Krankengeld ohne ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
Der Anspruch auf Krankengeld entsteht von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V). Der Krankengeldanspruch setzt damit voraus, dass die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ist also nicht nur eine reine Formalität, sondern zwingende Voraussetzung der Entstehung des Anspruchs auf Krankengeld. Das führt dazu, dass in Fällen, wo am Tag nach der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit kein Versicherungsverhältnis mit Krankengeldanspruch mehr vorliegt, die Krankenkassen die Leistung verweigern.
Fall: Folgebescheinigung zu spät ausgestellt
Die Klägerin war zum 30.9.2010 aus ihrem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden. Direkt zuvor, am 28.9. wurde ihr eine Arbeitsunfähigkeit wegen depressiver Störungen bis Sonntag, den 24.10. bescheinigt. Die behandelnde Ärztin hatte anschließend ihre Praxis wegen Urlaubs geschlossen. Die Krankenkasse zahlte Krankengeld bis 24.10.2010. Am ersten Tag nach dem Praxisurlaub, am Montag, dem 25.10., wurde eine Folgebescheinigung zur Arbeitsunfähigkeit bis zum 29.11.2010 ausgestellt. Die Krankenkasse lehnte die weitere Gewährung von Krankengeld ab, da sich der Anspruch auf Krankengeld grundsätzlich nach dem Versicherungsverhältnis am Tag nach der ärztlichen Feststellung richte. Am 26.10.2010 bestand jedoch wegen der beendeten Beschäftigung keine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld.
Ärztin ist vom Normalfall ausgegangen
Die behandelnde Ärztin gab an, sei sie zum Zeitpunkt der Ausstellung nicht davon ausgegangen, dass sich die Frage des Krankengeldes stelle. Es habe sich um eine Erstbescheinigung gehandelt, die einen Zeitraum von unter sechs Wochen umfasst habe. Sie habe die Frage, an welchem Tag die Klägerin ggf. die Folgebescheinigung während ihrer Abwesenheit ausstellen lassen solle, nicht besprochen.
Fehleinschätzung der Ärztin
Die Richter ordneten dies als Fehleinschätzung der Ärztin hinsichtlich der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ein. Die gesetzliche Regelung, dass nach dem Ende der vertragsärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit auch bei der erforderlichen erneuten Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit der Anspruch auf Krankengeld erst am Tag nach der erneuten vertragsärztlichen Feststellung entsteht, sei für Versicherte nicht ohne weiteres erkennbar. Bei unveränderter Erkrankung gingen die Versicherten ohne weiteres davon aus, dass die erneute vertragsärztliche Feststellung nur eine Formalie sei. Die Ärztin hätte deshalb bereits am 28.9.2010 nicht nur bis zum 24.10. sondern bis zum 25.10.2010, dem ersten Tag ihrer Praxistätigkeit nach dem Praxisurlaub, Arbeitsunfähigkeit bescheinigen müssen. Das Gericht bescheinigte den Anspruch auf Krankengeld deshalb auch über den 24.10.2010 hinaus.
Entscheidung des Bundessozialgerichts?
Das LSG hat zwar die Revision nicht zugelassen, doch die beklagte Krankenkasse hat Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht eingereicht (B 1 KR 107/12). Es bleibt damit abzuwarten, ob die bisher eindeutige Rechtsprechung zu dieser Frage nun aufgeweicht wird. Sollte das Urteil des LSG rechtskräftig oder bestätigt werden, wird wohl auf die Ärzte gehöriger Druck entstehen, diese Umstände bei jeder Krankschreibung von vornherein zu berücksichtigen. Es kann aber auch nicht im Interesse aller Beteiligten sein, wenn sich dadurch von vornherein in einer Vielzahl von Fällen die Laufzeit der Arbeitsunfähigkeit „sicherheitshalber“ um ein bis 2 Tage erhöht…
-
Wie wirkt sich Krankengeld auf die Rente aus?
3.175
-
Bundesregierung lehnt Abschaffung der Witwenrente ab
2.727
-
Einmalzahlungen und ihre Wirkung auf das Krankengeld
2.469
-
Ab Juli gilt eine neue Bescheinigung bei Erkrankung eines Kindes
2.001
-
Entgeltfortzahlung und Krankengeld - unterschiedliche Berechnungen beachten
1.815
-
Neue Arbeitsverhältnisse
1.715
-
Prognose für Rentenerhöhung 2025
1.682
-
Bürgergeld und Sozialhilfe: Regelbedarf steigt 2025 nicht
1.311
-
Erste Fragen zur neuen AU-Bescheinigung
1.213
-
Krankengeld können nicht nur Arbeitnehmer beanspruchen
1.165
-
Mehr Menschen suchen Hilfe bei psychischen Erkrankungen
05.12.2024
-
Gestuftes Auskunftsverfahren nach dem Angehörigen-Entlastungsgesetz
05.12.2024
-
Steigende Arzneimittelausgaben belasten das GKV-System
04.12.2024
-
Gesundheitsförderung wieder auf Vor-Corona-Niveau
02.12.2024
-
Starker Anstieg der Scharlach-Fälle bei Kindern
28.11.2024
-
Sozialversicherungswerte 2025: die Rechengrößen im Leistungsrecht
22.11.2024
-
Krankenkasse muss Ausbildungskosten für Therapiehund nicht übernehmen
20.11.2024
-
Patientenversorgung trotz Leistungsverbot gesichert
14.11.2024
-
Klinik-Atlas aktualisiert und erweitert
13.11.2024
-
Prognose für Rentenerhöhung 2025
08.11.2024