0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift, die mit Art. 1 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung v. 18.12.1989 (Rentenreformgesetz 1992 – RRG 1992) am 1.1.1992 (Art. 85 Abs. 1 des Gesetzes) in Kraft getreten ist, hat § 1271 Reichsversicherungsordnung, § 48 Angestelltenversicherungsgesetz und § 68 Reichsknappschaftsgesetz ersetzt. Nach einer redaktionellen Änderung des Gesetzes mit Wirkung zum 1.1.2002 wurde § 49 durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 21.4.2015 (BGBl. I S. 583) mit Wirkung zum 22.4.2015 (Art. 15 Abs. 6 des 5. SGB IV-Änderungsgesetzes) um Satz 4 ergänzt.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift gibt Ehegatten, geschiedenen Ehegatten, eingetragenen Lebenspartnern sowie Kindern die Möglichkeit, im Falle der Verschollenheit des Versicherten den Tod fiktiv für den Bereich der Rentenversicherung feststellen zu lassen, ohne die gerichtliche Todeserklärung aufgrund des Verschollenheitsgesetzes (vgl. §§ 2 ff. Verschollenheitsgesetz) abwarten zu müssen (BT-Drs. 11/4124 S. 165). Die Feststellung der Verschollenheit ersetzt den Versicherungsfall des Todes als Anspruchsvoraussetzung der Hinterbliebenenrenten nach §§ 46 bis 48, so dass sich auf diese Feststellung – bei Vorliegen der weiteren Anspruchsvoraussetzungen – der Anspruch auf eine Witwen-/Witwerrente, Erziehungsrente und Waisenrente stützen lässt.

2 Rechtspraxis

 

Rz. 3

Verschollene Versicherte gelten bei Vorliegen der Voraussetzungen (vgl. Komm. unter 3.1 bis 3.3) als verstorben; der Rentenversicherungsträger kann von den berechtigten Angehörigen die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangen (3.4) und ist ferner berechtigt, den mutmaßlichen Todestag festzustellen (3.5). Auch bei Vorliegen einer eidesstattlichen Versicherung gilt der Amtsermittlungsgrundsatz.

2.1 Anwendbarkeit des § 49

 

Rz. 4

Für die Anwendung des § 49 ist nur insoweit Raum, als nicht bereits eine auch den Rentenversicherungsträger bindende Todeserklärung eines deutschen Gerichts aufgrund des Verschollenheitsgesetzes vorliegt. Todesfeststellungen durch Gerichte der ehemaligen DDR sind gleichermaßen bindend. Das gilt auch dann, wenn nach dem Recht der alten Bundesländer ein anderer Todestag hätte festgestellt werden müssen (BSG, Urteil v. 29.10.1968, 4 RJ 137/64, BSGE 28 S. 263). Liegen Sterbeurkunden oder Todeserklärungen nach dem Verschollenheitsgesetz vor, ist eine Anwendung des § 49 ebenfalls nicht mehr zulässig. Ausländische Todeserklärungen für einen Deutschen sind nach § 12 Verschollenheitsgesetz v. 4.7.1939 i.d. Neuf. v. 15.1.1951 (BGBl. I S. 63), zuletzt geändert durch Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherechts v. 27.6.2000 (BGBl. I S. 897), ohne Bedeutung. Demgegenüber sind Todeserklärungen ausländischer (insoweit autorisierter) Stellen zu berücksichtigen, wenn der Verschollene im Zeitpunkt des mutmaßlichen Todestages Angehöriger dieses Staates war.

2.2 Antragsberechtigter Personenkreis

 

Rz. 5

Antragsberechtigt sind der Ehegatte, der geschiedene Ehegatte, der eingetragen Lebenspartner sowie Kinder des Verschollenen; es handelt sich dabei um die Personen, die im Falle des Todes des Versicherten Anspruch auf eine Rente aus dessen Versicherung haben würden (vgl. Komm. unter 2).

2.3 Verschollenheit und Fiktion des Todes

 

Rz. 6

Voraussetzung für den infolge der Verschollenheit fiktiv anzunehmenden Tod des Versicherten ist, dass Umstände vorliegen, die den Tod des Versicherten wahrscheinlich machen. Die bloße Möglichkeit des Todes reicht nicht. Die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Todes des Versicherten ist dann gegeben, wenn aus konkreten Tatsachen bei Berücksichtigung der Lebenswirklichkeit der berechtigte Schluss auf das Ableben des Versicherten gezogen werden kann; der Tod ist dagegen nicht als wahrscheinlich anzusehen, wenn andere konkrete Tatsachen auf die realistische Möglichkeit hindeuten, dass der Versicherte lebt. Soweit der verschollene Versicherte etwa Passagier eines verunglückten Seeschiffes oder Flugzeuges gewesen ist, werden die Umstände in der Regel den Tod wahrscheinlich machen; ob dies auch im Falle des Verschwindens des Versicherten und des anschließenden Auftauchens gefälschter Schecks aus dem Besitz des Versicherten zu gelten hat, erscheint zweifelhaft (so aber Hessisches LSG, Urteil v. 15.6.1993, L 2 J 47/92; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss v. 27.6.2001, 3 Wx 156/01).

Weitere Voraussetzungen für die Annahme des fiktiven Todes ist, dass seit einem Jahr Nachrichten über das Leben des Versicherten nicht eingegangen sind. Welcher Art die Nachrichten sind, wo sie eingegangen sind und von wem sie stammen, ist ohne Bedeutung. Entscheidend ist allein, ob sie geeignet sind, die Wahrscheinlichkeit des Todes des Versicherten in Zweifel zu ziehen. Für die Feststellung des für den Rentenbeginn (vgl. § 99 Abs. 2) maßgeblichen Todeszeitpunkts ist die vorbeschriebene Jahresfrist ohne Bedeutung. Als Todestag ist vielmehr das nach den Ermittlungen des Rentenversicherungsträgers wahrscheinlichste Datum des Todes der Rentenbewilligung zugrunde zu legen.

2.4 Abgabe einer Versicherung an Eides statt (Satz 2)

 

Rz. 7

Satz 2 eröffnet dem Rentenversicherungsträger die Möglichkeit, na...

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