Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungs- und Rechtmäßigkeit der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten
Orientierungssatz
1. Die gesetzliche Regelung zur Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Abs 2 Nr 1 SGB 5, wonach die Wirtschaftlichkeit ua auch "nach Durchschnittswerten" geprüft wird, hält der Senat nicht für verfassungswidrig.
2. Für die Richtigkeit der statistischen Vergleichsprüfung ist es wichtig, daß die (Teil-)Identitäten der (den Durchschnitt mitbestimmenden) Praxisumstände zu vergrößern und damit die Legitimation des Vergleichs zu optimieren ist.
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr 1; SGB 5 § 106 Abs 2 S 1 Nr 1 Fassung: 1988-12-20; SGG § 160a Abs 2 S 3
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 27.09.1989; Aktenzeichen L 1 Ka 284/89) |
Gründe
Der RVO-Prüfungsausschuß der Beigeladenen zu 1) hat dem Kläger, der als Zahnarzt an der kassenzahnärztlichen Versorgung teilnimmt, durch Bescheid vom 7. Januar 1988 das Honorar für die vier Quartale des Jahres 1986 um rund 41.143,-- DM wegen 1,4-fachen Überschreitens des Durchschnitts der (etwa 750) Kassenzahnärzte im Bezirk seiner Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) gekürzt. Hierbei wurden ihm 40 % über dem Durchschnittsfallwert belassen. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, der der Beklagte und die Beigeladenen zu 2), 3) und 4) entgegengetreten sind.
Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Der Kläger hält es für klärungsbedürftig iS der Grundsatz-Revision nach § 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), ob die Wirtschaftlichkeitsprüfung durch statistischen Vergleich mit den unter gleichen Bedingungen stehenden Fachkollegen rechtmäßig ist oder nicht. Das LSG hat hierzu aber zu Recht auf § 106 Abs 2 Nr 1 des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) verwiesen, wonach die Wirtschaftlichkeit ua auch "nach Durchschnittswerten" geprüft wird. Der Senat, der diese Prüfmethode auch schon vor dem Inkrafttreten des SGB V, nämlich vor dem 1. Januar 1989, für nicht rechtswidrig angesehen hat, hält diese gesetzliche Regelung nicht für verfassungswidrig.
Soweit es dem Kläger aber um eine ganz andere Frage, nämlich nicht um die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der statistischen Vergleichsprüfung, sondern - wobei in der Beschwerdebegründung beide Fragen nicht immer auseinandergehalten werden - um die Frage geht, "ob und wieweit die Konzentration der Behandlung ... in einem oder wenigen Quartalen ... ein zu berücksichtigendes Kriterium darstellt oder nicht", fehlt es zumindest an der unter Berücksichtigung der (Gegen-)Argumentation des LSG zu erbringenden Darlegung der Schlüssigkeit dessen, was der Kläger als "die Frage des Zeitraums und der Anzahl der Behandlungstage" bezeichnet. Der Senat hat schon immer betont, wie wichtig es für die Rechtmäßigkeit der genannten Prüfmethode ist, die (Teil-)Identitäten der (den Durchschnitt mitbestimmenden) Praxisumstände zu vergrößern und damit die Legitimation des Vergleichs zu optimieren. Auch diese Frage ist also hinreichend geklärt. Sofern der Kläger hier aber unberücksichtigt gebliebene Praxisumstände oder eine anderweitige Vergleichspraxis hinsichtlich des Zeitfaktors fordert, hat er weder eine konkrete, dh den Streitgegenstand mitbetreffende allgemeine Rechtsfrage formuliert, noch im oben genannten Sinne die Klärungsfähigkeit näher erläutert, ob also im Hinblick auf die beim Kläger bestehenden Tatsachen (spezieller, seine Praxis betreffender oder genereller, den Prüfungsmodus betreffender Art) die Klärung einer (diese Tatsachen beurteilenden) Rechtsfrage erforderlich sei.
2. Eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) der vom Kläger behaupteten Art liegt nicht vor. Das LSG hat keinen Rechtssatz des Inhalts aufgestellt, daß eine niedrige Fallzahl bzw die Praxisausstattung des Klägers bzw eine Praxisverlegung keine im Vergleich zu berücksichtigenden Praxisumstände sein könnten. Insoweit reduziert sich der Gegenstand der klägerischen Urteilskritik in Wahrheit auf Fragen der Tatsachenfeststellung.
3. Der Kläger macht schließlich Verfahrensmängel nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend.
a) Soweit der Kläger eine Verletzung des rechtlichen Gehörs mit der Begründung geltend macht, das LSG habe seinen wegen eines Umzuges gestellten Antrag auf Verlegung des auf den 27. September 1989 anberaumten Termins "um einige Wochen" (Schriftsatz vom 11. September 1989) zu Unrecht abgelehnt, liegt ein Verstoß gegen § 62 SGG nicht vor. Der Kläger hatte keine spezielle Verhinderung gerade am Tage der Verhandlung geltend gemacht, die Ladung erfolgte am 1. September 1989, also rund vier Wochen vor dem Termin und es war - für den durch einen Rechtsanwalt vertretenen Kläger - weder ein neuer Tatsachenstoff - der drei Jahre zurücklag - noch eine neue Rechtsproblematik zu bewältigen.
b) Soweit der Kläger eine Verletzung des § 103 SGG mit der Begründung rügt, das LSG sei seinem Antrag auf Vernehmung eines Sachverständigen "ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt" (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), greift seine Rüge nicht durch. Der Sachverständige sollte mit der Untersuchung der Patientenkartei zur Untersuchung der Behandlungszeit beauftragt werden, um das Vorbringen des Klägers zu stützen, er behandele in kürzeren Zeitabständen als seine Fachkollegen. Das LSG hat die Ablehnung dieses Antrages hinreichend begründet.
c) Soweit der Kläger einen Verstoß gegen § 128 Abs 2 SGG mit der Begründung rügt, das LSG stütze sich auf Tatsachen und Beweisergebnisse, zu denen er sich insofern nicht habe äußern können, als von 328 von den Prüfgremien untersuchten Behandlungsfällen und davon die Rede sei, daß er bei Vitalitätsprüfungen, Behandlungen der Mundschleimhaut, Beseitigung scharfer Zahnkanten und Zahnsteinentfernungen drei- bis viermal höher liege als seine Fachkollegen, wurde nicht hinreichend dargetan, daß diese Umstände, die zumindest in ihren rechnerischen Grundbestandteilen schon Gegenstand des Widerspruchsbescheides, aber auch des erstinstanzlichen Urteils waren, ihm nicht bekannt waren.
Die Beschwerde war somit als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG (analog).
Fundstellen