Erfordernis der Zustimmung der GmbH-Gesellschafter bei bedeutsamen Geschäften
Hintergrund
Eine GmbH mit zwei Gesellschaftern, war Eigentümerin eines Betriebsgrundstücks. Nachdem die Auflösung der GmbH beschlossen worden war, veräußerte einer der Gesellschafter in seiner Eigenschaft als einzelvertretungsberechtigter Liquidator das Grundstück ohne Zustimmung seines Mitgesellschafters an einen gesellschaftsexternen Dritten.
Hiergegen klagte der übergangene Mitgesellschafter. Zur Begründung führte er an, die Veräußerung des Betriebsgrundstücks hätte zwingend seiner Zustimmung bedurft und sei deswegen unwirksam. Das Geschäft sei nicht von der Vertretungsmacht des veräußernden Gesellschafters als Liquidator gedeckt gewesen. Dies müsse sich der Beklagte auch entgegenhalten lassen, da er hätte wissen können, dass die Zustimmung des Mitgesellschafters nicht vorlag.
Nachdem die Klägerin erstinstanzlich erfolgreich gewesen war, wies das Berufungsgericht die Klage ab. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Revision zum BGH.
Urteil des BGH vom 08.01.2019, Az. II ZR 364/18
Die Revision war erfolgreich. Der BGH stellte zunächst klar, dass eine automatische Unwirksamkeit des Verkaufs wegen der fehlenden Zustimmung des Mitgesellschafters nicht infrage komme. Zwar sehe das Aktiengesetz eine entsprechende Schutzvorschrift bei Veräußerung des gesamten Gesellschaftsvermögens vor (§ 179a AktG) – dieses Schutzkonzept könne jedoch als Ausnahmeregelung nicht unbesehen auf die GmbH übertragen werden. Ausschlaggebend hierfür sei, dass GmbH-Gesellschafter in Form von detaillierten Einsichtsrechten, Zustimmungsvorbehalten und Weisungsrechten erheblich mehr Einfluss auf die Geschäftsführung hätten, als Aktionäre. Im Umkehrschluss seien GmbH-Gesellschafter daher weniger schutzwürdig als diese.
Sodann betonte der BGH jedoch, dass auch GmbH-Geschäftsführer die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einholen müssten, wenn ein Geschäft für die Gesellschaft besonders bedeutsam sei. Dieses Erfordernis sei Ausfluss des Kontrollrechts der Gesellschafterversammlung und bestünde auch dann unverändert fort, wenn die Gesellschaft liquidiert wird. Eine unterbliebene Zustimmung schlage zwar – anders als im Aktienrecht – grundsätzlich nicht auf das mit dem Erwerber vorgenommene Geschäft durch. Dennoch könne im Einzelfall die fehlende Zustimmung der Gesellschafter die Wirksamkeit des Vertrags beseitigen. Dies sei immer dann der Fall, wenn der Geschäftsführer seine Vertretungsmacht missbraucht hätte und sich diese Tatsache dem Vertragspartner geradezu hätte aufdrängen müssen. In bestimmten Fällen – beispielsweise wenn ein Unternehmen als Ganzes verkauft werden solle – träfe den Vertragspartner darüber hinaus sogar eine aktive Pflicht, sich zu erkundigen, ob die Zustimmung der Gesellschafterversammlung vorliegt. Dies habe das Berufungsgericht bei der Abweisung der Klage nicht berücksichtigt.
Anmerkung:
Das Aktiengesetz sieht für Aktiengesellschaften explizit vor, dass die Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens nur dann wirksam ist, wenn die Aktionäre diesem Vorgang zugestimmt haben. Dies gilt auch dann, wenn nur fast das ganze Vermögen übertragen wird und unbedeutende Vermögensgegenstände oder die Verbindlichkeiten zurückbleiben oder ein einzelner Vermögensgegenstand, der fast das gesamte Vermögen ausmacht, übertragen werden soll,
Im GmbH-Gesetz fehlt eine entsprechende Regelung, weswegen seit langem diskutiert wird, die Zustimmungspflicht aus dem Aktiengesetz sinngemäß auf die GmbH zu übertragen. Diesem Vorgehen erteilt der BGH nun einerseits eine deutliche Absage und zwar vor allem im Hinblick auf die Rechtsfolge. Die Unwirksamkeit des Übertragungsvertrags ist außerhalb des Aktienrechts nur ausnahmsweise dann gegeben, wenn ein Missbrauch der Vertretungsmacht vorliegt, an den hohe Anforderungen zu stellen sind, insbesondere bzgl. der Kenntnis des Vertragspartners. Spannend wird sein, welche Anforderungen die Rechtsprechung hieran zukünftig stellt. Insbesondere wenn die jedermann zugängliche GmbH-Satzung Zustimmungsvorbehalte enthält, könnte die Kenntnis angenommen werden, aber auch bei leicht zu beschaffenden Unterlagen wie einer Geschäftsordnung. Denn mit der Pflicht zur Nachfrage in besonders wichtigen Fällen, öffnet der BGH ein weites Feld für Einzelfälle.
Andererseits macht der BGH deutlich, dass auch in der GmbH die Gesellschafterversammlung entsprechend wichtigen Rechtsgeschäften zustimmen muss. Nur hat dies im Regelfall keine Auswirkung auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts, sondern führt „nur“ zur Pflichtverletzung der Geschäftsführer und Liquidatoren im Innenverhältnis. Konsequenzen hiervon können insbesondere die Abberufung aus wichtigem Grund, die außerordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen sein.
Das BGH-Urteil gibt nicht nur Anlass, bei Abschluss von offensichtlich oder vermutet besonders wichtigen Verträgen die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen und diesbzgl. beim Vertragspartner nachzufragen. Auch bei der Gestaltung der Gesellschaftsunterlagen gilt es das Urteil zu berücksichtigen. So wird sich ein Minderheitsgesellschafter eher auf die Unwirksamkeit des Übertragungsvertrags berufen können, wenn die Zustimmungsvorbehalte in der Satzung geregelt sind, als wenn dies in einer Geschäftsordnung, einer Gesellschaftervereinbarung oder einem einzelnen Gesellschafterbeschluss erfolgt. Für den Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer gilt das Gegenteil. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass die Regelung von Zustimmungsvorbehalten in der Satzung deren Änderung aufwändig, teuer und damit schwerfällig macht. Es gilt wie immer, im Einzelfall eine angemessene Regelung zu finden.
Rechtsanwälte Dr. Hendrik Thies und Jonas Laudahn, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
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