Provisionsanspruch: Versicherungsvertreter muss Stornogefahrmitte

Ein Versicherungsunternehmen muss dem Versicherungsvertreter innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntwerden der Gefahr einer Stornierung die Stornogefahrmitteilung zukommen lassen. Diese Frist legte der BGH in seiner Entscheidung zur Rückzahlungspflicht von Provisionsvorschüssen fest.

Versicherungsvermittler verdienen ihr Geld regelmäßig mit den sogenannten Abschluss- und/oder Folgeprovisionen. Diese werden den Kunden beim Abschluss einer Versicherungspolice nicht direkt in Rechnung gestellt, sondern vom Versicherer gezahlt – über höhere Versicherungsprämien holt sich der Versicherer diese dann allerdings indirekt doch wieder vom Kunden zurück. 

Allgemeine Voraussetzung für Provisionsansprüche

Der Anspruch eines Versicherungsvertreters auf die Provision entsteht immer erst dann, wenn der Versicherungsnehmer die Prämie auch gezahlt hat. Wird die geschuldete Prämie nicht gezahlt und beruht dies nicht auf Umständen, für die das Versicherungsunternehmen verantwortlich ist, entfällt der Provisionsanspruch und die geleistete Vorschüsse auf die Provision sind zurückzuzahlen.

Wenn ein Vertrag „notleidend“ wird

Sobald ein Vertrag „notleidend“ wird, d.h. die Gefahr einer Stornierung durch den Kunden besteht oder der Einzug der Versicherungsprämien scheitert oder zu scheitern droht, muss das Versicherungsunternehmen „Maßnahmen zur Stornogefahrabwehr“ ergreifen. Der Versicherer kann entweder eigene Maßnahmen durchführen oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter mit Hilfe eine Stornogefahrmitteilung die Möglichkeit zu geben, den Vertrag selbst zu „retten“.

Parteien streiten über den Rückzahlungsanspruch der Provisionsvorschüsse

Im vorliegenden Fall streiten die Parteien über den Rückzahlungsanspruch von Provisionsvorschüssen. Nach Beendigung des Mehrfachagenturvertrag eines Versicherungsvertreter mit dem Versicherer, wurden zahlreiche Policen von Kunden storniert. Das Versicherungsunternehmen forderte daraufhin die hierfür gezahlten Provisionsvorschüsse in Höhe von ca. 120.000 EUR vom Versicherungsvertreter zurück. Dieser weigerte sich jedoch, da er der Auffassung war, der Versicherer habe keine ausreichenden Maßnahmen zur Stornoabwehr ergriffen. Die Stornogefahrmitteilungen wurden erst Wochen nach dem Bekanntwerden des „Notleidenwerdens“ der einzelnen Verträge verschickt – und damit zu spät, um noch sinnvoll gegen eine Stornierung vorzugehen. Zudem sind diese Mitteilungen nicht an ihn selbst verschickt worden, sondern an seinen Nachfolger. Der Fall landete schließlich beim BGH.

BGH stellt neue Grundsätze zur Stornoabwehr auf

Der BGH hat den Rechtsstreit zur endgültigen Klärung noch offener Fragen wieder an die Vorinstanz zurückverwiesen. In Ihrer Urteilsbegründung stellte die Bundesrichter jedoch neue Grundsätze zur Frage des Anspruchs auf Provisionsrückzahlung auf:

Stornogefahrmitteilungen wurden nicht rechtzeitig versandt

Nach Auffassung der Bundesrichter ist der Beklagte vorliegend nicht zur Rückzahlung der Provisionsvorschüsse verpflichtet, denn die Klägerin hat die Auflösung der vermittelten Versicherungsverträge zu vertreten. Es ist die Pflicht des Versicherers notleidende Versicherungsverträge in gebotenem Umfang nachzubearbeiten. Dabei hat er die Wahl, entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr zu treffen oder es durch eine Stornoabwehrmitteilung dem Versicherungsvertreter zu überlassen, die Verträge nachzubearbeiten. Entscheidet sich der Versicherer für die Versendung von Stornoabwehrmitteilungen, müssen diese mit Rücksicht auf das Provisionsinteresse so rechtzeitig versandt werden, dass der Vertreter sich sinnvoll und mit Aussicht auf Erfolg um eine Rettung der Verträge kümmern kann. Dies folgt auch aus der dem Versicherungsvertreter gegenüber bestehenden Treuepflicht.

Versendung der Gefahrmitteilung erst Wochen nach dem ersten "Krisenanzeichen"

Die Versendung der Gefahrmitteilung erst Wochen nach dem ersten "Krisenanzeichen" war vorliegend nicht rechtzeitig. Als Zeitraum für eine rechtzeitige Übersenden legten die Bundesrichter zwei Wochen fest. In dieser Zeit kann sich der Versicherer angemessen eine gewisse Klarheit darüber verschaffen, ob eine tatsächliche Vertragsgefährdung vorliegt.

Stornogefahrmitteilung an den Bestandsnachfolger ist keine ausreichende Maßnahme

Führt der Versicherer die Stornobekämpfung selbst durch, muss er darlegen und beweisen, ausreichende Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ergriffen zu haben. Die Bundesrichter stellten für den vorliegenden Fall fest, dass die bloße Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Bestandsnachfolger ist keine ordnungsgemäße Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge darstellt. Denn naturgemäß wird der Bestandsnachfolger hauptsächlich sein eigenes Provisionsinteresse verfolgen, indem er sich um den Abschluss neuer Verträge kümmert. Damit ist dem Provisionsinteresse des ausgeschiedenen Versicherungsvertreters aber nicht gedient.

BGH, Urteil v. 28.6.2012, VII ZR 130/11

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