VA). Nachdem diese nicht vorgelegt wurden, verwies die Beklagte die Mutter der Klägerin wegen der Ausstattung mit einem Laptop an die Schule, da die Versorgung mit einem Hilfsmittel im Lebensfeld Schule in deren Aufgabengebiet falle (Schreiben vom 29.7.2014, Bl. 579 VA).

Mit Bescheid vom 28.8.2014 lehnte die Beklagte den Antrag wegen fehlender Mitwirkung ab, da die Mutter der Klägerin keine Einkommens- und Vermögensnachweise vorgelegt habe. Die Versorgung mit einem Notebook sei außerdem dem Lebensfeld Schule zuzuordnen und damit sei der Bedarf vorrangig von der Schule über die Sachmittel zu decken.

Mit Schreiben vom 19.9.2014 legte die Mutter der Klägerin dagegen Widerspruch ein. Der Offenlegung ihrer Vermögensverhältnisse widerspreche sie, da sie weiterhin davon ausgehe, dass es sich um Leistungen der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung handele (Bl. 609 VA).

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Hilfsmittel die zum Besuch einer Schule benötigt würden, fielen nicht unter die Hilfe zur angemessenen Schulbildung und somit nicht unter die Schutzvorschrift des § 92 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB XII. Vielmehr sei die Rechtsgrundlage für die Gewährung sozialer Hilfsmittel § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX. Gemäß § 2 SGB XII erhalte Sozialhilfe nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen könne oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhalte. Da keine entsprechenden Unterlagen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse vorgelegt worden seien, sei eine Prüfung der einkommens- und vermögensrechtlichen Voraussetzung...

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