Leitsatz (amtlich)

1. Verlegt ein Versorgungsantragsteller seinen Wohnsitz im Ausland von einem Land in ein anderes Land und ist für den neuen Wohnsitz im Ausland nach § 1 KOVAuslZustV 1964 eine andere Versorgungsbehörde zuständig, so wird in entsprechender Anwendung des § 4 KOVVfG (§ 3 KOVAuslZustV 1964) die Zuständigkeit der anderen Versorgungsbehörde mit dem Eingang der an sie abgegebenen Akten begründet.

2. Die Passivlegitimation eines anderen Landes der BRD als Beklagter in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung wird durch den mit der Abgabe der Akten eingetretenen Zuständigkeitswechsel der Versorgungsbehörden begründet (vgl BSG 1967-11-17 10 RV 501/64 = SozR Nr 3 zu § 71 SGG).

 

Leitsatz (redaktionell)

Welches Sozialgericht ist zuständig?

Nach SGG § 57 Abs 3 ist örtlich zuständig das Sozialgericht, in dessen Bezirk das Landesversorgungsamt seinen Sitz hat; denn das Land wird durch das Landesversorgungsamt vertreten (SGG § 71 Abs 5).

 

Normenkette

SGG § 57 Abs. 3, § 71 Abs. 5; KOVAuslZustV 1964 §§ 1, 3; KOVVfG § 4

 

Tenor

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Der Antrag des Klägers, für seine am 13. März 1973 beim Sozialgericht (SG) Hamburg gegen den Bescheid des Versorgungsamts (VersorgA) Aachen vom 4. Oktober 1972 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesversorgungsamts (LVersorgA) Nordrhein-Westfalen vom 1. März 1973 erhobene Klage, nach § 58 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das zuständige Gericht zu bestimmen, ist zurückzuweisen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Bestimmung durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht nicht vorliegen.

Der Kläger hat keinen Wohnsitz im Geltungsbereich des SGG. Er wohnte zunächst in den Niederlanden und befindet sich seit dem 27. November 1972 als Missionar in Zaire (Afrika). Am 26. Juni 1972 beantragte er von den Niederlanden aus die Gewährung von Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Das für die Versorgung der Opfer des Krieges mit dem Wohnsitz in den Niederlanden zuständige VersorgA Aachen (§ 1 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung über die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung (KOV) für Berechtigte außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes (GG) vom 9. Juni 1964 - Auslandszuständigkeits-Verordnung - BGBl I S, 349 - i.d.F. der hierzu ergangenen Änderungs-Verordnung vom 22. Dezember 1966 - BGBl I S. 772 - lehnte durch Bescheid vom 4. Oktober 1972 die Gewährung von Rente ab. Den gegen den Bescheid erhobenen Widerspruch wies das LVersorgA Nordrhein-Westfalen durch Widerspruchsbescheid vom 1. März 1973 zurück; die Rechtsmittelbelehrung wurde dahin erteilt, gegen den Widerspruchsbescheid könne innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage vor dem SG Hamburg erhoben werden. Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 13. März 1973 beim SG Hamburg Klage erhoben. Das VersorgA Aachen gab mit Schreiben vom 26. März 1973 die Versorgungsakten des Klägers unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 Buchst. l der Auslandszuständigkeits-Verordnung an das VersorgA Hamburg zuständigkeitshalber ab, weil der Kläger seinen Wohnsitz nach Zaire (Afrika) verlegt habe.

Die in dem Klageverfahren vor dem SG Hamburg beklagte Freie und Hansestadt Hamburg - vertreten durch das Versorgungsamt Hamburg - hat Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des SG Hamburg erhoben. Nach § 57 SGG ergebe sich die örtliche Zuständigkeit nach den zur Zeit der Klageerhebung bestehenden Verhältnissen. Da der Kläger seinen Wohnsitz außerhalb des Geltungsbereichs des SGG habe, richte sich die örtliche Zuständigkeit des SG nach dem Sitz des Beklagten (§ 57 Abs. 3 SGG). Zur Zeit der Klageerhebung am 13. März 1973 sei das VersorgA Aachen die zuständige Verwaltungsbehörde gewesen; denn ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit der Versorgungsämter werde erst durch die Abgabe der Akten an das andere VersorgA begründet (§ 4 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der KOV vom 2. Mai 1955 - VerwVG - BGBl I S. 202). Das VersorgA Aachen habe die Akten an das für Personen in den außereuropäischen Staaten mit Ausnahme der amerikanischen Staaten und Kanada zuständige VersorgA Hamburg (§ 1 Abs. 1 Buchst. 1 Ausländerzuständigkeits-Verordnung) aber erst am 26. März 1973 nach Erhebung der Klage abgegeben.

Darauf hat der Kläger am 8. Mai 1973 beim SG Hamburg hilfsweise beantragt, nach § 58 SGG durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht das zuständige Gericht bestimmen zu lassen. Diesen Antrag des Klägers hat das SG Hamburg mit Verfügung vom 25. Juni 1973 dem Bundessozialgericht (BSG) zur Entscheidung vorgelegt und dabei ausgeführt, § 4 VerwVG, auf den sich das VersorgA Hamburg berufe, betreffe nur die Fälle der Verlegung des Wohnsitzes innerhalb des Geltungsbereichs des GG oder von einem Ort außerhalb des Geltungsbereichs des GG in dessen Geltungsbereich; es könne daher zweifelhaft sein, ob das VersorgA Hamburg nicht bereits mit dem Wohnsitzwechsel des Klägers von den Niederlanden nach Zaire (Afrika) zuständig geworden sei und die Zuständigkeit des SG Hamburg sich gemäß § 57 Abs. 3 SGG danach richte, welche Versorgungsbehörde im Zeitpunkt der Klageerhebung zuständig gewesen ist.

Dem Antrag des Klägers kann nicht entsprochen werden. Das BSG ist zwar für die in Frage stehende Bestimmung, ob das SG Hamburg oder das SG Münster für die vom Kläger erhobene Klage örtlich zuständig ist, nach § 58 Abs. 1 SGG das gemeinsam nächsthöhere Gericht und danach für die nachgesuchte Entscheidung zuständig. Jedoch ist keine der in § 58 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 SGG aufgestellten Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts erfüllt.

Die in § 58 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGG vorgesehenen Gründe für die Bestimmung des zuständigen Gerichts scheiden ohne weiteres aus. In dem vor dem SG Hamburg anhängigen Rechtsstreit haben sich verschiedene Gerichte weder rechtskräftig für zuständig (§ 58 Abs. 1 Nr. 3 SGG) noch rechtskräftig für unzuständig erklärt (§ 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG). Auch liegt nicht der Fall vor, daß eine örtliche Zuständigkeit nach § 57 SGG nicht gegeben ist (§ 58 Abs. Nr. 5 SGG). Dies ist der Fall, wie der Senat in seinem Beschluß vom August 1958 (BSG in SozR Nr. 3 zu § 57 SGG) bereits dargelegt hat, wenn das angerufene Gericht weder selbst nach § 57 SGG örtlich zuständig ist noch von sich aus das nach dieser Vorschrift zuständige Gericht der Sozialgerichtsbarkeit bestimmen und den Rechtsstreit an dieses nach § 98 SGG verweisen kann. Um eine Entscheidung durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht nach § 58 SGG herbeizuführen, müssen aber mindestens zwei Gerichte als örtlich zuständige Gerichte in Betracht kommen. Diese Voraussetzungen sind hier indessen nicht erfüllt.

Für die gegen den Bescheid des VersorgA Aachen vom 4. Oktober 1972 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des LVersorgA Nordrhein-Westfalen vom 1. März 1973 beim SG Hamburg erhobene Klage kommt, weil der Kläger seinen Wohnsitz außerhalb des Geltungsbereichs des SGG hat, nach § 57 AbS. 3 SGG nur ein Gericht als das örtlich zuständige SG in Betracht, nämlich dasjenige, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz hat. Für das SG Hamburg und die Prozeßbeteiligten ist es nur zweifelhaft, ob wegen des Wohnsitzwechsels des Klägers im Ausland von den Niederlanden nach Zaire (Afrika) am 27. November 1972 während des Verwaltungsverfahrens zur Entscheidung über den Versorgungsantrag das für das VersorgA Aachen zuständige Land Nordrhein-Westfalen oder die für das VersorgA Hamburg zuständige Freie und Hansestadt Hamburg bei Erhebung der Klage am 113. März 1973 der passiv legitimierte Beklagte ist. Da in Sachen der KOV die Passivlegitimation eines Landes durch die Zuständigkeit der Versorgungsbehörde bestimmt wird (BSG in SozR Nr. 3 zu § 71 SGG), hängt die Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit des SG allein davon ab, welche Verwaltungsbehörde der KOV nach § 3 Abs. 5 VerwVG in Verbindung mit den Vorschriften der Auslandszuständigkeits-Verordnung bei Erhebung der Klage am 13. März 1973 örtlich zuständig war. Als das für die Klage Örtlich zuständige Gericht kommt hiernach aber nur entweder das SG in Betracht, in dessen Bezirk das LVersorgA Nordrhein-Westfalen seinen Sitz hat, oder das SG Hamburg, so daß die gleichzeitige örtliche Zuständigkeit mehrerer Gerichte nicht in Frage steht.

Es ist auch nicht der Fall gegeben, daß das angerufene SG Hamburg weder selbst nach § 57 SGG örtlich zuständig ist noch von sich aus das nach § 57 Abs. 3 SGG zuständige Gericht der Sozialgerichtsbarkeit bestimmen und den Rechtsstreit an dieses nach § 98 SGG verweisen kann. Wenn sich das SG Hamburg für die bei ihm erhobene Klage nicht nach § 57 Abs. 3 SGG für örtlich zuständig hält, kann es das für die Klage örtlich zuständige SG aufgrund der Vorschriften des VerwVG und der Auslandszuständigkeits-Verordnung bestimmen und den Rechtsstreit an dieses Gericht nach § 98 SGG verweisen. Bloße Zweifel an der örtlichen Zuständigkeit, wie sie unter den Prozeßbeteiligten bestehen und wie sie das SG Hamburg geäußert hat, sind aber ausdrücklich nicht als gesetzlicher Grund dafür vorgesehen worden, nach § 58 SGG das zuständige Gericht durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht zu bestimmen (Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit § 58 Ann. S. 185/13 - 42 -). Eine Bestimmung des zuständigen Gerichts kann wegen der in § 58 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 SGG getroffenen abschließenden Regelung nur erfolgen, wenn einer der hier aufgeführten Gründe vorliegt.

Es muß vielmehr zunächst dem SG Hamburg überlassen bleiben, auf die vor ihm erhobene Klage über seine örtliche Zuständigkeit selbst zu entscheiden. Dabei kommt nach § 3 Auslandszuständigkeits-Verordnung eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 4 VerwVG in Betracht. Das hätte zu bedeuten, daß für die Änderung der Örtlichen Zuständigkeit der Versorgungsbehörde bei einem Wohnsitzwechsel des Versorgungsantragstellers im Ausland der in § 4 Abs. 1 VerwVG aufgestellte Grundsatz entsprechend zu gelten hat. In § 4 Abs. 1 VerwVG ist bestimmt, daß bei Verlegung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts die Versorgungsbehörde zuständig wird, in deren Bezirk der neue Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt liegt, sobald die Akten an diese Versorgungsbehörde abgegeben sind. Die neue Versorgungsbehörde wird also mit der erfolgten Abgabe der Akten leistungspflichtig für alle Leistungen, welche in dem betreffenden Versorgungsfall zu bewirken sind (BSG in SozR Nr. 5 zu § 71 SGG).

Werden diese Grundsätze auf die Verlegung des Wohnsitzes eines Versorgungsantragstellers in ein anderes Gebiet des Auslandes wie hier von den Niederlanden in das Gebiet von Zaire (Afrika) entsprechend angewandt, so wird dadurch die Versorgungsbehörde zuständig, die nach der Auslandszuständigkeits-Verordnung für Personen in dem neuen Gebiet des Auslands zuständig ist, sobald die Akten abgegeben worden sind. Tritt also infolge eines Wohnsitzwechsels im Ausland von einem Land in das andere ein Wechsel der Zuständigkeit der Versorgungsbehörden ein, so wird in entsprechender Anwendung des § 4 Abs. 1 VerwVG die neue Zuständigkeit der anderen Versorgungsbehörde mit dem Eingang der an sie abgegebenen Akten begründet.

Wird die Passivlegitimation eines Landes als Beklagter durch die Zuständigkeit der Versorgungsbehörden bestimmt (BSG in SozR Nr. 3 zu § 71 SGG), so wird die Passivlegitimation eines anderen Landes als Beklagter auch erst durch den eingetretenen Zuständigkeitswechsel der Versorgungsbehörden begründet. Da es nach § 4 Abs. 1 VerwVG iVm § 3 Auslandszuständigkeits-Verordnung entscheidend auf die Abgabe der Akten an die für den neuen Wohnsitz im Ausland zuständige andere Versorgungsbehörde ankommt und das VersorgA Aachen die Akten erst am 26. März 1973 an das VersorgA Hamburg abgegeben hat, dürfte zur Zeit der Klageerhebung am 13. März 1973 vor dem SG Hamburg der Zuständigkeitswechsel der Versorgungsbehörden noch nicht eingetreten und die örtliche Zuständigkeit des VersorgA Aachen gegeben gewesen sein. Damit dürfte auch die

Passivlegitimation des Landes Nordrhein-Westfalen als Beklagter zur Zeit der Klageerhebung noch bestanden haben, so daß die Klage gegen dieses Land als Beklagter hätte gerichtet werden müssen. Nach § 57 Abs, 5 SGG wäre örtlich das SG zuständig, in dessen Bezirk das LVersorgA Nordrhein-Westfalen seinen Sitz hat; denn das Land wird durch das LVersorgA vertreten (§ 71 Abs. 5 SGG). Die im Widerspruchsbescheid nicht richtig erteilte Rechtsmittelbelehrung dürfte hieran nichts ändern.

Das SG Hamburg dürfte sonach nicht das örtlich zuständige Gericht der Sozialgerichtsbarkeit sein; es kann aber das örtlich zuständige Gericht bestimmen und den Rechtsstreit nach § 98 SGG an dieses Gericht verweisen. Dies ändert allerdings nichts daran, daß nach der erfolgten Abgabe der Akten an das VersorgA Hamburg seit dem 26. März 1973 die Freie und Hansestadt Hamburg in dem durch die Klage anhängigen Rechtsstreit passiv als Beklagte legitimiert ist und an die Stelle des bisherigen beklagten Landes Nordrhein-Westfalen tritt (BSG in SozR Nr. 3 zu § 71 SGG).

Da es sonach an den gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 58 SGG fehlt, kann dem Antrag nicht entsprochen werden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1647654

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