Zulässige vorzeitige Wiederbestellung von AG-Vorstandsmitgliedern

Der BGH erklärt die vorzeitige Wiederbestellung von Vorstandmitgliedern einer AG in dem Fall für zulässig, dass sich die neue Amtszeit nicht an die bisherige anschließt, sondern neu zu laufen beginnt.

Vorstandmitglieder einer AG werden vom Aufsichtsrat für die Dauer von höchstens fünf Jahren bestellt (§ 84 Abs. 1 Satz 1 AktG). Damit der Aufsichtsrat sich nicht für einen viel längeren, als diesen Zeitraum von fünf Jahres bindet, darf eine erneute Bestellung frühestens ein Jahr vor dem Ende der laufenden Amtszeit beschlossen werden (§ 84 Abs. 1 Satz 3 AktG). Eine Beschlussfassung vor diesem Zeitpunkt ist nichtig.

Das heißt: Wenn der Aufsichtsrat z.B. ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit eines Vorstandsmitglieds beschließt, dass das Vorstandsmitglied nach seiner Amtszeit für weitere fünf Jahre bestellt werden soll, dann bindet der Aufsichtsrat sich im Beschlusszeitpunkt insgesamt für weitere sechs Jahre – und das ist eindeutig zulässig.

Hoch umstritten war aber bislang, ob man den Vorstand vorzeitig (also ohne diese Jahresfrist des § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG zu beachten) auf folgende Weise für einen sozusagen „neuen“ Zeitraum von fünf Jahren bestellen kann: Die bisherige Bestellung wird einvernehmlich aufgehoben. Gleichzeitig erfolgt die Wiederbestellung. Durch sie wird eine neue Amtszeit von fünf Jahren in Gang gesetzt, ohne dass die Restdauer der bisherigen Amtszeit hinzuzurechnen wäre.

Teilweise wurde eine solche Handlungsweise als Umgehung der für die Wiederbestellung zu beachtenden Jahresfrist betrachtet. So hat das OLG Zweibrücken im hier näher betrachteten Verfahren die vorzeitige Wiederbestellung eines Vorstandsmitglieds bei gleichzeitiger Aufhebung der laufenden Bestellung für nichtig gehalten.

Die Entscheidung des BGH, Urteil vom 16.07.2012, Az. II ZR 55/11

Anders hat dies nun der BGH in der Revisionsinstanz gesehen. Entscheidend ist danach, dass sich die AG durch den neu einsetzenden Zeitlauf stets nur für fünf weitere Jahre bindet. So ist die Gesellschaft zu keiner Zeit länger als die insgesamt (sogar) zulässigen sechs Jahre an das jeweilige Vorstandsmitglied gebunden.

Anmerkung

Aus praktischer Sicht wird durch das Urteil des BGH Rechtssicherheit für Vorstände und Aufsichtsräte geschaffen – dies gilt insbesondere für Unternehmen, die bereits in der Vergangenheit auf die jetzt vom BGH als zulässig erachtete Art und Weise vorgegangen sind. Dies ist zu begrüßen.

Vor allem mit Blick auf börsennotierte Aktiengesellschaften ist allerdings zu beachten: Nach dem Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) soll die vorzeitige Wiederbestellung eines Vorstands in der hier beschriebenen Weise nur bei Vorliegen besonderer Umstände erfolgen (Ziffer 5.1.2. II DCGK). Zu akzeptieren wäre die Wiederbestellung danach also beispielsweise, wenn das Vorstandsmitglied zum Vorstandsvorsitzenden berufen wird oder wenn es von Dritter Seite Versuche einer Abwerbung gegeben hat. Sofern die AG eine vorzeitige Wiederbestellung in der hier beschriebenen Wiese ohne Vorliegen besonderer Umstände beabsichtigt und dies nicht bereits in der aktuellen Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG mitgeteilt hat, ist die Entsprechenserklärung (unterjährig) zu korrigieren, bevor auf diese Weise vom Kodex abgewichen wird. Daran ändert auch das hier näher betrachtete BGH-Urteil nichts.

 

Rechtsanwälte Dr. Hendrik Thies, Nils Wurch, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg

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