Rz. 19

Ein Anspruch auf Vollzeitpflege setzt nicht voraus, dass die Herkunftsfamilie des Kindes oder des Jugendlichen noch vorhanden ist. Vollzeitpflege (und andere Hilfen) umfassen auch die Fälle, in denen die leiblichen Eltern verstorben sind oder eine Rückkehr in die Herkunftsfamilie aus anderen Gründen ausgeschlossen ist (BVerwG, Urteil v. 15.12.1995, 5 C 2/94).

 

Rz. 20

Auch setzt ein Anspruch auf Vollzeitpflege nicht voraus, dass in der Pflegefamilie selbst ein erzieherisches Defizit besteht, wie in der Praxis oftmals argumentiert wird, wenn ohne Vermittlung des Jugendamtes zustande gekommene Verwandtenpflegestellen nachträglich einen Antrag auf Gewährung von Vollzeitpflege stellen. Es ist für die Gewährung der Hilfe nicht Anspruchsvoraussetzung, dass in der nunmehrigen Pflegefamilie ein erzieherisches Defizit vorliegt, dem mit Mitteln der Hilfe zur Erziehung begegnet werden müsste (so auch VG Braunschweig, Urteil v. 8.9.2011, 3 A 5/11; vgl. auch Sächs. OVG, Beschluss v. 28.5.2009, 1 A 54/08; ebenso OVG Bremen, Urteil v. 16.11.2005, 2 A 111/05 m. w. N.). Der erzieherische Bedarf des Kindes oder Jugendlichen besteht insoweit darin, dass die leiblichen Eltern hinsichtlich der von ihnen geschuldeten Pflege oder Erziehung ausfallen, eine Unterbringung in einer "anderen Familie" also notwendig ist. Der Anspruch auf Vollzeitpflege kann auch erst nach erfolgter Inpflegegabe geltend gemacht werden (so auch Wiesner, SGB VIII, § 33 Rz. 31; vgl. auch DIJuF-Gutachten, JAmt 2007 S. 78).

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge