Voraussetzungen eines Durchsuchungsbeschlusses

Die strafrichterlich angeordnete Durchsuchung einer Privatwohnung setzt den Verdacht einer Straftat voraus. Der Verdacht darf nicht auf bloße Vermutungen, sondern muss auf konkrete Tatsachen gestützt sein, die die Beteiligung des Betroffenen an einer Straftat nahe legen.

Der Beschwerdeführer ist Prokurist sowie Leiter der Abteilung „Recht/Sicherheit/Versicherungen“ eines Unternehmens der Rüstungsindustrie. Im August 2010 meldete ein Nachrichtenmagazin, trotz fehlender Ausfuhrgenehmigungen für vier mexikanische Provinzen habe das Unternehmen möglicherweise wissentlich Waffen in diese Provinzen geliefert und Mitarbeiter zu Vorführungen nach dort gesandt. In einer E-Mail unterrichtete der Beschwerdeführer die Geschäftsführung über diverse Reisen eines Unternehmensmitarbeiters seit 2006 nach Mexiko. Da dies nach seiner Auffassung aufklärungsbedürftig sei, habe er dessen Büro versiegeln lassen. Der Beschwerdeführer listete sodann eine Reihe von Fragen auf, welche aus seiner Sicht für die Staatsanwaltschaft klärungsbedürftig sein könnten. Später teilte er noch mit, dass er alle IT-Daten des Mitarbeiters auf eine Festplatte gezogen und einer beauftragten Rechtsanwaltskanzlei zur Auswertung ausgehändigt habe. Ein weiterer Mitarbeiter hatte den Ermittlungsbehörden später von der Zahlung von Bestechungsgeldern an mexikanische Amtsträger berichtet.

Durchsuchungsanordnungen für Geschäfts- und Privaträume

Im Dezember 2010 ließ die Staatsanwaltschaft die Räumlichkeiten des Rüstungsunternehmens durchsuchen. Hierbei wurde ein E-Mail Verkehr dreier weiterer Unternehmensmitarbeiter aus dem Jahr 2010 gefunden, der vor dem Hintergrund fehlender Ausfuhrgenehmigungen für Waffenverkäufe nach Mexiko beabsichtigte Parteispenden an die Regierungsparteien bzw. auch an einzelne Parteimitglieder erwähnte. Als die Ermittlungen nicht weiter führten, beantragte die Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungsbeschluss für die Privatwohnung des Beschwerdeführers, den das zuständige AG im November 2011 ließ.

Prokurist legt Beschwerde ein

Gegen den Durchsuchungsbeschluss ging der Prokurist mit der Beschwerde beim Landgericht (LG) vor. Nach seiner Ansicht konnte die StA ihm nichts vorwerfen, außer dass er Prokurist der Firma sei. Dies sei als Anknüpfungspunkt für einen Durchsuchungsbeschluss aber nicht ausreichend. Gegen die abweisende Entscheidung des LG legte der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde ein.

Für Durchsuchungsbeschluss fehlen konkrete Verdachtstatsachen

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellte in seiner Entscheidung die gemäß Art. 13 Abs. 1 GG gewährte Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung heraus. Hierdurch erfahre die räumliche Lebenssphäre des Einzelnen einen besonderen grundrechtlichen Schutz, der nur ausnahmsweise durchbrochen werden dürfe. Der Verdacht einer Straftat reiche für eine Durchbrechung dieses Schutzes nur aus, wenn er auf konkreten Tatsachen beruhe. Dagegen dürfte die Durchsuchung nicht zur Ermittlung derjenigen Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erst erforderlich sind (BVerfG, Beschluss v. 26.10.2011, 2 BvR 15/11). Der Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses sei daher nur dann statthaft, wenn darin ein auf konkrete Tatsachen gestütztes, dem Betroffenen angelastetes Verhalten geschildert werde, das den Tatbestand eines Strafgesetzes erfülle. Die Schilderung eines solchen konkreten Verhaltens des Beschwerdeführers vermisste der BGH aber in dem angegriffenen Beschluss.

Willkür

Die Tatsache, dass der Betroffene als Leiter der Rechtsabteilung vor dem Hintergrund der Presseartikel den Sachverhalt aufarbeitete und das Verteidigungsvorbringen des Unternehmens durch Kooperation mit einer Rechtsanwaltskanzlei vorbereite, war nach Auffassung der Verfassungsrichter sachgerecht. Dieses Verhalten begründe keinen konkreten Tatverdacht gegen ihn. Auch sei die Stellung als Prokurist der Firma als Haftgrund nicht ausreichend. Den Versuch einer Verschleierung des Tatgeschehens durch den Betroffenen konnten die Verfassungsrichter ebenfalls nicht erkennen. Die Anfertigung einer Sicherungskopie auf einer Festplatte sowie die Versiegelung des Büroraums des weiteren, mit dem Verdacht überzogenen Mitarbeiters diente nach Meinung der Richter eher der Sicherung als der Vernichtung und Entfernung von Beweismitteln. Es sei daher weder der Verdacht einer Beteiligung des Beschwerdeführers an Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz noch der Verdacht an der Beteiligung an Bestechungsdelikten durch konkrete Tatsachen belegt. Nach Auffassung der Verfassungsrichter war die Verfassungsbeschwerde begründet.

(BVerfG, Beschluss v. 13.3.2014, 2 BvR 974/12)