Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Statusfeststellungsverfahren. IT-Berater. Abgrenzung. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. hauptberuflich selbstständige Erwerbstätigkeit

 

Orientierungssatz

1. Zur Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit eines gelernten Datenverarbeitungskaufmanns, der selbstständig im IT-Dienstleistungsbereich mit Tätigkeiten für verschiedene Kunden in Deutschland und der Schweiz und zugleich für ein international ausgerichtetes IT-Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen als IT-Berater tätig ist.

2. Überwiegen in der Gesamtabwägung die Gesichtspunkte, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen (hier: Eingliederung in die betrieblichen Abläufe des IT-Beratungs- und Dienstleistungsunternehmens im Rahmen der Tätigkeit für den IT-Support beim Endkunden), so treten die Höhe der Entlohnung und das Fehlen fachlicher Weisungen im Rahmen der tatsächlichen Abwicklung als für selbstständige Tätigkeit sprechende Merkmale zurück.

3. Hauptberuflich iSd § 5 Abs 5 SGB 5 ist eine selbstständige Tätigkeit, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und ihrem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit bildet. Maßgeblich hierfür sind stets die Umstände des Einzelfalles, wobei die zeitliche Verteilung der jeweiligen Beschäftigungen und das erzielte Entgelt als Kriterium heranzuziehen sind.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16.06.2016 und der Bescheid der Beklagten vom 31.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2013 teilweise aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit für die Klägerin im Zeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.2009 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterlag. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte 1/3 und die Klägern 2/3, jeweils mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 5.000,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beigeladene zu 1) vom 01.01.2009 bis 31.12.2009 bei der Klägerin abhängig beschäftigt war und der Versicherungspflicht in den Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung unterlag.

Die Klägerin, die 1998 als AG gegründet wurde, ist ein international ausgerichtetes Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen und zählt nach ihren eigenen Angaben zu den zehn führenden mittelständischen Informations- und Kommunikationsdienstleistern in Deutschland. Sie bietet IT-Services und Lösungen an. Zeitweise beschäftigt sie (im Rahmen ihrer Gruppe) ca. 450 fest angestellte und ca. 300 freie Mitarbeiter (vgl http://www.s.de/de/ueber-uns/unternehmen.html, abgerufen am 03.05.2018).

Der 1977 geborene Beigeladene zu 1) ist gelernter Datenverarbeitungskaufmann. Nach einer zeitweisen Tätigkeit als Angestellter an verschiedenen Orten in Bayern und Baden-Württemberg ist er seit dem Jahr 2001 selbständig im IT-Dienstleistungsbereich mit Tätigkeiten für verschiedene Kunden in Deutschland und der Schweiz tätig. Er war von 01.01.2009 bis 31.12.2009 für die Klägerin als IT-(SAP)-Berater bei der Firma B. R. AG, L. a. M., ein Industrieunternehmen im Bereich der Antriebs- und Steuerungstechnik (im Folgenden: “Endkunde„) tätig. Für die Monate Januar und Februar 2009 (vgl Rechnungen des Beigeladenen zu 1) auf Bl 42/43 Verwaltungsakte) existieren keine schriftlichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1).

Die Klägerin als “Auftraggeberin„ beauftragte unter dem 25.03.2009 (Bl 15 Verwaltungsakte) den Beigeladenen zu 1) als “Auftragnehmer„ mit “SAP-Beratungs- und Entwicklungsleistungen im Rahmen des Supports„ mit einem geplanten Leistungszeitraum vom 01.03.2009 bis zum 31.12.2009 und einen geplanten Leistungsumfang von 96 Personentagen zu einem Tagessatz von 840,00 € (Gesamtvolumen 80.640,00 €) beim Endkunden. Die “Beauftragung„ lautet auszugsweise wie folgt (Blatt 15 ff Verwaltungsakte):

“Leistungsbeschreibung:

SAP-Beratungs- und Entwicklungsleistungen im Rahmen des Supports

Vertragsbedingungen:

1. Gegenstand des Vertrages (der Beauftragung)/Leistungsumfang

a) Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer, die unter dem Kapitel Leistungsbeschreibung näher beschriebenen Beratungs- und Dienstleistungen zu erbringen. Der angegebene Leistungszeitraum und -umfang sind nicht zwingend. Der Auftragnehmer hat keinen Anspruch auf die maximale Vergütung. Der Auftraggeber ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, den geplanten Leistungsumfang voll auszuschöpfen.

b)Sofern nichts anderes vereinbart, gilt der vereinbarte Stundensatz unabhängig davon, an welchen Tagen, zu welcher Tageszeit, in welchem Umfang und an welchem Ort die Arbeiten durchgeführt werden.

c) Der Auftragnehmer wird für den Auftraggeber als freier Mitarbeiter tätig. Ein Anstellungsv...

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