Regierung muss Parlament in Sachen Euro detailliert informieren

Der Euro hält alle in Atem, die Regierung steht mit ihrem Krisenmanagement unter Zeitdruck und dem "Beschuss" der Mitgliedsländer. Trotzdem muss sie das eigene Parlament in die Entscheidungsprozesse einbinden - im Namen der Demokratie und im Auftrag des Bundesverfassungsgerichts.

BVerfG stärkt die Parlamentsrechte in Sachen Euro

Beratungen des Bundestags können dauern und die Euro-Entscheidungen werden unter Zeitdruck gefällt. Trotzdem gilt: «Demokratie hat ihren Preis». Die Bundesregierung muss das Parlament über Verhandlungen zur Euro-Rettung schneller und besser informieren. Damit stärkt das Bundesverfassungsgericht erneut die Rechte des Bundestags gestärkt.

Allerdings: Die Entscheidung hat aber keine direkten Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Euro-Rettung.

Regierung hat das Parlament über Euro-Rettungsschirm nicht

Die Regierung habe das Parlament bei den Verhandlungen über den permanenten Euro-Rettungsschirm ESM nicht ausreichend informiert. Das Gleiche gelte für den «Euro-Plus-Pakt» zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik.

Bundestagsfraktion der Grünen hatte geklagt.
Nach dem Grundgesetz muss die Regierung in Angelegenheiten der Europäischen Union (EU) Bundestag und Bundesrat «umfassend und zum frühst möglichen Zeitpunkt» unterrichten.

  • Die Unterrichtung müsse dem Bundestag eine «frühzeitige und effektive Einflussnahme auf die Willensbildung der Bundesregierung eröffnen
  • und so erfolgen, dass das Parlament nicht in eine bloß nachvollziehende Rolle gerät».
  • Deshalb müsse die Regierung den Bundestag informieren, bevor sie nach außen wirksame Erklärungen abgibt.
  • Nur bei ausreichender Information könne der Bundestag den europäischen Integrationsprozess beeinflussen und das Für und Wider einer Angelegenheit öffentlich diskutieren.

Auch Zwischenergebnisse und Entwürfe weitergeben

Bei längeren Verhandlungsprozessen reiche es nicht aus, wenn die Information in einem Gesamtpaket erfolge - die Richter stellten ausdrücklich fest, dass die Regierung auch Zwischenergebnisse und Entwürfe an die Abgeordneten weiterleiten muss. Auch informelle und noch nicht schriftlich dokumentierte Vorgänge können umfasst sein, ebenso geplante Initiativen - wie der gemeinsam mit Frankreich betriebene Euro-Plus-Pakt.
Die Richter stellten klar, dass «Angelegenheiten der Europäischen Union» auch solche Vereinbarungen zwischen Mitgliedstaaten sind, die zwar nicht direkt Maßnahmen der EU sind, aber in einem «besonderen Näheverhältnis» zu ihr stehen - wie die Maßnahmen zur Euro-Rettung und zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit.
Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung
Die Richter gestehen der Regierung allerdings einen «Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung» zu - solange sich die Regierung intern noch nicht im Klaren ist, braucht sie auch dem Parlament nichts zu sagen. Wenn aber die Willensbildung so konkret geworden ist, dass die Regierung mit Teilergebnissen an die Öffentlichkeit gehen will oder sich mit anderen Regierungen abstimmen will, dann muss sie auch dem Bundestag Bescheid sagen.

Bundestags hat zentrale Rolle bei der europäischen Integration
Die Verfassungsrichter haben immer wieder die zentrale Rolle des Bundestags bei der europäischen Integration betont. Zuletzt bremsten sie Pläne, wichtige Entscheidungen über Maßnahmen zur Euro-Rettung auf ein Geheimgremium aus nur neun Abgeordneten zu übertragen.
(BVerfG, Urteil v. 18.6.2012, 2 BvE 4/11).