Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts. fehlende Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung
Orientierungssatz
1. Fehlende Aussichtslosigkeit gemäß § 78b Abs 1 ZPO iV mit § 202 SGG bedeutet nicht, dass - wie im Fall der Prozesskostenhilfe - "hinreichende Erfolgsaussichten" bestehen müssten; es geht vielmehr um die Frage, welche Vertretung dem Notanwalt zugemutet werden kann. Aussichtslosigkeit besteht dann, wenn ein günstiges Ergebnis auch bei anwaltlicher Vertretung ganz offenbar nicht erreicht werden kann (vgl BGH vom 6.7. 1988 - IVb ZB 147/87 = FamRZ 1988, 1152).
2. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG 1. Senat 3. Kammer vom 28.2.2005 - 1 BvR 390/05).
Normenkette
ZPO § 78b Abs. 1; SGG § 202
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 27.08.2004; Aktenzeichen L 8 SB 4009/03) |
SG Mannheim (Entscheidung vom 22.09.2003; Aktenzeichen S 10 SB 507/03) |
Gründe
Der Kläger hat mit Schreiben seines damaligen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt H.-D. F., vom 27. September 2004 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten, dem Kläger am 3. September 2004 zugestellten Urteil des Landessozialgerichts (LSG) beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt. Einen mit persönlichem Schreiben vom 26. November 2004 gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts hat der Kläger nicht aufrechterhalten und mit Schreiben vom 9. Dezember 2004 die Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Wahrnehmung seiner Rechte gemäß § 78b Zivilprozessordnung (ZPO) beantragt. Dazu hat er dargelegt, es sei ihm nach Niederlegung des Mandats durch Rechtsanwalt F. nicht möglich gewesen, "einen neuen Anwalt zu finden, der bereit wäre, den Herrn F. zu ersetzten". Neben Rechtsanwalt F. habe er noch zwei (namentlich benannte) Fachanwälte konsultiert.
Antrag und Beschwerde des Klägers bleiben ohne Erfolg.
1. Nach § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 78b Abs 1 ZPO hat das Prozessgericht einer Partei auf ihren Antrag für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Der Senat kann offen lassen, ob der Kläger ausreichend dargetan hat, dass er in M. trotz intensiver Bemühungen einen zur Vertretung vor dem BSG bereiten Rechtsanwalt nicht gefunden hat. Dazu ist darzulegen, dass sich der Beteiligte zumindest bei einer gewissen Anzahl von Anwälten nachweisbar vergeblich um eine Übernahme der Vertretung bemüht hat (vgl Senatsbeschluss vom 13. Mai 2002 - B 9 V 18/02 B -; BSG vom 15. Oktober 1999 - B 13 RJ 129/99 B -; 19. Februar 2001 - B 11 AL 205/00 B -, jeweils mwN). Nach der Niederlegung des Mandats durch Rechtsanwalt F. (Unterredung mit dem Kläger am 20. Oktober 2004; Anwaltsschreiben an den Kläger vom 28. Oktober 2004) bestand bis zum Ablauf der Begründungsfrist am 3. Dezember 2004 grundsätzlich noch ausreichend Zeit, in M. (oder bundesweit) einen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt aufzufinden. In M. sind über 100 Rechtsanwälte tätig; es kann dahingestellt bleiben, ob es vor diesem Hintergrund als ausreichend angesehen werden kann, wenn (angeblich) insgesamt drei Rechtsanwälte angegangen wurden. Soweit der Kläger behauptet, er habe neben Rechtsanwalt F. noch zwei Rechtsanwälte konsultiert (Kanzlei B., J., W. sowie Rechtsanwalt E.), fehlt der Nachweis - zB durch Vorlage entsprechender Schreiben dieser Rechtsanwälte (vgl BSG vom 19. Februar 2001 - B 11 AL 205/00 B -, veröffentlicht in JURIS) -, dass diese nicht zu seiner Vertretung vor dem BSG bereit gewesen sind (vgl BSG vom 15. Oktober 1999 - B 13 RJ 129/99 B - mwN; BGH, Beschluss vom 27. April 1995 - III ZB 4/95 -, NJW-RR 1995, 1016; zu den geforderten "zumutbaren Anstrengungen" vgl v. Mettenheim in Münchner Kommentar, ZPO, 2. Aufl § 78b RdNr 3 mwN). Insoweit genügt es für die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht, wenn der Anwalt zur Übernahme des Mandats bereit ist, jedoch die Erfolgsaussichten ungünstig beurteilt (vgl v. Mettenheim aaO). Dem ist indessen nicht weiter nachzugehen.
Der Antrag ist abzulehnen, weil die mit der Beschwerde beabsichtigte Rechtsverfolgung aussichtslos erscheint. Fehlende Aussichtslosigkeit bedeutet nicht, dass - wie im Fall der Prozesskostenhilfe - "hinreichende Erfolgsaussichten" bestehen müssten; es geht vielmehr um die Frage, welche Vertretung dem Notanwalt zugemutet werden kann (vgl v. Mettenheim aaO RdNr 4). Aussichtslosigkeit besteht dann, wenn ein günstiges Ergebnis auch bei anwaltlicher Vertretung ganz offenbar nicht erreicht werden kann (vgl Zöller, ZPO, 24. Aufl, § 78b Rz 3 mwN; BGH, Beschluss vom 6. Juli 1988 - IV b ZB 147/87 -, FamRZ 1988, 1152 f mwN). So liegt es aber hier. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener, dem Kläger zur Rechtsverfolgung beigeordneter Rechtsanwalt in der Lage wäre, dessen Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
Gemäß § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder nach dem Vorbringen des Klägers noch nach summarischer Prüfung des Streitstoffs ersichtlich. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass die Revision wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen wäre. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 (freie richterliche Beweiswürdigung) SGG und auf eine Verletzung des § 103 (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
2. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig, da sie nicht von einem gemäß § 166 SGG vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb der bis zum 3. Dezember 2004 verlängerten Frist begründet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 2 SGG). Sie ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen