Vertriebsvergütung: Digitalisierung erfordert neue Modelle

Monetäre Anreize stellen zwar nach wie vor ein effektives Motivationsinstrument im Vertrieb dar, die variablen Vergütungssysteme wurden bislang aber nur unzureichend an neue Geschäftsmodelle und Vertriebsstrategien angepasst. Das ergab die Deloitte-Studie "Vertriebsvergütung 2019".

Während Expertenschätzungen davon ausgehen, dass sich 20 bis 50 Prozent der heutigen Aufgaben eines Vertriebsmitarbeiters durch digitale Technologien ersetzen lassen, nehmen von 312 befragten Vertriebsmitarbeitern in Deutschland nur 23 Prozent an, dass sich ihre Aufgabe in den nächsten drei Jahren stärker verändern wird als in den vergangenen Jahren. Und nur 11 Prozent der Befragten sehen derzeit eine Gefährdung für ihre berufliche Situation in den nächsten fünf Jahren.

Ausmaß der Veränderungen trifft Vertriebsmitarbeiter unvorbereitet

Diejenigen Befragten, die deutliche Veränderungen auf sich zukommen sehen, nennen hierfür zumeist als Gründe die Digitalisierung und Automatisierung, die Etablierung neuer Vertriebskanäle und Geschäftsmodelle sowie eine stärkere Spezialisierung im Vertrieb bei gleichzeitig wichtiger werdender Team-Arbeit. Solche grundlegenden Veränderungen in Vertriebsorganisationen werden zum Beispiel durch die Einführung von Omni-Kanalstrategien oder die Umstellung auf „X as a Service“-Geschäftsmodelle erforderlich. Die grundlegenden Trends zukünftiger Vertriebsorganisationen scheinen von Vertriebsmitarbeitern also erkannt zu werden – offenbar aber nicht das Ausmaß, in dem diese auch die eigene Arbeit betreffen.

Vertriebsvergütung als strategisches Steuerungsinstrument

Ebenso relevant ist die Frage, inwiefern Unternehmen mit der Vertriebsvergütung ein wesentliches Steuerungsinstrument zielgerichtet einsetzen, um geänderte strategische Prioritäten in das Tagesgeschäft des Vertriebs zu übersetzen. Immerhin erwarten 57 Prozent der Studienteilnehmer eine deutliche Veränderung der Vertriebsstrategie ihres Unternehmens in den nächsten drei Jahren.

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Variable Vergütungssysteme scheinen mit dieser Dynamik nicht Schritt zu halten: 47 Prozent der Befragten halten unternehmensseitig vorgenommene Anpassungen am Vertriebsvergütungssystem für unzureichend, um den strategischen Veränderungen gerecht zu werden. Weitere 41 Prozent beobachten sogar ein gänzlich unverändertes monetäres Anreizsystem trotz Veränderungen in der Vertriebs- beziehungsweise Geschäftsstrategie. Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass nur 27 Prozent der Teilnehmer ihrer eigenen variablen Vergütung eine bedeutende Unterstützung der Unternehmensstrategie attestieren. Fast die Hälfte der Befragten sieht einen Bedarf nach zumindest substanziellen Änderungen an ihrem eigenen monetären Anreizsystem – wenn nicht gar nach dessen grundlegender Neugestaltung.

Leistungsanreiz variable Vergütung

Aus Unternehmenssicht sind diese Ergebnisse umso beunruhigender, da die Deloitte-Studie zeigt, dass die motivierende Wirkung monetärer Anreizsysteme unverändert gegeben ist. Die These, dass eine leistungs- oder erfolgsabhängige, variable Vergütung im Vertrieb generell einen Anreiz für hohe Leistung setzt, findet die Zustimmung von 87 Prozent der Befragten. Das gilt auch für 80 Prozent der Teilnehmer unter 30 Jahren. Die in der öffentlichen Diskussion zuletzt oft geäußerte Vermutung, dass die Bedeutung finanzieller Anreize für junge Mitarbeiter der Generationen Millennials und Z sinkt, kann damit nicht belegt werden. Vertriebsmitarbeiter sehen generationenübergreifend in der variablen Vergütung also einen signifikanten Leistungsanreiz, der von Unternehmen aber scheinbar nicht effektiv auf die Strategie hin ausgerichtet wird.

Auch in Bezug auf die unveränderte Herausforderung, Top-Mitarbeiter im Vertrieb zu gewinnen, zu engagieren und zu halten, darf das Thema Vertriebsvergütung nicht außer Acht gelassen werden. Generell besteht unter den befragten Vertrieblern nämlich eine gewisse Bereitschaft zum Arbeitgeberwechsel: Über ein Viertel der Befragten halten einen Arbeitgeberwechsel schon innerhalb der nächsten zwei Jahre für eher beziehungsweise für sehr wahrscheinlich. Einen möglichen Anlass für einen solchen Wechsel sehen 53 Prozent der Befragten in einem bei ansonsten gleichen Arbeitsbedingungen besseren variablen Vergütungssystem.

Nebenleistungen im Vertrieb keine Nebensache

Neben der variablen Vergütung beleuchtet die Deloitte-Studie auch das Thema Nebenleistungen. Dieses hat durch neue Möglichkeiten der unternehmensseitigen Optimierung und Administration ebenso wie durch veränderte Erwartungshaltungen der Mitarbeiter wieder einen prominenteren Platz auf der HR-Agenda eingenommen. So sieht die Hälfte der befragten Vertriebsmitarbeiter ein attraktives Nebenleistungspaket als einen möglichen Grund für einen Arbeitgeberwechsel – die Bedeutung ist also annähernd identisch zur variablen Vergütung. Ebenso würden 52 Prozent der Befragten eine andere Zusammensetzung ihrer Nebenleistungen bevorzugen. Ein wichtiger Treiber scheint das steigende Interesse an individuellen Wahlmöglichkeiten zu sein. Zwar geben 75 Prozent an, dass sie eine individuelle Auswahl aus einem Bündel an Nebenleistungen begrüßen würden – doch haben derzeit 50 Prozent gar keine und weitere 32 Prozent nur geringfügige Wahlmöglichkeiten. 

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Derzeit sind insgesamt 87 Prozent der befragten Vertriebsmitarbeiter zufrieden oder sogar sehr zufrieden mit ihrer heutigen Aufgabe. An ihrem Job schätzen sie insbesondere die Arbeit mit Kunden, die Erzielung sichtbaren Erfolgs und ihre sonstigen Arbeitsbedingungen wie die Reisetätigkeit. Sie werden sich im Zuge der Digitalisierung jedoch auf sehr einschneidende Veränderungen in ihrem Arbeitsalltag vorbereiten müssen, die viele von ihnen offenbar bisher noch nicht realisieren. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre Mitarbeiter auf und für die digitale Vertriebswelt vorzubereiten. Zudem müssen sie sich für die besten Talente durch eine effektive, die Strategie unterstützende Vertriebsvergütung und individuell optimierte Nebenleistungen als langfristig attraktiven Arbeitgeber positionieren.


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