Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung des Pauschbetrages auf die Erhöhung der Pflegezulage
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. Dezember 1972 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Dem Kläger wurde durch Ausführungsbescheid vom 1. Juni 1967 wegen "Erblindung beider Augen" die Rente eines Erwerbsunfähigen (100 v.H.), Pflegezulage nach Stufe III, Schwerstbeschädigtenzulage und eine Beihilfe für fremde Führung nach § 14 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) gewährt. Der Kläger ist verwitwet; er wird durch seine - früher berufstätige - Tochter betreut. Den Antrag des Klägers auf Gewährung der erhöhten Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 letzter Satz BVG lehnte die Versorgungsverwaltung zunächst ab (Bescheide vom 29. September 1967 und 13. August 1968, Widerspruchsbescheid vom 30. August 1968). Während des Klageverfahrens erließ das Versorgungsamt den "Abhilfebescheid" vom 5. November 1970. Darin wurde die Pflegezulage nach Stufe III gemäß § 35 Abs. 1 letzter Satz BVG wegen des Lohnausfalls der Tochter des Klägers (Vergütungsgruppe VII BAT) in bestimmter Weise erhöht. Bei der Berechnung der Erhöhung wurde die dem Kläger nach § 14 BVG gewährte Beihilfe zu den Aufwendungen für fremde Führung angerechnet.
Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat durch Urteil vom 30. März 1971 den Bescheid vom 13. August 1968 idF des Widerspruchsbescheides vom 30. August 1968 und den Bescheid vom 5. November 1970, der gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Verfahrens wurde, aufgehoben; es hat die Berufung zugelassen. Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 06. Dezember 1972 die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. In den Gründen hat es ausgeführt, mit der Anrechnung des Pauschbetrages nach § 14 BVG auf die Erhöhung der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 letzter Satz BVG habe der Beklagte ermessensfehlerhaft gehandelt. Bei dieser Erhöhung der Pflegezulage handele es sich um eine in zweifacher Hinsicht in das Ermessen der Versorgungsverwaltung gestellte Leistung, nämlich einmal hinsichtlich der Frage, ob eine Erhöhung der Pflegezulage vorgenommen werden solle und - bejahendenfalls - zum anderen, in welcher Höhe sie erfolgen solle. Der hier dem Versorgungsträger eingeräumte Ermessensspielraum gestatte jedoch nicht die Anrechnung einer anderen Versorgungsleistung, auf die der Beschädigte neben der Pflegezulage einen Rechtsanspruch habe, wie das bei dem Pauschbetrag als Beihilfe zu den Aufwendungen für fremde Führung nach § 14 BVG der Fall sei. Sowohl ihre gesetzessystematische Stellung als auch ihre offenbare gesetzgeberische Zweckbestimmung wiesen diese Leistung als eine solche der orthopädischen Versorgung im weiteren Sinne aus. Sie sei als quasi-orthopädisches Hilfsmittel zum wenigstens teilweisen Ausgleich des verlorenen Sehvermögens anzusehen, durch das der Blinde in die Lage versetzt werden solle, sich jederzeit außerhalb des ihm vertrauten häuslichen Bereichs zu bewegen. Dafür spreche auch die Regelung in Form einer Pauschale, die zudem als "Führhundbeihilfe" seit der Neufassung des BVG durch das 2. Änderungs- und Ergänzungsgesetz vom 7. August 1953 ohne Kostennachweis gewährt werde. Hiervon - rechtlich und tatsächlich - getrennt zu sehen sei die Pflegezulage nach § 35 BVG. Sie sei in § 9 Nr. 3 BVG neben der Beschädigtenrente besonders aufgeführt und somit kein Bestandteil der Rente, sondern eine eigenständige Versorgungsleistung mit einer in § 35 BVG festumrissenen Zweckbestimmung dahingehend, die schädigungsbedingte Hilflosigkeit bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens auszugleichen. Andernfalls hätte es nahegelegen, beim Erlaß des 3. NOG nur die Führhundpauschale als Teil der orthopädischen Versorgung im engeren Sinne in § 14 BVG zu regeln und die Beihilfe zu fremder Führung mit in § 35 BVG zu übernehmen. Der Gesetzgeber sei jedoch zutreffend davon ausgegangen, daß eine solche Regelung den Bedürfnissen und der Interessenlage der Blinden nicht gerecht werde. Praktisch sei es in der überwiegenden Anzahl der Fälle so, daß die Pflegeperson neben der persönlichen Wartung und Pflege des Blinden auch die anfallenden Hausarbeiten zu erledigen habe. Mindestens in dieser Zeit aber stehe sie als Führungshilfe nicht zur Verfügung, so daß der Blinde insoweit auf eine zweite Person angewiesen sei. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Blinde sich tatsächlich zeitweise einer zusätzlichen Führungskraft bediene oder darauf verzichte, denn in Rannen des § 14 BVG sei ein Kostennachweis nicht zu führen.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Beklagte hat Revision eingelegt und beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen von 6. Dezember 1972 und des Urteils des Sozialgerichts Dortmund von 30. März 1971 die Klage abzuweisen.
Er rügt die Verletzung der §§ 14, 35 BVG und führt dazu aus, in § 35 Abs. 1 letzter Satz BVG sei der Versorgungsbehörde, da das Gesetz eine "angemessene" Erhöhung vorschreibe, ein Beurteilungsspielraum dahin eingeräumt, die über die gesetzlichen Beträge der Pflegezulage hinausgehenden Aufwendungen in Einzelfall ganz oder teilweise zu Lasten des Versorgungsfiskus zu übernehmen. Da für einen Blinden die Notwendigkeit, zur Führung fremde Hilfe in Anspruch nennen zu müssen, Ausdruck seiner besonderen Hilflosigkeit i. S. des § 35 BVG sei und diese Hilfe des Führens eine der wesentlichsten Tätigkeiten in Rannen der Wartung und Pflege eines Blinden darstelle, deckten sich, soweit es um diese Teilfolge der Hilflosigkeit bei einen Blinden gehe, die Zweckbestimmungen der Beihilfe nach § 14 BVG und der Pflegezulage nach § 35 BVG. Der gegenteiligen Auffassung des Berufungsgerichts könne nicht beigepflichtet werden. Auch darauf, daß die Beihilfe für Blinde, die keinen Führhund hielten, aufgrund der historischen Entwicklung des § 14 BVG in dieser Bestinnung und nicht in einer anderen Bestinnung des BVG geregelt sei, könne es für die Entscheidung, ob und in welcher Höhe die Pflegezulage zu erhöhen sei, nicht ankommen. Hierfür dürfte allein von Bedeutung sein, daß für eine der hier relevanten Aufwendungen eines Blinden, nämlich für die Kosten für fremde Führung, bereits eine Leistung nach den BVG gewährt werde. Es sei deshalb nicht ersichtlich, weshalb sie nicht in gleicher Weise wie die Pflegezulage bei der nach § 35 Abs. 1 letzter Satz BVG zu treffenden Ermessensentscheidung berücksichtigt werden sollte.
Der Kläger beantragt,
- die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. Dezember 1972 als unbegründet zurückzuweisen;
- dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
Der Kläger hält das Urteil des LSG für zutreffend und führt weiter aus, der Kriegsblinde bedürfe wegen seiner Hilflosigkeit dauernder Pflege. Diese Pflege werde in der Regel von der Ehefrau ausgeübt. Zu ihrer Pflegetätigkeit gehöre es auch, den kriegsblinden Ehemann zu begleiten und zu führen. Da sie für diese Tätigkeit nicht rund um die Uhr zur Verfügung stehen könne, gewähre die Versorgungsverwaltung neben der Pflegezulage nach § 35 BVG noch eine orthopädische Leistung nach § 14 BVG. Damit solle der Kriegsblinde in die Lage vorsetzt werden, sich in fremder Umwelt ohne seine Pflegeperson fortzubewegen und sich von dieser unabhängig zu machen. Diese Überlegungen müßten uneingeschränkt auch dann gelten, wenn der Kriegsblinde nicht von seiner Ehefrau, sondern von einer fremden Pflegeperson betreut werde. So gesehen förderten die nebeneinanderstehenden Leistungen der §§ 35 und 14 BVG wenigstens in einen gewissen Umfang die Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Kriegsblinden. Damit werde das BVG den modernen Ansprüchen, die sich auf blindenpsychologische Erkenntnisse stützten, gerecht.
II.
Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist von dem Beklagten frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Die Revision ist daher zulässig (§ 169 SGG); sie ist jedoch nicht begründet. Das LSG hat mit zutreffender Begründung entschieden, daß die Leistung nach § 14 BVG nicht auf die erhöhte Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 letzter Satz BVG angerechnet werden darf.
Nach § 35 Abs. 1 letzter Satz BVG (idF seit dem 1. NOG) kann die Pflegezulage angemessen erhöht werden, wenn die Aufwendungen für fremde Wartung und Pflege den Betrag der Pflegezulage übersteigen. Der Auffassung des LSG, daß es sich hierbei um eine Leistung handele, die in zweifacher Hinsicht in das Ermessen der Versorgungsverwaltung gestellt sei, kann nur eingeschränkt zugestimmt werden. Diese Auffassung trifft nur hinsichtlich der Frage zu, ob eine Erhöhung der Pflegezulage vorgenommen werden soll ( "kann" = Handlungsermessen; vgl. dazu BSG 29, 278, 281), nicht jedoch hinsichtlich der Frage, in welcher Höhe sie erfolgen soll. Nach dem Wortlaut des Gesetzes soll die Erhöhung "angemessen" sein. Der Beklagte hebt hierzu richtig hervor, daß es sich bei dem Begriff "angemessen" um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, also um einen Rechtsbegriff, der nach Inhalt und Umfang weitgehend ungewiß ist und der Ausfüllung für den Einzelfall bedarf. Der Verwaltung ist insoweit ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt; jedoch ändert das nichts an der Nachprüfbarkeit der Verwaltungsentscheidung daraufhin, ob sie diesen Spielraum bei der Abgrenzung und Auslegung des Begriffs "angemessen" eingehalten hat (vgl. BSG 27, 286). Dieser Auffassung über die gerichtliche Nachprüfung stehen auch der Beschluß des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS) vom 19. Oktober 1971 (vgl. NJW 1972, 1411) und das Urteil des 5. Senats des BSG vom 26. September 1972 (vgl. BSG 34, 269) nicht entgegen, da diese Entscheidungen zu anderen Rechtsvorschriften (§ 131 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung bzw. § 602 RVO) und anderen Rechtsbegriffen ( "unbillig" bzw. "Härtefall" ) ergangen sind (vgl. auch Urteil BSG vom 30. August 1973 - 9/8 RV 608/72).
Der Beklagte hat durch die Gewährung der erhöhten Pflegezulage an den Kläger (vgl. Abhilfebescheid vom 5. November 1970) anerkannt, daß die Aufwendungen für fremde Wartung und Pflege - durch die sonst berufstätige Tochter des Klägers - den Betrag der dem Kläger gewährten Pflegezulage (Stufe III; vgl. § 35 Abs. 1 Satz 3 BVG) übersteigen, Insoweit besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Die weitere gerichtliche Nachprüfung ergibt jedoch, daß der Beklagte bei der "angemessenen" Erhöhung der Pflegezulage zu Unrecht die Leistung noch § 14 BVG (idF seit dem 3. NOG; vorher § 13 Abs. 3 BVG) angerechnet und leistungsmindernd berücksichtigt hat. Dem Beklagten ist zwar darin zuzustimmen, daß es im konkreten Fall nicht nur eine einzige "richtige" Lösung, d.h. eine nach Mark und Pfennig eindeutig zu bestimmende Erhöhung der Pflegezulage gibt (vgl. hierzu BSG a.a.O.). Die Unbestimmtheit des Rechtsbegriffs läßt dem Beklagten in Fällen der vorliegenden Art eine gewisse Freiheit, die Angemessenheit der Erhöhung nach sorgfältiger Prüfung und innerhalb bestimmter Grenzen selbst festzusetzen. Der Beklagte ist jedoch nicht berechtigt, im Rahmen seines Beurteilungsspielraumes eine andere Versorgungsleistung anzurechnen bzw. zu berücksichtigen, auf die der Beschädigte neben der Pflegezulage einen Rechtsanspruch hat. Im Ergebnis würde das dazu führen, daß der Beklagte die gesetzliche Regelung korrigieren und dem Grundsatz der Gewaltenteilung - Recht Setzung durch den Gesetzgeber - zuwiderhandeln würde. Die Auffassung des Beklagten, die Leistung nach § 14 BVG könne in gleicher Weise wie die Pflegezulage bei der nach § 35 Abs. 1 letzter Satz BVG zu treffenden Entscheidung berücksichtigt werden, findet im Gesetz keine Stütze. Die Anrechnung der Pflegezulage ist nämlich in § 35 Abs. 1 letzter Satz BVG ausdrücklich vorgeschrieben, denn die Pflegezulage kann nur dann angemessen erhöht werden, wenn die Aufwendungen "den Betrag der Pflegezulage übersteigen" . Grundsätzlich muß es Bedenken erregen, eine Versorgungsleistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, leistungsmindernd bei einer anderen Versorgungsleistung zu berücksichtigen, sofern dies nicht im Gesetz ausdrücklich vorgeschrieben ist (vgl. z.B. § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG "zuzüglich der Ausgleichsrente" ; § 30. Abs. 3 BVG "Mehrbetrag der Grundrente" ; § 40 a Abs. 2 BVG "zuzüglich der Grundrente und der Ausgleichsrente" ; § 51 Abs. 8 BVG). Das LSG weist in diesem Zusammenhang mit Recht darauf hin, daß es für den Gesetzgeber nahegelegen hätte, die Beihilfe für fremde Führung mit in § 35 BVG zu übernehmen oder jedenfalls ihre Anrechenbarkeit neben der Pflegezulage ausdrücklich vorzuschreiben, sofern das seiner Absicht entsprochen hätte. Das ist jedoch nicht geschehen.
Der unterschiedliche Wortlaut des Gesetzes in § 14 und § 35 Abs. 1 letzter Satz BVG (hier: "fremde Führung" , dort: "fremde Wartung und Pflege" ) sowie rechtssystematische Überlegungen und der Sinn und Zweck der Leistung nach § 14 BVG verbieten gleichfalls die Anrechnung auf die erhöhte Pflegezulage. Bereits in der ursprünglichen Fassung des BVG (vom 20. Dezember 1950, BGBl I S. 791) war neben der Beschaffung von Führhunden (vgl. §§ 11 Abs. 3, 13 Abs. 3 Satz 1) eine besondere Pauschale zum Unterhalt des Führhundes vorgesehen. Dieser Unterhaltsbetrag "konnte" auch gewährt werden, wenn triftige Gründe die Benutzung eines Führhundes unmöglich machten und "besondere Unkosten durch fremde Führung" nachgewiesen wurden. Diese Regelung war damals in § 13 Abs. 3 BVG, also im Abschnitt "Heilbehandlung" unter den Vorschriften über die orthopädische Versorgung enthalten. Sie macht deutlich, daß es sich bei der Ausstattung mit einen Blindenführhund um orthopädische Versorgung - als Teil der Heilbehandlung - im engeren Sinne handelt (so jetzt ausdrücklich § 13 Abs. 1 BVG) und daß auch die Führhund Zulage und die Beihilfe zu den Aufwendungen für fremde Führung zur orthopädischen Versorgung (im weiteren Sinne) gerechnet werden muß (vgl. Wilke, BVG, 3. Aufl. § 14 Erl.). In gleicher Weise hatte bereits das Reichsversorgungsgericht unter Hinweis auf §§ 5 Abs. 3, 8 des Reichsversorgungsgesetzes (RVG) die Lieferung von Führhunden als Teil der Heilbehandlung angesehen (vgl. RVGer 6, 85). Allerdings war damals nach § 7 Abs. 4 RVG (idF vom 22. Dezember 1927 - RGBl I S. 515 - und idF vom 1. April 1939 - RGBl I S. 663 -) zwar ein pauschalierter Unkostenersatz für den Unterhalt des Hundes, jedoch noch kein Ersatz der Unkosten für eine besondere Führungskraft vorgesehen. Diese Regelung wurde aber offenbar als unzureichend angesehen, weil oftmals ein Führhund von der Verwaltung nicht zur Verfügung gestellt oder von dem Blinden aus räumlichen oder sonstigen Gründen nicht gehalten werden konnte, so daß ein zusätzlicher "menschlicher" Ersatz - mit entsprechenden Unkosten - herangezogen werden mußte (vgl. § 13 Abs. 3 BVG in der ursprünglichen Fassung). Durch das Zweite Gesetz zur Änderung und Ergänzung des BVG vom 7. August 1953 (BGBl I S. 862) wurde die bisherige Kannleistung des Aufwendungsersatzes für fremde Führung in einen Rechtsanspruch umgewandelt (... wird ... gewährt); auch war nunmehr ein Kostennachweis nicht mehr erforderlich. Im übrigen aber blieb die Stellung im Gesetz unter den Vorschriften über "Heilbehandlung" unverändert; eine Anrechnung auf die Pflegezulage fand nicht statt.
Durch das 1. NOG vom 27. Juni 1960 (BGBl I S. 453) wurde die hier einschlägige Vorschrift des § 35 Abs. 1 letzter Satz BVG über die erhöhte Pflegezulage in das BVG eingefügt. Diese Änderung ging zurück auf einen Antrag des Bundesrates (vgl. BR-Drucks. 192/1/59 vom 26. Juni 1959) und einen etwa gleichlautenden Antrag der SPD-Fraktion (vgl. BT-Drucks. 1262). Diesen Anträgen schloß sich der (22.) Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen an. Zur Begründung war in der Bundesrats-Drucksache ausdrücklich angegeben, es müsse die Möglichkeit geschaffen werden, in besonderen Fällen die tatsächlich entstehenden und nachgewiesenen Mehrkosten "für die notwendige Pflege" zu ersetzen. Nach der endgültigen Gesetzesfassung kommt es nunmehr auf die Aufwendungen "für fremde Wartung und Pflege" an. Der Gesetzeswortlaut enthält also eine klare Differenzierung zwischen den Aufwendungen für fremde Führung nach § 14 BVG (früher § 13 Abs. 3 BVG) und den Aufwendungen für fremde Wartung und Pflege nach § 35 Abs. 1 letzter Satz BVG. Diese Differenzierung hat auch ihren guten Gründe Nach § 35 Abs. 1 BVG wird die Pflegezulage gewährt, solange der Beschädigte infolge der Schädigung so hilflos ist, daß er für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang fremder Hilfe dauernd bedarf. Die Pflegekraft soll also den Tagesablauf des Schwerbeschädigten bzw. Blinden begleiten und hierbei seine Wartung und Pflege übernehmen. Dagegen soll der Blinde durch den Führhund - als Ausgangspunkt der gesamten Regelung nach § 13 Abs. 3/§ 14 BVG - die Möglichkeit erhalten, seinen häuslichen Bereich selbständig zu verlassen und sich ausserhalb seines Hauses - und unabhängig von der "fremden Hilfe" = Pflegekraft nach § 35 BVG - verhältnismäßig frei zu bewegen, wobei der Führhund bzw. die Führungshilfe als "quasi-orthopädisches Hilfsmittel" zum wenigstens teilweisen Ausgleich des verlorenen Sehvermögens anzusehen ist. Diese Regelung entspricht auch den Bedürfnissen und der Interessenlage des Blinden. Zum einen sollen die Selbständigkeit und Unabhängigkeit und damit das Lebensgefühl des Blinden gestärkt werden; ausserdem aber soll die Pflegekraft die - worauf der Kläger zu Recht hinweist - nicht "rund um die Uhr" zur Verfügung stehen kann, entlastet und von der ständigen Begleitung des Blinden, z.B. bei Spaziergängen, befreit werden. Wird weiter berücksichtigt, daß die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit heute nur 40-45 Stunden in der Woche beträgt, so muß eine derartige zusätzliche Hilfe für den Blinden als unbedingt notwendig bezeichnet werden, zumal der Blinde an sieben Tagen in der Woche betreut werden muß. Der Pauschbetrag nach § 14 BVG ist überdies so gering gehalten, daß davon nur ein Kind oder ein gutwilliger Rentner für eine zwar regelmäßige, aber zeitlich begrenzte Führungshilfe gewonnen werden kann.
Der Führhund und die Führungshilfe nach § 14 BVG haben also im System der Versorgungsleistungen ganz andere Aufgaben und dienen auch anderen Zwecken als die Pflegezulage nach § 35 BVG. Das wird besonders deutlich, wenn die Beschaffung und der Unterhalt des Führhundes in den Vordergrund gestellt werden; hier will offenbar auch der Beklagte eine Anrechnung nicht vornehmen.
Der Beklagte vermag sich auch nicht darauf zu berufen, daß Unterhaltskosten, sofern ein Führhund gehalten wird, immer anfallen, wahrend bei dem Kläger offenbar besondere Aufwendungen für fremde Führung nicht entstehen. Insoweit ist erneut darauf hinzuweisen, daß es sich bei dem Ersatz nach § 14 BVG um einen Pauschalbetrag handelt, der bereits seit dem Gesetz vom 7. August 1953 (a.a.O.) ohne besonderen Kostennachweis gezahlt wird. Wenn der Beklagte diesen - pauschalierten - Kostenersatz nach § 14 BVG auf die erhöhte Pflegezulage angerechnet hat, so hat er damit zwei verschiedene Kriegsopferleistungen als deckungsgleich angesehen, die sowohl von dem Beschädigten (Blinden) als auch von den Hilfspersonen aus gesehen selbständig nebeneinander stehen und deren Anrechnung im Gesetz auch nicht vorgesehen ist. Die vom Beklagten vorgenommene Erhöhung der Pflegezulage stellt sich damit nicht nur als unangemessen niedrig, sondern - durch die Anrechnung einer anderen Versorgungsleistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht - als rechtswidrig heraus.
Unterschriften
Sonnenberg
Hennig
Dr. Burdenski
Fundstellen