Mehr Frauen wollen führen, doch der Weg bleibt steinig
Knapp jede vierte Frau (24,4 Prozent) hat den Wunsch, im Laufe ihrer Karriere eine Führungsposition einzunehmen, oder strebt eine weitere an, wenn sie sich bereits in einer führenden Rolle befindet. Das ist das Ergebnis der Karrierezuversichtsumfrage der Initiative Chef:innensache. Damit möchten Frauen immer noch seltener führen als Männer (29,8 Prozent), aber die Ambitionen sind im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen. Doch dieser Aufwärtstrend wird durch eine gegenteilige Entwicklung konterkariert: Die Zuversicht der weiblichen Befragten liegt auf einem Tiefpunkt.
Seit 2018 erhebt die Initiative Chef:innensache jährlich ein Stimmungsbild zur Führungsambition und Karrierezuversicht in Deutschland. An der repräsentativen Umfrage nahmen 2025 mehr als 1.000 Beschäftigte und Studierende im Zeitraum vom 19. bis 22. Mai teil. Die 2015 gegründete Initiative Chef:innensache ist ein Netzwerk von Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen und Forschungseinrichtungen, das sich für ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern in Führungspositionen einsetzt.
Karrierezuversicht von Frauen sinkt
Laut der Umfrage waren Führungspositionen in den letzten Jahren für immer weniger Personen ein Karriereziel. 2018 strebten noch rund 38 Prozent der Frauen und rund 44 Prozent der Männer eine Führungsrolle an, in den darauffolgenden Jahren nahm das Interesse rapide ab. Während der Trend bei Männern immer noch rückläufig ist und sich mit 29,8 aktuell auf dem niedrigsten Wert seit Beginn der Umfrage befindet, ist der Führungswunsch bei Frauen wieder höher: Der Anteil ist im Vergleich zum Vorjahr um fast fünf Prozentpunkte gestiegen.
Leider scheint es gerade für Frauen nicht so leicht zu sein, dieses Ziel umzusetzen: Nur 25,9 Prozent der weiblichen Befragten glauben daran, im Laufe ihrer Laufbahn eine (weitere) Führungsposition zu erreichen, was im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang um 6,8 Prozentpunkte bedeutet. Damit liegt dieser Wert auf dem niedrigsten Stand seit 2022. Bei Männern dagegen ist die Zuversicht, eine Führungsposition zu erreichen, im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen und liegt nun bei 38,8 Prozent. Es besteht also ein beachtlicher Zuversichts-Gap zwischen den Geschlechtern, der sich zunehmend vergrößert.
Strukturelle Hürden für Frauen bleiben
"Wir sprechen hier nicht nur über die altbekannte gläserne Decke. Schon die erste Sprosse der Karriereleiter ist für viele Frauen bereits gebrochen", warnt Julia Sperling-Magro, Partnerin bei McKinsey. "Wir müssen hier konsequent Hürden abbauen, um keine Talente und ihr Potenzial so frühzeitig und leichtfertig zu verlieren."
Tatsächlich berichten 20,6 Prozent der Frauen, im Berufsleben häufig oder eher häufig mit Vorurteilen aufgrund ihres Geschlechts konfrontiert zu sein. In den letzten drei Jahren ist der Anteil der Frauen, die diese Erfahrung machen mussten, wieder gestiegen, nachdem er zuvor teilweise gesunken war. Bei den Männern berichten aktuell nur 5,7 Prozent, dass sie mit geschlechtsbedingten Vorurteilen konfrontiert waren. Die steigenden Diskriminierungserfahrungen der weiblichen Teilnehmenden sind möglicherweise ein maßgeblicher Grund für die sinkende Karrierezuversicht.
Berufliche Nachteile durch flexibles Arbeiten
Während der Corona-Pandemie war räumlich flexibles Arbeiten in vielen Unternehmen Normalität – inzwischen verlangen wieder mehr Arbeitgeber, dass ihre Mitarbeitenden ins Büro kommen. Deshalb sehen auch wieder mehr Menschen das Risiko, dass flexible Arbeitsmodelle wie Homeoffice ihrer Karriere schaden.
Nur noch 43 Prozent der Frauen denken, dass es gut möglich ist, zeitlich und räumlich flexibel zu arbeiten, ohne dadurch berufliche Nachteile zu erleben; letztes Jahr waren es noch 50 Prozent. Auch bei den Männern ging der Anteil von 58 auf rund 50 Prozent zurück. Susanne Fabry, Vorständin der Initiative Chef:innensache, fordert ein Umdenken in den Köpfen der Führungskräfte: "Im Endeffekt geht es um die erbrachte Leistung, egal ob mit Flexibilität oder ohne. Dieses Bewusstsein müssen wir fördern!"
Was moderne Führungskräfte brauchen
Die Umfrage befasste sich außerdem mit dem Thema "Future Leadership". Die Befragten sollten auswählen, welche Eigenschaften moderne Führungskräfte ihrer Meinung nach haben sollten. Auf den ersten drei Plätzen landeten Kommunikationsfähigkeit (82 Prozent), Empathie (61 Prozent) und Erfahrung (44 Prozent). Autorität (15,1 Prozent) oder Technologieaffinität (19,3 Prozent) spielen hingegen für die Befragten eine untergeordnete Rolle.
Besonders Frauen messen den Softskills eine große Bedeutung zu: Knapp 89 Prozent der weiblichen Befragten halten Kommunikationsfähigkeit für besonders wichtig; bei den Männern gaben nur 74 Prozent diese Antwort. Auch Empathie nannten Frauen mit 67 Prozent um 13 Prozentpunkte häufiger als Männer (54 Prozent). Die männlichen Teilnehmenden hingegen nannten traditionellere Führungseigenschaften wie Selbstbewusstsein (25 Prozent) und Autorität (18 Prozent) deutlich häufiger als die Frauen, bei denen nur je 15 Prozent beziehungsweise 12 Prozent zustimmen. Gleichzeitig halten es mit 20 Prozent mehr Männer für wichtig, dass eine Führungskraft sympathisch ist: Nur 14 Prozent der Frauen gaben diese Antwort.
Die tatsächliche Führungskultur kann mit diesen Erwartungen allerdings nicht Schritt halten: Nur 41 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass ihre direkte Führungskraft die Anforderungen an moderne Führung erfüllt. Und nur knapp jede fünfte Person denkt, dass Führungskräfte allgemein gut auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet sind.
Frauen in Führung: Rückschritt entgegenwirken
Die Karrierezuversichtsumfrage 2025 zeigt eine erschreckende Entwicklung. Frauen wollen zwar wieder mehr führen, aber sie glauben immer weniger daran, dass das für sie realistisch ist. Zudem erleben Frauen wieder mehr Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts und Benachteiligung aufgrund von flexiblen, familienfreundlichen Arbeitsmodellen. Es zeichnet sich ein Rückschritt in der Gleichberechtigung der Geschlechter ab. Möglicherweise spiegelt sich darin auch ein weltweites gesellschaftliches Klima wider, das sich wieder zunehmend auf überholte Rollenbilder stützt.
Die gute Nachricht ist: Der gestiegene Führungswille zeigt auch, dass sich viele Frauen von den rückläufigen Entwicklungen nicht unterkriegen lassen. Jetzt liegt es an den Entscheidungstragenden in Wirtschaft und Politik, ihnen den Weg freizuräumen.
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