Leitsatz (redaktionell)

Der 2. Senat des BSG hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach ein Erholungs- oder Kuraufenthalt auch dann nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegt, wenn das Unternehmen hierfür einen zusätzlichen Urlaub bewilligt und ein betriebseigenes Heim zur Verfügung stellt oder auf sonstige Weise die Kosten trägt.

 

Orientierungssatz

Der Senat hält an seiner ständigen Rechtsprechung (Festhaltung BSG 1959-03-13 2 RU 167/57 = BSGE 9, 222) fest, daß es sich bei den der Erhaltung einer Wiederherstellung der Gesundheit dienenden Maßnahmen um eine persönliche Angelegenheit des Beschäftigten handelt, welche von seinen eigenen Entschließungen bestimmt wird und somit zum unversicherten Lebensbereich gehört. Ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit ist nicht aus dem Grunde gegeben, weil das Unternehmen ein natürliches Interesse an der Leistungsfähigkeit seiner Mitarbeiter hat und es diesen ermöglicht, statt im Wege eines von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zu gewährenden Heilverfahrens in einer dem Unternehmen gehörenden ärztlich geleiteten Einrichtung das für die Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit Erforderliche zu tun. Nach der Auffassung des erkennenden Senat kann es allerdings Fälle geben, in denen ein Beschäftigter während eines solchen Kuraufenthalts dem Unfallversicherungsschutz unterliegen kann. Dies setzt jedoch ua voraus, daß die Tätigkeit im Unternehmen mit einer besonderen Gefährdung verbunden und aus der Gestaltung des Kurablaufs eindeutig erkennbar ist, daß ihre Durchführung wesentlich in Wahrnehmung betrieblicher Belange erfolgt, das Interesse des Beschäftigten an seiner Gesundheit somit nur ein Nebenzweck der Kur ist.

 

Normenkette

RVO § 548 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1963-04-30

 

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. November 1969 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß ihre Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 6. August 1968 als unzulässig verworfen wird, soweit diese Hinterbliebenenentschädigung an die während des Klageverfahrens verstorbene Witwe des Verletzten betrifft.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Firma S unterhält für ihre Betriebsangehörigen drei Erholungsheime sowie 23 Vertragsheime; in diesen Heimen finden jährlich 15000 Urlauber Erholung. Ferner besitzt sie ein Kurheim in E/Oberbayern, in welchem die männlichen Mitarbeiter ihres Hauses sich Kreislauftrainingskuren nach einer von Dr. B, leitendem Arzt der im nahe gelegenen O befindlichen Kuranstalt der Landesversicherungsanstalt U, entwickelten Methode (sogenannte O Kur) unterziehen. Die weiblichen Mitarbeiter haben die Möglichkeit zu Kreislauftrainingskuren in einem Vertragsheim in S/Nahe. Ursprünglich war das Kurheim in E gemeinsame Vertragsanstalt der Landesversicherungsanstalt U und der Firma S gewesen. Seit dem Jahre 1960 dient es seinem jetzigen Zweck; sein ärztlicher Leiter ist ein ehemaliger Mitarbeiter Dr. B Pro Jahr stehen 750 Plätze im Kurheim zur Verfügung. Diese werden quotenmäßig auf die einzelnen Betriebe entsprechend ihrer Beschäftigtenzahl aufgeteilt. Eine Kur dauert einschließlich der Samstage und Sonntage jeweils 23 Tage. Etwa 60 Mitarbeiter unterziehen sich jeweils gemeinsam einer Kur. Ihre Unterbringung erfolgt auf Firmenkosten in privaten Unterkünften. Im allgemeinen werden jährlich zweimal sogenannte "Lohnempfängerkuren" und elfmal "Angestelltenkuren" durchgeführt. Patienten, die arbeitsunfähig sind, werden nicht aufgenommen. Die Kurteilnehmer werden vom Betriebsarzt des einzelnen Betriebes vorgeschlagen und unter Berücksichtigung der Bedingungen ihres Arbeitsplatzes ausgewählt. Die Kur soll in erster Linie der Wiederherstellung der Arbeitskraft dienen. Die Altersgrenze der Kurteilnehmer liegt im allgemeinen zwischen 30 und 60 Jahren. Bei den über 60jährigen handelt es sich meist um Mitarbeiter, die sich im Betrieb besonders verdient gemacht haben und die Kur zur Aufrechterhaltung ihrer Arbeitsfähigkeit brauchen. Die "Verschickung" erfolgt nur mit Einverständnis des Kurteilnehmers. Auf die Kur werden 5 Tage des Erholungsurlaubs angerechnet, der Rest wird als bezahlter Sonderurlaub behandelt. Dadurch soll erreicht werden, daß jeder Teilnehmer selbst ein Opfer für die Kur erbringt und durch aktive Beteiligung den Kurerfolg steigert; weniger interessierte Betriebsangehörige sollen auf diese Weise von der Teilnahme abgehalten werden. Zur Erzielung des Kurerfolgs dürfen Kraftfahrzeuge nicht mitgebracht sowie Ehegatten und sonstige Familienangehörige nicht in Eschenlohe untergebracht werden. An etwa 10 bis 12 Abenden finden Vorträge statt, an denen Teilnahmepflicht besteht und neben rein medizinischen Themen auch solche im Zusammenhang mit Fragen innerbetrieblicher Schwierigkeiten bei der Führung von Arbeitnehmern erörtert werden. Es ist vorgekommen, daß Kurteilnehmer aus betrieblichen Gründen abberufen worden sind. In solchen Fällen wird vom leitenden Arzt des Kurheims eine Wiederholung der Kur vorgeschlagen.

Der Vater des Klägers zu 1), J K (K.), war im Forschungszentrum E der Firma S als Schaltwart beschäftigt. Im August 1965 wurde er von der dortigen betriebsärztlichen Dienststelle für eine Kreislauftrainingskur in E vorgeschlagen. Nach dem Bericht des Betriebsarztes war er bereits im Jahre 1952 wegen Herz- und Kreislaufbeschwerden stationär behandelt worden und klagte nunmehr - bei einer Größe von 1,73 m und einem Gewicht von 85 kg - über Schmerzen in der Herzgegend. Am 6. September 1965 befand er sich im Kurheim auf dem Weg vom Wassertretbecken zur Gymnastikhalle. Er rutschte mit den nassen Füßen aus und schlug mit dem rechten Oberschenkel und dem Becken auf dem Steinboden auf. Wegen eines Oberschenkelbruchs wurde er in das Gemeindekrankenhaus M gebracht. Dort starb er am 11. September 1965 an einer Lungenembolie.

Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 22. Dezember 1965 die erhobenen Ansprüche auf Witwen- und Waisenentschädigung ab, weil die Teilnahme des Verstorbenen an der Kreislaufkur in E, ebenso wie sonstige der Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit dienende Maßnahmen, dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen sei. Demgegenüber sei nicht entscheidend, daß das Unternehmen die Kur finanziere, weil es ein erhebliches Interesse an der Erhaltung der Leistungsfähigkeit seiner Belegschaft habe.

Das Sozialgericht (SG) Nürnberg hat den Referenten in der sozialpolitischen Abteilung der Firma S, K, den leitenden Arzt des Kurheims E, Dr. G, sowie den Betriebsarzt Dr. St, welcher als Kurteilnehmer den Unfall des Verstorbenen miterlebt hatte, als Zeugen gehört.

Während des Klageverfahrens ist die Witwe des Verunglückten gestorben. Auf Anregung des SG ist ihre verheiratete Tochter aus ihrer früheren Ehe, welche ebenso wie der Kläger zu 1) ihre Mutter zur Hälfte beerbt hat, in den Rechtsstreit eingetreten.

Das SG hat durch Urteil vom 6. August 1968 die Klage abgewiesen.

Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 13. November 1969 die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 9, 222) stehe ein Beschäftigter während eines Erholungsurlaubs oder Kuraufenthalts selbst dann nicht unter Unfallversicherungs(UV)-Schutz, wenn das Unternehmen ein eigenes Heim zur Verfügung stelle, weil die zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit dienenden Maßnahmen grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen seien, auch soweit sie gleichzeitig den Interessen des Unternehmens dienten. Eine Ausnahme bestehe nach dieser Rechtsprechung möglicherweise, wenn die Arbeit im Unternehmen mit einer solchen Gefährdung verbunden sei, daß vorbeugende Maßnahmen zur Vermeidung von Gesundheitsschäden erforderlich seien und das Unternehmen diese durchführe. Ein solcher Sachverhalt liege hier jedoch nicht vor. K. sei spezifisch kreislaufschädigenden beruflichen Einwirkungen nicht ausgesetzt gewesen. Es sei nicht bekannt, daß bei einer Tätigkeit als Schaltwart der Kreislauf stärker beansprucht werde als bei einer Unzahl anderer Tätigkeiten. Dieser Erkenntnis entspreche auch das Vorbringen des Prozeßbevollmächtigten der Kläger. Dieser habe in der mündlichen Verhandlung betont, daß die Kreislaufkuren wegen der Streßeinwirkungen und hektischen Arbeitszeitbedingungen gewährt würden; auf Befragen, welchen dieser Bedingungen K. ausgesetzt gewesen sei, habe er lediglich vorgetragen, daß ein Streß bei allen Betriebsangehörigen in gleicher Weise vorliege und man auf den Durchschnitt abstellen müsse. Eine spezifisch schädigende Berufstätigkeit im Einzelfall werde somit nicht behauptet. Die Kreislauftrainungskur werde gleichermaßen und unterschiedslos allen Firmenangehörigen, deren Kreislauf Vorsorgemaßnahmen angezeigt erscheinen lasse, und zwar insbesondere älteren Beschäftigten und darüber hinaus verdienten Mitarbeitern gewährt. Sie entspreche somit den bekannten Sozialeinrichtungen der Firma S und sei ungeachtet deren Interesse an der Gesundheit ihrer Arbeitnehmer dem persönlichen und damit unversicherten Lebensbereich der Kurteilnehmer zuzurechnen.

Das LSG hat die Revision mit der Begründung zugelassen, daß die einzige einschlägige Entscheidung des BSG bereits vor zehn Jahren ergangen und eine neuere höchstrichterliche Entscheidung zu dieser für die gesamte Wirtschaft bedeutsamen Frage nicht ersichtlich sei.

Die Kläger haben dieses Rechtsmittel eingelegt und es im wesentlichen wie folgt begründet:

Das Berufungsgericht habe sich zu Unrecht auf die Entscheidung in BSG 9, 222 gestützt; diesem Urteil liege ein anderer Sachverhalt zugrunde. Es habe sich hier um Plätze in einem Erholungsheim gehandelt, welche der Arbeitgeber in einem regelmäßigen Turnus an erholungsbedürftige, verdiente und wirtschaftlich bedürftige Werksangehörige vergeben habe; auf die Gestaltung des Aufenthalts habe er keinen Einfluß genommen. Bei der Kreislauftrainingskur in E handele es sich nicht um die übliche "Kur", sondern um eine spezielle Betriebseinrichtung, durch deren gezielte Maßnahmen arbeitsbedingte Kreislaufschädigungen und -gefährdungen behandelt würden. Ausgewählt würden Mitarbeiter, die an ihren Arbeitsplätzen besonders kreislaufgefährdeten Arbeitsbedingungen ausgesetzt und kreislaufgeschädigt oder kreislaufgefährdet seien. Der Kurablauf sei bis ins einzelne reglementiert. Es sei möglich, daß ein Betriebsangehöriger vorzeitig aus der Kur zurückgerufen werde, wenn betriebliche Gründe dies ausnahmsweise erforderten. Die Kurteilnehmer würden durch medizinische Fachvorträge geschult, arbeitsmedizinische Gesichtspunkte in der betrieblichen Praxis zu beachten. Soweit erforderlich, werde die Kreislauftherapie nach Beendigung der Kur im Rahmen des Betriebssports von den Betriebsärzten weitergeführt. Für die Durchführung der Kreislauftrainingskur sei der Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Nutzeffekts vorherrschend und nicht der einer fürsorgerischen Betreuung wie bei den Erholungsmaßnahmen der Firma S, obwohl auch hier teilweise Ausgleichssport betrieben werde und eine gewisse ärztliche Betreuung erfolge. Unerheblich sei, ob auch Rentenversicherungsträger ähnliche medizinische Vorsorge- oder Heilmaßnahmen wie die Firma S mit ihren Kreislauftrainingskuren gewährten. Bei diesen handele es sich funktionsmäßig um einen Teil der Betriebstätigkeit. K. sei als Schaltwart besonderen nervlichen Belastungen unterworfen gewesen; er habe ständig die Schaltanlagen der Schaltwarte sowie mehrere Maschinen und Umformer verantwortlich überwachen müssen und sei für Stundenabrechnungen und Materialbeschaffungen verantwortlich gewesen. Über den auf die Zweifel des LSG, ob bei K. eine besondere Kreislaufgefährdung durch Berufstätigkeit vorgelegen habe, gestellten Antrag, hierzu eine betriebliche Stellungnahme einzuholen, habe das Berufungsgericht nicht entschieden; damit habe es seine Aufklärungspflicht verletzt. Selbst wenn im Einzelfall keine konkrete Kreislaufschädigung nachgewiesen werden könne, sei eine kausale Verknüpfung mit der betrieblichen Tätigkeit gegeben, weil die Aufforderung zur Teilnahme an der Kur und die Anforderungen an das Verhalten während der Kur für jeden Firmenangehörigen arbeitsrechtlich verpflichtend seien. Die Kreislauftrainingskur sei ebenso betriebsnahe organisiert wie betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen und Veranstaltungen des Betriebssports. Selbst wenn die Teilnahme an der Kur dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzuordnen sei, müsse berücksichtigt werden, daß K. in einer Betriebseinrichtung verunglückt und die Beschaffenheit der Unfallstelle, nämlich der nasse glitschige Boden, für die Schwere des Unfalls wesentlich gewesen sei.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend hat sie ausgeführt: Wie sich aus dem betriebsärztlichen Befundbericht ergebe, sei die Verschickung nach Eschenlohe nicht wegen einer besonderen Gefährdung durch den Streß am Arbeitsplatz, sondern wegen der vom Beruf unabhängigen Veranlagung des Verunglückten zu Kreislaufgefährdung angezeigt gewesen. Es sei überdies nicht zu erkennen, in welchen wesentlichen Punkten sich die im betriebseigenen Kurheim durchgeführte Kreislauftrainingskur von den von Sozialversicherungsträgern gewährten ähnlichen Kuren unterscheide.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen festzustellen, daß der Unfall des J K vom 6. September 1965 ein Arbeitsunfall sei, und die Beklagte zu verurteilen, den Klägern Sterbegeld und Witwenrente für die Zeit vom 11. September 1965 bis 29. Oktober 1967 sowie dem Kläger zu 1) außerdem Waisenrente vom 11. September 1965 an zu gewähren,

hilfsweise,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die - durch Zulassung statthafte - Revision ist nicht begründet.

Soweit es sich um die von beiden Klägern nach dem Tode ihrer Mutter - als der Witwe des Verunglückten - geltend gemachten Ansprüche auf Hinterbliebenenentschädigung (§§ 589 Abs. 1 Nr. 1 - 2, 590, 591 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) handelt, ist - was bei einer zugelassenen Revision von Amts wegen zu prüfen ist (BSG 1, 126, 128) - die Berufung nach § 144 Abs. 1, § 145 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeschlossen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 16.12.1970 - 2 RU 55/68). Für den - in der Revision wiederholten - Feststellungsantrag besteht nur in bezug auf die geltend gemachte Waisenrente ein berechtigtes Interesse nach § 55 SGG. Es bedarf somit keiner Entscheidung, ob die Klägerin zu 2) nach § 630 Abs. 1 RVO bezugsberechtigt ist.

Der vom Kläger zu 1) außerdem erhobene Anspruch auf Waisenrente (§ 595 RVO) setzt voraus, daß der am 6. September 1965 von seinem Vater im betriebseigenen Kurheim seines Arbeitgebers erlittene Unfall in innerem Zusammenhang mit seiner betrieblichen Tätigkeit steht. Dies hat das Berufungsgericht im Hinblick auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats zutreffend verneint.

Wie der Senat am 13. März 1959 (BSG 9, 222) entschieden hat, besteht bei einem Kuraufenthalt grundsätzlich auch dann kein UV-Schutz, wenn das Unternehmen hierfür einen zusätzlichen Urlaub bewilligt und ein betriebseigenes Heim zur Verfügung stellt. Diese Rechtsprechung beruht insbesondere auf der Erwägung, daß es sich bei den der Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit dienenden Maßnahmen um eine persönliche Angelegenheit des betreffenden Arbeitnehmers handelt, welche von seinen eigenen Entschließungen bestimmt wird und somit grundsätzlich zum unversicherten Lebensbereich gehört (BSG 4, 219, 223; BG 1965, 115). Ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit ist auch nicht deshalb gegeben, weil das Unternehmen ein natürliches Interesse an der Gesundheit und Leistungsfähigkeit seiner Beschäftigten hat und in großzügiger Handhabung seiner arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht, welche angesichts der heutigen verstärkten Betonung des Fürsorgepflichtgedankens des Arbeitgebers in vielem bereits zu einer Grundpflicht geworden ist (vgl. die Besprechung des o. a. Urteils vom 13.3.1959 durch Dersch, AP Nr. 2 zu § 542 RVO aF), von sich aus entsprechende Maßnahmen einleitet und es den Betriebsangehörigen ermöglicht, statt im Wege eines von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zu gewährenden Heilverfahrens (§ 1237 RVO, § 14 AVG) in einer dem Unternehmen gehörenden ärztlich geleiteten Einrichtung das für die Erhaltung oder Wiederherstellung ihrer Gesundheit Erforderliche zu tun. Zu einer Änderung dieses sich auf den UV-Schutz beziehenden Rechtsstandpunktes sieht sich der erkennende Senat nicht aus dem Grund veranlaßt, weil Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge nach dem Willen des Gesetzgebers künftig auch in der gesetzlichen Krankenversicherung (§§ 181, 181 a RVO) verstärkt zum Zuge kommen sollen (s. auch BSG 9, 222, 226).

Nach der Auffassung des erkennenden Senats kann es allerdings Fälle geben, in denen ein Beschäftigter während eines solchen Kuraufenthalts dem UV-Schutz unterliegen kann. Wie er hierzu näher ausgeführt hat (BSG 9, 222, 227 f.), setzt dies jedoch ua voraus, daß Tätigkeiten in einem bestimmten Unternehmen mit einer "besonderen" Gefährdung verbunden sind und aus der besonderen Gestaltung des Kurablaufs eindeutig erkennbar ist, daß ihre Durchführung wesentlich in Wahrnehmung betrieblicher Belange erfolgt, das Interesse des Beschäftigten an seiner Gesundheit somit nur ein Nebenzweck der Kur ist. Ein solcher Ausnahmetatbestand ist nach dem in der vorliegenden Sache unstreitigen Sachverhalt indessen nicht gegeben.

Es ist allgemein bekannt, daß Herz- und Kreislauferkrankungen an der Spitze der Erkrankungen stehen, von denen die gesamte Bevölkerung der Bundesrepublik und nicht etwa allein deren im Arbeitsleben stehende Schichten betroffen sind. Dies wirkt sich naturgemäß bei der Firma S als dem größten Arbeitgeber in der Bundesrepublik, welcher mit Abstand die meisten Beschäftigten hat (nach einem Bericht im Wirtschaftsteil der Süddeutschen Zeitung vom 26.3.1971 allein 240000 in der Bundesrepublik), in besonderem Maße aus. Ungeachtet des somit erheblichen Interesses dieses durch seine großzügige soziale Einstellung bekannten Weltunternehmens an der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit seiner Mitarbeiter, welches durch die Gewährung von Kreislaufkuren in einer hauseigenen Einrichtung zu Tage tritt, sind diese Verhältnisse aber nicht durch die besondere Natur des Unternehmens, sondern durch die erhebliche Zahl seiner Mitarbeiter bedingt. Dies macht die Tatsache deutlich, daß es seinen weiblichen Mitarbeitern Kreislauftrainingskuren nicht in einem betriebseigenen, sondern in einem Vertragsheim ermöglicht. In ihrer Gestaltung unterscheiden sich die Kurmaßnahmen im hauseigenen Kurheim nicht wesentlich von denen der im nahe gelegenen Ohlstadt befindlichen Kuranstalt eines Rentenversicherungsträgers, welche dort kreislaufgeschädigten oder -gefährdeten Arbeitnehmern verschiedenster Unternehmen gewährt werden. Dies gilt insbesondere für das von dem leitenden Arzt der Kuranstalt in O, Dr. B, entwickelte Kreislauftraining, welches dem Kurgast eine aktive Beteiligung abverlangt und durch allmähliche Steigerung der körperlichen Beanspruchung den erwünschten Kurerfolg herbeizuführen versucht, eine Heilmethode, welche als sogenannte O Kur inzwischen in der ärztlichen Praxis allgemeine Anerkennung gefunden hat. Da diese Heilmethode, soll sie erfolgreich sein, ein gesteigertes Interesse des Kurgastes voraussetzt, verbietet sich ein Zwang, sich einer solchen Kur zu unterziehen, von selbst. Aus diesem Blickwinkel versteht sich das Verlangen der Firma S, daß jeder Kurteilnehmer auf 5 Tage seines jährlichen Erholungsurlaubs verzichtet.

Auch die übrigen einschränkenden Anordnungen wie das Verbot des Mitbringens von Kraftfahrzeugen und der Unterbringung von Familienangehörigen am Kurort, sind durch den Heilzweck, also aus ärztlichen Gründen, geboten und beruhen nicht auf dem Direktionsrecht des Arbeitgebers (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand 1.9.1970, Band II, S. 484 h unten). Daß dieser in Ausnahmefällen einen Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen an seinen Arbeitsplatz zurückbeordert, mag bei Aufenthalt des Beschäftigten in einem betriebseigenen Kurheim leichter zu bewerkstelligen sein als wenn dieser in einer einem Sozialversicherungsträger gehörenden Kuranstalt verweilt. Diese faktische Zugriffsmöglichkeit des Arbeitgebers ist aber, entgegen der Ansicht der Revision, kein entscheidendes Kriterium dafür, ob der Betriebsangehörige sich während des Kuraufenthalts im "Dienst" befindet. Sie besagt auch - unabhängig von der Frage des UV-Schutzes, wenn der Arbeitnehmer der Weisung nachkommt (Brackmann, aaO, S. 480 v) - nichts darüber, ob der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsvertrag verpflichtet ist, einer entsprechenden Aufforderung des Arbeitgebers Folge zu leisten. Wird schon die Zurückberufung eines beurlaubten Arbeitnehmers nur aus ganz besonderen Gründen für zulässig erachtet (Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., 1. Band, S. 443; Nikisch, Arbeitsrecht, 3. Aufl., 1. Band, S. 536), so wird dies erst recht für den Fall einer Unterbrechung einer ärztlicherseits als notwendig angesehenen Kur zu gelten haben.

Die Zusammenfassung bestimmter Gruppen von Beschäftigten desselben Betriebs während eines Kuraufenthalts bietet der Unternehmensleitung allerdings die Möglichkeit, durch ihre im Kurheim tätigen Ärzte ihren Beschäftigten gesundheitliche Aspekte aufzuzeigen, welche sich aus dem Zusammensein im Betrieb ergeben können. Diese betriebliche Komponente ist aber weder für sich allein noch für den Kurablauf so bedeutsam, daß der gesamte Kuraufenthalt als mit der betrieblichen Tätigkeit innerlich zusammenhängend angesehen werden muß. Bei diesem steht vielmehr, obwohl dadurch auch Belange des Unternehmens verwirklicht werden, das private Interesse des Kurteilnehmers, wieder zu gesunden, im Vordergrund. Deshalb ist es - entgegen der Meinung der Revision - versicherungsrechtlich ohne Bedeutung, daß der Vater des Klägers zu 1) den Unfall in einer von seinem Arbeitgeber unterhaltenen Betriebseinrichtung erlitten hat. Bei dieser handelt es sich um eine - wegen ihres Nutzens für den Arbeitnehmer besonders begrüßenswerte - fürsorgerische Maßnahme des Arbeitgebers, welche nicht den versicherten Tätigkeiten im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses zugerechnet werden kann (BSG 9, 222, 227; Dersch, aaO).

Nach Sachlage entfällt - entgegen der Ansicht der Revision - auch eine Anwendung der Grundsätze für den UV-Schutz bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen und beim Betriebssport (BSG 9, 222, 225).

Schließlich ist nicht zu verkennen, daß, würde man in der vorliegenden Sache den UV-Schutz bejahen, dies eine nicht gerechtfertigte Bevorzugung der in wirtschaftlich starken Großbetrieben tätigen Arbeitnehmer bedeuten würde. Ungeachtet des Wertes solcher sozialer Einrichtungen würden in kleineren Betrieben Beschäftigte, welche sich im nahe gelegenen Ohlstadt im Rahmen eines Heilverfahrens der gesetzlichen Rentenversicherung einer Kreislauftrainingskur unterziehen, es nicht verstehen, daß ihnen bei einem Unfall der Versicherungsschutz vorenthalten werden müßte (vgl. auch die Besprechung von Sauer des o. a. Urteils des Senats vom 13.3.1959 in SGb 1959, 435 sowie Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl., Kenn-Nr. 121, S. 15 ff).

Die Revision ist daher nicht begründet. Sie ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Berufung der Kläger als unzulässig zu verwerfen ist, soweit Hinterbliebenenentschädigung an die Rechtsnachfolger der während des Klageverfahrens verstorbenen Witwe streitig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669536

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