Bei Verspätungen durch höherer Gewalt haben Zugreisende Ansprüche

Die Leiden von Bahnkunden - winters wie sommers - sind teilweise legendär geworden, Werbeslogan über die Wetterresistenz des Transportes wurden deshalb schon "auf die Schippe genommen". Nun wird den Bahnunternehmen in der EU auch der Schutzschirm der "Höheren Gewalt" zur Abwehr von Fahrgastansprüchen wegen Verspätung gestrichen.

Laut EU-Verordnung (Nr. 1371/2007) haben Bahnkunden bei größeren Verspätungen Anspruch auf gestaffelte Entschädigung. Vergleichbare Ansprüche entfallen regelmäßig bei Fällen "höherer Gewalt", wenn also die Ursache der Verspätung nicht im Zugriffsbereich des Veranstalters liegt (wie Technik, Planung etc.), sondern in höheren Sphären (wie Unwetter, Erdbeben).

EuGH konkretisiert Ansprüche aus EU-Recht

Der Europäische Gerichtshof hat nun klargestellt, dass die Fahrgastansprüche aus der Verordnung auch für Verspätung aufgrund höherer Gewalt gelten: Laut EU-Verordnung, die national umzusetzen war, haben Reisende

  • bei Verspätungen von ein bis zwei Stunden das Recht auf Erstattung von mindestens einem Viertel des Fahrpreises.
  • Ab zwei Stunden muss das Bahnunternehmen mindestens die Hälfte des Preises erstatten.

Auch bei Unwetter oder Streik haben Bahnreisende diesen Anspruch auf Entschädigung, denn diese Regelung gelte auch bei Verspätungen wegen höherer Gewalt, entschied das Gericht zu einem Fall aus Österreich.

Österreich hatte um Hilfe bei der Auslegung des EU-Rechts gebeten
Im konkreten Fall hatte der österreichische Verwaltungsgerichtshof den Europäischen Gerichtshof um Hilfe bei der Auslegung des EU-Rechts gebeten. Die österreichischen Bundesbahnen ÖBB hatten gegen eine Vorgabe der nationalen Bahnaufsicht geklagt. Darin war die Bahngesellschaft aufgefordert worden, eine Klausel zu streichen, nach der bei höherer Gewalt jegliche Entschädigung ausgeschlossen ist.

Die Bahngesellschaft hielt dagegen und berief sich auf Höhere-Gewalt-Regelungen im internationalen Recht. Diese schließen eine Haftung des Unternehmens aus, falls es die Verspätung trotz aller Sorgfalt nicht vermeiden konnte.

Diese Regelungen stünden nicht im Widerspruch zu EU-Recht, urteilten die Richter nun. So sollten die sogenannten Einheitlichen Rechtsvorschriften dafür sorgen, dass dem Kunden im Einzelfall der entstandene Schaden erstattet wird - das Gesetz nennt zum Beispiel die Kosten für eine Übernachtung. Im Gegensatz dazu regelten die EU-Vorschriften eine teilweise Rückerstattung des Fahrpreises, erklärten die Richter. Denn der Kunde habe schließlich nicht die Leistung erhalten, für die er bezahlt habe.

Nicht mit Flug- und Schiffsreisen vergleichbar

Der Gerichtshof verwirft auch eine analoge Anwendung der für Fahrgäste im Flug-, Schiffs- und
Kraftomnibusverkehr für den Fall höherer Gewalt geltenden Regelungen. Ein Vergleich mit den Rechten von Passagieren im Flug-, Schiffs- oder Busverkehr sei nicht angebracht, erklärten die Richter. Diese Verkehrsformen seien nicht mit dem Bahnverkehr vergleichbar.

( EuGH, Urteil v. 26.3.2013, Rechtssache C-509/11).

Hintergrund:

Mit der EU-Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 wurden einheitliche Regelungen für den Schutz von Fahrgästen im Eisenbahnverkehr in Europa festgelegt. Sie trat am 3. Dezember 2009 in Kraft.

Bahnreisende:

Bei Verspätungen zwischen 1 und 2 Stunden muss die Bahn 25 % des Fahrkartenpreises, bei Verspätungen ab 2 Stunden 50 % erstatten. Außerdem muss das Bahnunternehmen bei einer Verspätung ab 60 Minuten Erfrischungen im Zug oder, wenn eine Übernachtung erforderlich wird, kostenlos eine Hotelunterkunft anbieten. Zeichnet sich eine Verspätung von mehr als 60 Minuten ab, kann der Fahrgast auch von der Fahrt absehen und Rückerstattung des Fahrpreises verlangen oder die Fahrt zu einem späteren Zeitpunkt auch mit geänderter Streckenführung durchführen. Das Bahnunternehmen kann von einer Zahlung absehen, wenn der zu erstattende Betrag unter vier Euro liegt.

Außerdem ist die Bahn verpflichtet, den Reisenden rechtzeitig und umfassend über mögliche Verspätungen zu informieren. Bei Beschädigung des Gepäcks haftet die Bahn mit einem Betrag von bis zu 1.285 EUR pro Gepäckstück.



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