BVerfG reguliert Deal im Strafprozess streng

Strafrecht ist kein Flohmarkt. Das BVerfG hat die strafprozessuale Deal-Rechtsprechung des BGH in ungewöhnlich scharfer Form in mehreren Entscheidungen gerügt. Danach hat der BGH beim Aushandeln von Strafen insbesondere die Bedeutung der gesetzlichen Belehrungs- und Mitteilungspflichten grob verkannt.

Strafprozessuale Deals sind, genau wie zivil- und arbeitsrechtliche Vergleiche, nicht zuletzt auch Arbeitserleichterungen für das Gericht. Das darf aber nicht dazu führen, Angeklagte "über den Tisch" zu ziehen. Das BVerfG hat nun in mehreren Entscheidungen strenhger Vorgaben für Deals definiert.

Dem "dealenden" BGH auf die Finger geklopft

In einem Fall war mit dem Angeklagten im Rahmen eines Strafprozesses ein Gespräch darüber geführt worden, ob im Falle eines Geständnisses sich die anschließende Strafe in einem bestimmten Rahmen bewegen könne, der nicht überschritten werde.

Angeklagte stimmte zu, Gericht hielt sich nicht an den Strafrahmen

Der Angeklagte erteilte schließlich seine Zustimmung zum angebotenen Deal. Das Gericht hatte es allerdings unterlassen, ihn vor Erteilung der Zustimmung darüber zu belehren, dass das Gericht sich unter bestimmten Voraussetzungen an diese Einigung nicht halten müsse. In einem weiteren Fall hatte das Gericht bei Beginn der Hauptverhandlung die Mitteilung unterlassen, dass Gespräche über eine Verständigung nicht stattgefunden hatten (Negativmitteilung).

BGH erkennt keine schwerwiegenden Verfahrensfehler

In beiden Fällen hatten die Betroffenen im Rahmen der jeweils beim BGH eingelegten Revision dieses Verhalten des Gerichts als Verfahrensfehler gerügt. Der BGH hatte beide Revisionen als unbegründet verworfen.

BGH-Entscheidungen sind willkürlich

Das BVerfG warf dem BGH nunmehr vor, contra legem entschieden zu haben. In beiden Fällen habe der BGH gegen den ausdrücklich formulierten Gesetzestext und auch gegen die eindeutigen Vorgaben des BVerfG entschieden. Bereits in seinen Entscheidungen vom 19.03.2013 (2 BvR, 2628/10; 2 BvR 2883/10 u. 2 BvR 2155/10) habe das BVerfG klargestellt, dass die gesetzlichen Vorschriften zum strafprozessualen Deal nicht als bloße Ordnungsvorschriften sondern als zentrales Instrument zur Sicherung eines fairen Verfahrens einzuordnen seien. Der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit werde gröblich verletzt, wenn eine Belehrung des Angeklagten nicht bereits vor dessen Zustimmung zur strafprozessualen Einigung erfolge.

Belehrung muss zwingend vor der Zustimmung zu erfolgen

Gemäß § 257c StPO ist der Angeklagte im Rahmen der Gespräche über eine einvernehmliche Beendigung des Strafprozesses zwingend darüber zu belehren, dass das Gericht sich an die Zusagen zum Strafmaß unter bestimmten Voraussetzungen (neue Tatsachen) nicht halten muss, sich in bestimmten Fällen nicht einmal daran halten darf.

Diese Belehrung hat nach dem Gesetz zu erfolgen, bevor der Angeklagte seine Zustimmung zur vereinbarten Verfahrensweise erteilt. Die Nichtbeachtung dieser Vorschrift führt nach Auffassung des BVerfG immer zu einer Verletzung der Grundrechte des Angeklagten, indem sie dem grundrechtlich garantierten Respekt vor der eigenverantwortlichen Entscheidung des Angeklagten nicht gerecht wird.

Auch die Negativmitteilung ist zwingend

Entsprechendes gilt nach Auffassung des BVerfG für die nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO zwingend erforderliche Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung, ob Gespräche über die Möglichkeit einer Verständigung stattgefunden haben oder nicht. Auch dann, wenn Gespräche nicht stattgefunden hätten, sei diese Mitteilung als Negativmitteilung zwingend erforderlich.

Dies folge aus dem Willen des Gesetzgebers, der die Regeln zur Verständigung im Strafprozess so ausgestaltet habe, dass hinsichtlich des Ob und der Art und Weise der Verständigung eine möglichst vollkommene Transparenz geschaffen werde. Dies zeige sich im übrigen auch am  Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens. Der Bundesrat habe die Pflicht zur Negativmitteilung in einem alternativen Gesetzentwurf bewusst weggelassen. Diese Alternativentwurf sei aber abgelehnt worden

Schwere Klatsche für den BGH

Für die gegenteilige Auslegung durch den BGH zeigten die Richter des BVerfG keinerlei Verständnis.

  • Sie konnten nicht umhin, dem BGH einen „Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot“ vorzuwerfen.
  • Der BGH habe „in unvertretbarer und damit objektiv willkürlicher Weise gegen den eindeutigen objektivierten Willen des Gesetzgebers“ entschieden.

Eine vergleichbar drastische Rüge für den BGH hat es seitens des BVerfG lange nicht gegeben. Für die BGH-Richter ist die Bewertung ihrer Entscheidungen beschämend – Schulnote 6, ungenügend.

(BVerfG, Beschluss v. 25.8.2014, 2 BvR 2048/13; BVerfG, Beschlüsse v. 26.8.2014,  2 BvR 2172/13 u. 2 BvR 2400/13)