Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Umstritten ist die Höhe des Übergangsgeldes für die Zeit einer berufsfördernden Maßnahme.
Der 1939 geborene Kläger übte den erlernten Beruf eines Steinsetzers bis 1972 als Arbeitnehmer aus, war sodann bis 1975 selbständig im Tief- und Gartenbau und anschließend erneut im Baugewerbe abhängig beschäftigt. Vom 28. November 1978 bis 4. Januar 1979 gewährte ihm die Beklagte eine Heilbehandlung. Im Anschluß daran war der Kläger arbeitsunfähig. Vom 27. März 1979 bis zum 28. August 1979 war er wiederum in seinem Beruf beschäftigt. Er erzielte im Monat Juni 1979 ein Gesamt-Bruttoeinkommen von 5.055, 88 DM, dem ein Nettobetrag von 3.647, 18 DM entspricht. Im Juli 1979 erzielte der Kläger ein Entgelt von 3.829, 02 DM brutto und 2.694, 37 DM netto. Der genannte Bruttobetrag setzt sich zusammen aus einem Entgelt von 3.320, 82 DM für 108 in der Zeit vom 2. bis 20. Juli 1979 geleistete Arbeitsstunden und einem Urlaubsgeld von 508, 20 DM entsprechend der im Baugewerbe geltenden tariflichen Regelung für die Zeit vom 23. bis 31. Juli 1979, wobei von einer Arbeitszeit von 8 Stunden pro Tag ausgegangen wurde. In der Folge war der Kläger erneut arbeitsunfähig. Vom 2. März 1981 bis 6. Juli 1984 ließ ihn die Beklagte zum Bautechniker umschulen und zahlte ihm für die Zeit der Umschulung sowie die anschließende Zeit bis zum 16. August 1984 Übergangsgeld.
Das tägliche Übergangsgeld errechnete die Beklagte auf der Grundlage des im Juli 1979 erzielten Entgelts mit 97, 64 DM. Sie erhöhte diesen Betrag im Wege der Anpassung während des Widerspruchsverfahrens mit Bescheid vom 20. August 1981 auf 101, 50 DM und während des Streitverfahrens mit Bescheid vom 27. Juli 1982 auf 107, 40 DM. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, wegen der Besonderheiten bei der Berechnung des Urlaubsgeldes im Baugewerbe dürfe das Übergangsgeld nur unter Berücksichtigung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und der dafür erzielten Entgelte oder aber, weil er im Juli 1979 weniger als 20 Tage tatsächlich gearbeitet habe, auf der Grundlage des Entgelts für Juni 1979 berechnet werden. Auf die nach Zurückweisung des Widerspruchs erhobene Klage verurteilte das Sozialgericht (SG) die Beklagte, das Übergangsgeld unter Zugrundelegung des Monats Juni 1979 als letzten abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum neu zu berechnen. Auf die Berufung der Beklagten wies das Landessozialgericht (LSG) die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, letzter abgerechneter Lohnabrechnungszeitraum sei der Juli 1979. Dem stehe nicht entgegen, daß der Kläger in diesem Monat für 7 Tage Tarifurlaub gehabt habe, da auch das für die Zeit des Urlaubs gezahlte Entgelt Entgelt i.S.v. § 182 Abs. 5 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) sei. Es sei zwar richtig, daß nach § 8 Ziffer 3 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe vom 5. Juli 1978 (BRTV) das Urlaubsentgelt für 1979 auf 8, 38% des jährlichen lohnsteuerpflichtigen Bruttolohnes festgesetzt worden sei, so daß ein Ausgleich für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit auf die Dauer der Lohnfortzahlung beschränkt sei. Die sich daraus für den Kläger ergebenden Nachteile müßten jedoch nach Sinn und Zweck des § 182 Abs. 5 RVO hingenommen werden. Das Ergebnis sei auch nicht unbillig hart für den Kläger; doch selbst wenn man das annehmen wolle, wäre bei Heranziehung selbst der Leistungsgruppe 1 der Arbeiter außerhalb der Land- und Forstwirtschaft nach der Anlage 5 zum FRG für das Jahr 1979 ein monatliches Bruttoentgelt von nur 2.499,-- DM zugrunde zu legen gewesen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 182 Abs 4, 5 RVO i.V.m. § 1241 Abs. 1 RVO. Die Regelung des § 8 Nr. 3.2 BRTV entspreche nicht dem § 11 Bundesurlaubsgesetz. Das für die Urlaubstage des Monats Juli 1979 erzielte Urlaubsentgelt sei kein "regelmäßiges" Entgelt i.S.v. § 182 Abs. 4 RVO. Die Höhe des Urlaubsentgeltes im Baugewerbe sei von dem Zufall abhängig, ob der Versicherte im Jahr vor dem Urlaubsbeginn einen Lohnausfall erlitten habe. Solche Zufälligkeiten müßten bei der Auslegung des Begriffs der Regelmäßigkeit, der sowohl in 182 Abs. 4 RVO als auch in § 182 Abs. 5 RVO verwendet werde, außer Betracht gelassen werden.
Der Kläger beantragt,das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist nicht begründet. Die Berechnung des Übergangsgeldes durch die Beklagte entspricht, wie das LSG richtig erkannt hat, dem Gesetz.
Nach § 1241 Abs. 1 Satz 1 RVO in den hier noch anwendbaren Fassungen durch das Gesetz vom 7. August 1974 (BGBl. I 1881) und durch das Gesetz vom 21. Dezember 1974 (BGBl. I 3656) - RVO a.F. - gelten für die Berechnung des Übergangsgeldes bei einem Betreuten, der vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit versicherungspflichtig beschäftigt war, § 182 Abs. 4 und 5 sowie § 479 RVO mit der Maßgabe, daß der Regellohn bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen ist. Damit beträgt das Übergangsgeld in entsprechender Anwendung von § 182 Abs. 4 RVO in der hier anwendbaren Fassung des Gesetzes vom 7. August 1974 (BGBl. I 1884) - RVO a.F. - 80. v.H. des Regellohnes, d.h. des entgangenen regelmäßigen Arbeitsentgelts bis zur Höhe des Nettoarbeitsentgelts. Wie der Regellohn zu ermitteln ist, ergibt sich aus § 182 Abs. 5 Satz 1 RVO a.F. Danach ist für die Berechnung des Regellohnes das vom Versicherten im letzten vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum, mindestens während der letzten abgerechneten vier Wochen erzielte und um einmalige Zuwendungen verminderte Entgelt durch die Zahl der Stunden zu teilen, für die es gezahlt wurde; nach Satz 2 a.a.O. ist das Ergebnis mit der Zahl der sich aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergebenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden zu vervielfachen und durch sieben zu teilen.
Das LSG hat zu Recht angenommen, daß maßgebender Lohnabrechnungszeitraum der Juli 1979 ist, daß regelmäßige Arbeitsstunden auch die auf den Tarifurlaub entfallenden Stunden sind und daß das Urlaubsentgelt zum Arbeitsentgelt zählt. Wie bereits der 3. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Urteil vom 20. Januar 1982 (SozR 2200 § 182 Nr. 79) im einzelnen ausgeführt hat, ist insbesondere das für die Zeit des Tarifurlaubs gezahlte Arbeitsentgelt Entgelt i.S.d. § 182 Abs. 5 S. 1 RVO a.F. und damit Regellohn, wobei sich aus dem Begriff der Regelmäßigkeit i.S.v. § 182 Abs. 4 RVO a.F. keine Beschränkung auf das durch tatsächliche Arbeitsleistung erzielte Entgelt ergibt. Daraus folgt, daß auch die Zeit, für die das Urlaubsentgelt gezahlt worden ist, zum Abrechnungszeitraum zählt und daß das Urlaubsentgelt in der Höhe, in der es abgerechnet worden ist, als Regellohn in die Berechnung eingeht.
Weder daraus, daß nach § 8 Nr. 3 BRTV die Höhe des Urlaubsentgelts davon abhängt, in welchem Umfang der Beschäftigte im letzten Jahr vor dem Urlaub Arbeitsentgelt bezogen hat, noch daraus, daß die genannte Tarifvertragsvorschriften möglicherweise gegen § 11 Bundesurlaubsgesetz verstößt, ergibt sich eine Möglichkeit einer anderen Berechnung. Selbst wenn dem Kläger in Wahrheit ein höheres Urlaubsentgelt zugestanden hätte, ist ein solches jedenfalls nicht vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Maßnahme abgerechnet worden; maßgebend kann hier wie in anderen Zusammenhängen, in denen es bei der Bemessung von Sozialleistungen auf die Höhe des Entgelts ankommt, nur das tatsächlich gezahlte und dem Versicherten zugeflossene (vgl. SozR 2200 § 1241 Nrn. 15, 18, 75) Entgelt sein. Auch der Umstand, daß das Urlaubsentgelt des Klägers wegen der in § 8 Nr. 3 BRTV getroffenen Regelung verhältnismäßig niedrig war, nimmt diesem Urlaubsentgelt entgegen der Ansicht der Revision nicht den Charakter eines "regelmäßigen" Entgelts. Zunächst ist auch hier darauf zu verweisen, daß der in § 182 Abs. 4 Satz 1 RVO a.F. gebrauchte Begriff des "entgangenen regelmäßigen Arbeitsentgelts" - des Regellohns - nicht ab dieser Stelle, sondern in Abs. 5 a.a.O. erschöpfend definiert ist; soweit den dort genannten Merkmalen genügt ist, kann nicht eingewandt werden, das Arbeitsentgelt sei in Wahrheit nicht "regelmäßig". Allerdings gebraucht auch § 182 Abs. 5 Satz 2 RVO a.F. den Begriff der Regelmäßigkeit im Zusammenhang mit der Zahl der wöchentlichen Arbeitsstunden; es ist aber weder vom Kläger vorgebracht noch sonst ersichtlich, daß die für die Urlaubstage angesetzten Arbeitsstunden ohne den Urlaub mutmaßlich nicht oder in einem anderen Umfange abgeleistet worden wären. Zu Unrecht beruft sich die Revision in diesem Zusammenhang auf die Urteile des 3. Senats des BSG vom 23. Januar 1973 (BSGE 35, 129) und vom 22. Juni 1973 (BSGE 36, 55). Das erstgenannte Urteil betrifft die Frage der Berücksichtigung von Überstunden im Rahmen der "sich aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergebenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden". Wenn es der 3. Senat dabei abgelehnt hat, allein auf die Zahl der im letzten Lohnabrechnungszeitraum geleisteten Überstunden abzuheben, so hat er dem Gedanken Rechnung getragen, daß Überstunden nur insoweit der regelmäßigen Arbeitszeit zuzurechnen seien, als sie der Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsverhältnisses mit einer gewissen Regelmäßigkeit, wenn auch nicht ständig gleichbleibend zu leisten habe; hier dagegen handelt es sich um Arbeitsstunden, die unzweifelhaft aufgrund des Arbeitsvertrages im Abrechnungszeitraum grundsätzlich zu leisten waren, auch wenn der Kläger im Hinblick auf seinen Urlaub von der tatsächlichen Arbeitsleistung freigestellt war. Ob der 3. Senat auch der Erwägung Raum gegeben hat, durch die von ihm gefundene Lösung werde einer Beeinflussung der Höhe des Krankengeldes durch zufällige oder gezielte Häufungen von Überstunden unmittelbar vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt, wie die Revision anscheinend meint, mag auf sich beruhen; dem Urteil vom 23. Januar 1973 ist jedenfalls der Gedanke, der letzte Abrechnungszeitraum als Ganzes mit den auf ihn entfallenden Entgelten und Arbeitsstunden sei nicht maßgeblich, wenn er sich hinsichtlich der Zahl der Arbeitsstunden und des erzielten Entgelts von früheren Abrechnungszeiträumen wesentlich unterscheide, nicht zu entnehmen. Ein solcher Gedanke hat auch im Urteil vom 22. Juni 1973 (BSGE 36, 55) keinen Ausdruck gefunden. Die Überlegung, daß nach dem Willen des Gesetzgebers alle die Lohnhöhe beeinflussenden Zufälligkeiten außer Betracht bleiben sollen (BSGE 36, 55, 57), wird dort im Zusammenhang mit dem Hinweis darauf angestellt, daß der letzte Lohnabrechnungszeitraum mindestens vier Wochen umfassen müsse, so daß "nicht der zufällig letzte Verdienst" maßgebend sei, "sondern ein aus mindestens vier Lohnwochen ermittelter Durchschnittsverdienst". Daraus erhellt, daß der 3. Senat unter den auszuschaltenden "Zufälligkeiten" nicht Umstände verstanden wissen wollte, durch die sich der letzte Abrechnungszeitraum von früheren unterscheidet.
Zu Recht hat das LSG auch darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber die Problematik eines im. Vergleich zu früheren Zeiträumen besonders niedrigen Regellohnes im letzten Abrechnungszeitraum gesehen hat. Nach § 1241a Abs. 2 Nr. 3 RVO ist das Übergangsgeld u.a. dann unter Zugrundelegung der Anlagen des Fremdrentengesetzes (FRG) zu berechnen, wenn es unbillig hart wäre, das Arbeitsentgelt nach § 1241 Abs. 1 RVO a.F. der Bemessung des Übergangsgeldes zugrunde zu legen. Eine unbillige Härte i.S. dieser Vorschrift wird in erster Linie in Fällen angenommen werden können, in denen der Versicherte im Bemessungszeitraum ein Entgelt erzielt hat, das deutlich hinter dem in früheren Zeiträumen erzielten zurückbleibt und insofern als nicht "regelmäßig" erscheint (vgl. SozR 2200 § 1241a Nr. 6). Ein solches Zurückbleiben ist damit nach dem Willen des Gesetzgebers nur dann nicht hinzunehmen, wenn eine unbillige Härte gegeben ist; das schließt sonstige Korrekturen unter Berufung darauf, das nach dem Gesetzeswortlaut im übrigen maßgebende Arbeitsentgelt sei nicht "regelmäßig", aus (vgl. SozR 2200 § 1241 Nr. 11). Die Grenze, bis zu der der Versicherte eine Berechnung des Übergangsgeldes nach Maßgabe von § 1241 Abs. 1 Satz 1 RVO a.F. mit allen damit verbundenen Zufälligkeiten hinnehmen muß, ist jedenfalls solange nicht erreicht, als das Ergebnis noch über dem sich aus einer Anwendung der Anlagen des FRG ergebenden liegt. Das ist, wie das LSG ohne Rechtsfehler dargelegt hat, hier der Fall.
Nach alledem war die Revision mit der sich aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).4a RJ 11/85
Bundessozialgericht
Fundstellen