Zugehörigkeit messbar machen
Es liegt in der Verantwortung eines Unternehmens, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der sich jeder Mitarbeitende als integraler Bestandteil der Organisation fühlt – unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder anderen individuellen Merkmalen. Für diesen Zustand gibt es ein Wort: Zugehörigkeit. Zugehörigkeit sollte dabei nicht nur als Gefühl betrachtet werden, sondern als strategischer Erfolgsfaktor, der aktiv gesteuert und gemessen werden kann.
Zugehörigkeit verstehen: Mehr als nur Mitarbeiterbindung
Zunächst sollten wir uns damit befassen, was unter Zugehörigkeit (englisch: Belonging) verstanden wird. Es geht dabei um weit mehr als nur Mitarbeiterbindung. Zugehörigkeit bedeutet, dass sich Mitarbeitende nicht nur als Teil des Unternehmens fühlen, sondern auch die Freiheit haben, ihr authentisches Selbst einzubringen. Es geht um psychologische Sicherheit, emotionale Verbundenheit und das Gefühl, einen wertvollen Beitrag zu leisten.
Im Gegensatz zur Mitarbeiterbindung, die oft durch materielle Anreize oder Arbeitsplatzsicherheit gefördert wird, zielt Zugehörigkeit auf eine tiefere, emotionale Ebene ab. Es geht darum, dass Mitarbeitende sich als Teil eines größeren Ganzen fühlen und ihre individuellen Stärken und Perspektiven wertgeschätzt werden.
Die Bedeutung von Zugehörigkeit in der modernen Arbeitswelt
In unserer zunehmend globalisierten und digitalisierten Arbeitswelt gewinnt das Gefühl der Zugehörigkeit nochmal mehr an Bedeutung. Remote Work und hybride Arbeitsmodelle bringen Unternehmen dazu, sich intensiv damit auseinanderzusetzen, wie Mitarbeitende sich trotz physischer Distanz als Teil des Teams und des Unternehmens verstehen. Zugehörigkeit schafft eine emotionale Bindung, die über rein transaktionale Beziehungen hinausgeht und Mitarbeitende motiviert, ihr Bestes zu geben.
Zudem spielt Zugehörigkeit eine zentrale Rolle bei der Bewältigung von Veränderungen und Herausforderungen. In einem Umfeld, das von ständigem Wandel geprägt ist, gibt ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit Mitarbeitenden die Sicherheit und das Vertrauen, die sie brauchen, um flexibel und innovativ zu bleiben.
Zugehörigkeit: wie ein Gefühl messbar wird
Um Zugehörigkeit von einem abstrakten Konzept und einem "Gefühl" in eine messbare Größe zu verwandeln, hat die Deutsche Telekom einen mehrstufigen Ansatz entwickelt:
- Engagement-Surveys mit Fokus auf Zugehörigkeit: Die bestehenden Mitarbeiterbefragungen wurden erweitert, um spezifische Aspekte der Zugehörigkeit zu erfassen. Dabei wird nicht nur nach Diskriminierungsfreiheit und Chancengleichheit gefragt, sondern auch nach dem Gefühl der Inklusion und der Möglichkeit, sich authentisch einzubringen. Diese regelmäßigen Befragungen geben ein klares Bild davon, wie die Mitarbeitenden ihre Zugehörigkeit zum Unternehmen wahrnehmen und wo noch Verbesserungspotenzial besteht.
- Inklusions-Befragung: In Planung ist eine dedizierte Inklusionsbefragung, die noch tiefer in die verschiedenen Dimensionen der Zugehörigkeit eintaucht. Hier soll detailliert erfasst werden, wie Mitarbeitende ihre Zugehörigkeit in verschiedenen Kontexten erleben. Diese Befragung wird helfen, ein nuanciertes Verständnis davon zu entwickeln, wie Zugehörigkeit in unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens und für verschiedene Mitarbeitergruppen erlebt wird.
- Zusammenarbeit mit Mitarbeitenden-Netzwerken: Mitarbeitenden-Netzwerke, auch Diversity Communitys genannt, spielen bei der Deutschen Telekom eine Schlüsselrolle bei der Förderung von Zugehörigkeit. Das Unternehmen arbeitet eng mit ihnen zusammen, um den Status quo zu erfassen und entsprechende Maßnahmen zu entwickeln. Diese Communitys bieten nicht nur eine zusätzliche Ebene der Zugehörigkeit, sondern liefern auch wertvolle Einblicke in die Erfahrungen verschiedener Gruppen innerhalb des Unternehmens. Durch regelmäßige Treffen, Workshops und Feedback-Runden wird sichergestellt, dass die Stimmen aller Mitarbeitergruppen gehört und in die Strategien einbezogen werden.
- Klare Definitionen und Verankerung in der Unternehmenskultur: Die Deutsche Telekom hat klare Definitionen entwickelt, was Zugehörigkeit bedeutet und wie sie mit der Unternehmenskultur und den Werten verknüpft ist. Diese Definitionen sind die Grundlage für alle Maßnahmen und Messungen. Sie helfen, ein gemeinsames Verständnis von Zugehörigkeit im gesamten Unternehmen zu schaffen und sicherzustellen, dass die Bemühungen konsistent und zielgerichtet sind.
- Führungskräfte als Vorbilder: Die Führungskräfte der Deutschen Telekom spielen eine entscheidende Rolle bei der Förderung von Zugehörigkeit. Das Thema wurde bewusst in den Leitlinien für Führungskräfte verankert, und unsere Führungskräfte werden regelmäßig darin geschult, wie sie Zugehörigkeit in ihren Teams weiter fördern können. Dies umfasst Trainings zu inklusiver Führung, Workshops zur Sensibilisierung für unbewusste Vorurteile und Coaching-Programme, die Führungskräfte dabei unterstützen, eine Kultur der Zugehörigkeit in ihren Teams zu etablieren.
- Messung durch quantitative und qualitative Indikatoren: Neben den Befragungen nutzt die Deutsche Telekom auch harte Kennzahlen wie Fluktuationsraten, um den Erfolg ihrer Maßnahmen zu messen. Gleichzeitig werden qualitative Daten durch regelmäßige Feedbackrunden und Fokusgruppen erfasst. Diese Kombination aus quantitativen und qualitativen Daten ermöglicht es, ein ganzheitliches Bild davon zu erhalten, wie Zugehörigkeit im Unternehmen erlebt wird und wo Fortschritte gemacht werden.
- Transparente Kommunikation: Die Deutsche Telekom setzt auf einen "Radical Transparency"-Ansatz, bei dem offen zu Fortschritten, aber auch zu Herausforderungen kommuniziert wird. Dies schafft Vertrauen und ermutigt zu einem offenen Dialog über Zugehörigkeit im Unternehmen. Regelmäßige Updates, Town Hall Meetings und interne Kommunikationskampagnen stellen sicher, dass alle Mitarbeitenden über die Bemühungen informiert sind und sich aktiv einbringen können.
Korrelation zwischen Zugehörigkeit und Performance
Die Erfahrungen der Deutschen Telekom zeigen deutlich: Zugehörigkeit ist kein Selbstzweck, sondern ein klarer Business Case. Mitarbeitende, die sich zugehörig fühlen, sind engagierter, innovativer, produktiver und tragen maßgeblich zum Unternehmenserfolg bei.
Die Zahlen sprechen für sich: Studien, etwa von Deloitte (Human Capital Trendstudie, 2020), zeigen, dass Unternehmen mit einer starken Kultur der Zugehörigkeit eine höhere Mitarbeiterproduktivität aufweisen. Zudem belegt der Hays HR-Report (2023), dass für fast die Hälfte der Beschäftigten Zugehörigkeit und emotionale Bindung entscheidend für ihr Bleiben oder Gehen sind.
Bei der Deutschen Telekom wurden ähnliche Erfahrungen gemacht. Teams, in denen Mitarbeitende ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit haben, zeigen eine höhere Innovationskraft, bessere Problemlösungsfähigkeiten und eine gesteigerte Kundenzufriedenheit. Dies wirkt sich direkt auf die Geschäftsergebnisse aus.
Zugehörigkeit fördert auch die psychologische Sicherheit, die es Mitarbeitenden ermöglicht, ihre Meinungen und Ideen frei zu äußern. Dies ist ein kritischer Faktor für eine lebendige Innovationskultur und kontinuierliche Verbesserung. In einer Welt, die von ständigem Wandel geprägt ist, ist diese Fähigkeit zur Innovation und Anpassung entscheidend für den langfristigen Unternehmenserfolg.
Förderung von Zugehörigkeit: Tipps
Um Zugehörigkeit nicht nur zu messen, sondern aktiv zu fördern, hat die Deutsche Telekom eine Reihe konkreter Maßnahmen implementiert:
- Mentoring-Programme, die nicht nur die berufliche Entwicklung fördern, sondern auch das Gefühl der Zugehörigkeit durch den Aufbau von Netzwerken und den Austausch von Erfahrungen untereinander stärken.
- Das Veranstalten von regelmäßigen Events wie der "Living Culture Day" bieten Plattformen für den Austausch und die Sichtbarkeit verschiedener Gruppen innerhalb des Unternehmens.
- Flexible Arbeitsmodelle, die es Mitarbeitenden ermöglichen, Arbeit und Privatleben besser in Einklang zu bringen – was maßgeblich dazu beiträgt, dass sich Mitarbeitende wertgeschätzt und verstanden fühlen.
- Wissen ist Macht – alle Mitarbeitenden, insbesondere Führungskräfte, durchlaufen regelmäßige Schulungen zu unbewussten Vorurteilen. Dies hilft, ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen und Barrieren für Zugehörigkeit abzubauen.
- Diversity in Unternehmen strategisch angehen, Ziele definieren und in die Leistungskennzahlen der Führungskräfte integrieren. Dies stellt sicher, dass die Förderung von Vielfalt und Zugehörigkeit von diesen auch als strategische Priorität wahrgenommen wird.
- Mitarbeitende aktiv zu ermutigen und zu unterstützen, sogenannte Employee Resource Groups (ERGs) zu bilden. Die verschiedenen Mitarbeitergruppen bieten nicht nur Unterstützung und Networking-Möglichkeiten, sondern sind auch wichtige Berater für die Diversity- und Inklusionsinitiativen des Unternehmens.
Zugehörigkeit in der hybriden Arbeitswelt
Natürlich steht die Deutsche Telekom bei der Messung und Förderung von Zugehörigkeit auch vor Herausforderungen. Die Erfassung von Zugehörigkeit ist komplex und erfordert eine kontinuierliche Anpassung der Methoden. Zudem muss sichergestellt werden, dass die Maßnahmen alle Mitarbeitenden erreichen und nicht unbeabsichtigt bestimmte Gruppen ausschließen.
Eine der größten Herausforderungen besteht darin, Zugehörigkeit in einer zunehmend virtuellen Arbeitswelt zu fördern. Die Pandemie hat die Art und Weise, wie gearbeitet wird, grundlegend verändert, und es müssen neue Wege gefunden werden, um Verbundenheit und Zugehörigkeit auch in Remote- und Hybrid-Arbeitsmodellen zu schaffen.
Darüber hinaus arbeitet die Deutsche Telekom daran, Zugehörigkeit noch stärker in ihre Talentmanagement- und Entwicklungsprozesse zu integrieren. Das Ziel ist es, sicherzustellen, dass Zugehörigkeit nicht nur gemessen, sondern auch als Kriterium für Karriereentwicklung und Leistungsbeurteilung berücksichtigt wird.
Für die Zukunft plant das Unternehmen, die Methoden zur Messung von Zugehörigkeit weiter zu verfeinern und noch stärker in die Unternehmensprozesse zu integrieren. Es wird an der Entwicklung von KI-gestützten Tools gearbeitet, die helfen sollen, Muster und Trends in Bezug auf Zugehörigkeit in Echtzeit zu erkennen und darauf zu reagieren.
Zudem will die Deutsche Telekom ihre Bemühungen verstärken, Zugehörigkeit auch über die Grenzen des Unternehmens hinaus zu fördern. Dies beinhaltet die Zusammenarbeit mit Partnern, Lieferanten und Kunden, um eine breitere Kultur der Inklusion und Zugehörigkeit im gesamten Ökosystem zu schaffen.
Das langfristige Ziel ist es, Zugehörigkeit zu einem integralen Bestandteil der Unternehmens-DNA zu machen – messbar, steuerbar und vor allem spürbar für jeden einzelnen Mitarbeitenden.
Zugehörigkeit als Schlüssel zu nachhaltigem Unternehmenserfolg
Zugehörigkeit mag auf den ersten Blick abstrakt erscheinen, aber mit den richtigen Methoden und einem strategischen Ansatz lässt sie sich durchaus messbar machen. Unternehmen sollten erkennen, dass Zugehörigkeit mehr als nur ein "Nice-to-have" ist. Es ist ein entscheidender Faktor für den Unternehmenserfolg und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden – und von dieser profitieren nicht nur die Unternehmen selbst, sondern die Gesellschaft als Ganzes.
Indem Zugehörigkeit messbar gemacht wird, können gezielt Maßnahmen ergriffen werden, um eine inklusive Unternehmenskultur zu fördern und gleichzeitig die Performance zu steigern. Dies wird als ein kontinuierlicher Prozess der Verbesserung und des Lernens gesehen. Jede Messung, jede Maßnahme und jedes Feedback bringt das Unternehmen einen Schritt weiter auf dem Weg zu einem Umfeld, in dem sich wirklich jeder zugehörig und wertgeschätzt fühlt.
In einer Zeit, in der der Wettbewerb um Talente immer härter wird und gesellschaftliche Herausforderungen zunehmen, ist die Förderung von Zugehörigkeit nicht nur ethisch geboten, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll. Unternehmen, die es schaffen, eine Kultur der Zugehörigkeit zu etablieren und messbar zu machen, werden in Zukunft einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil haben. Bei der Deutschen Telekom sind wir entschlossen, diesen Weg weiterzugehen und Zugehörigkeit als zentralen Erfolgsfaktor in unserer Unternehmensstrategie zu verankern.
Dieser Beitrag ist erschienen in Personalmagazin 9/2025. Als Abonnent haben Sie Zugang zu diesem Beitrag und allen Artikeln dieser Ausgabe in unserem Digitalmagazin als Desktop-Applikation oder in der Personalmagazin-App.
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