Boni reduzieren, Performance Management optimieren

Individuelle Bonuszahlungen gelten als kurzfristig und intransparent, agile Unternehmen setzen auf Teamboni. Doch wer die variable Leistungsvergütung vorschnell über Bord wirft, kann damit einen großen Fehler im Performance Management begehen. Vorher sollten Personaler auf sieben Handlungsfeldern Vorkehrungen und Verbesserungen treffen.

Immer mehr Unternehmen entscheiden sich gegen eine individuelle variable Vergütung. Der Grund hierfür liegt meistens nicht in der Tatsache, dass individuelle Anreize grundsätzlich nicht (mehr) wirken, sondern vielmehr darin, dass die zugrundeliegenden Performance-Management-Systeme nicht funktionieren. Denn der Wechsel von einer individuellen auf eine kollektive variable Vergütung hat natürlich nicht nur mit dem Zeitgeist zu tun, sondern auch mit den veränderten Arbeitsformen im Kontext digitaler Prozesse. Diese bedingen – denkt man an agile Teams oder grundsätzlich an sich selbst steuernde Einheiten – eher teamorientierte variable Vergütungen als Individualvergütungen.

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Die Abwendung von der individuellen Leistungsvergütung hat damit vordergründig wenig zu tun. Sie ist oft allein damit begründet, dass es Unternehmen nicht gelingt, Leistung (egal auf welcher Ebene) ausreichend zu differenzieren. Hiermit handelt es sich aber primär um ein Versagen des Performance Managements und nicht des Vergütungsmanagements.

Performance Management: Umgang mit Leistungsunterschieden

Jeder Manager weiß, dass es Leistungsunterschiede im jeweiligen Team gibt. Diese aber auch in einem System abzubilden, scheitert an folgenden Aspekten:

Faktor System: Viele Systeme sind einfach zu wenig stellenbezogen und damit viel zu allgemein definiert, als dass diese in der Lage wären, Spitzenkräfte oder Gutleister von weniger leistungsfähigen Mitarbeitern zu unterscheiden.

Faktor Mensch: Viele Führungskräfte sehen aufgrund des hohen Veränderungsdrucks keinen individuellen Nutzen darin, Leistungen zu differenzieren. Aus Ihrer Sicht bedarf es der Leistungsbereitschaft aller Mitarbeiter. Die Führungskraft möchte einerseits vermeiden, Fehlleister durch Schlechtbeurteilungen (noch mehr) zu demotivieren, andererseits geht sie davon aus, dass Gutleister von sich aus leisten und keine weiteren Motivationsimpulse (durch Feedback oder Boni) notwendig sind.

Aus diesem Grund sind folgende sieben Aspekte bei der Abschaffung individueller Bonusbestandteile im Kontext des Performance Managements dringend zu bedenken:

Performance Management versus Vergütungsmanagement

Die Abschaffung individueller Bonuszahlungen sollte grundsätzlich von der Frage des Performance-Management-Systems getrennt werden. Auch in unserer Beratungspraxis zeigt sich immer wieder, dass alle Teilnehmer viel zu schnell an die Auswirkungen im Entgelt denken. Wichtig ist aber in einem ersten Schritt, Gutleistung anzuerkennen, Mitarbeiter dort zu entwickeln, wo diese Stärken haben (Abwendung von der Defizitorientierung der Personalentwicklung), und Mitarbeitern flexibel und an den Anforderungen der Stelle orientiert die Entwicklungschancen zu geben, die diese benötigen.

Wird all dies zusammen mit einem individuellen Bonussystem "über Bord geworfen", werden Unternehmen als erstes ihre Gutleister verlieren.

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Warum das so ist, ist schnell erläutert: Gutleister sind meistens motiviert und lieben das, was sie tun. Ein Bonus ist dabei oft viel weniger wesentlich als bei den unsicheren und weniger stetigen Leistungsträgern.

Wenn aber Leistungsträger erkennen, dass Leistung weder anerkannt noch gewürdigt wird und dann – jetzt kann man den Blick in die Vergütung wagen – Defizitleister ebenso am (Ergebnis-)Bonus partizipieren, wie sie selbst, dann wird dies langfristig zum Problem werden.

Handlungsfeld Leistungsfeedback:

  • Auch wenn Sie als Arbeitgeber individuelle Boni verneinen, verdient jeder Mitarbeiter ein Leistungsfeedback.
  • Ein erfolgreiches Performance Management muss die Leistungsträger im Fokus haben.
  • Je unehrlicher und weniger differenziert das Leistungsfeedback ist, umso wirkungsloser sind die darauf aufbauenden Entgelt- als auch Personalentwicklungsmaßnahmen.

Modernes Performance Management setzt bei den individuellen Erfolgsfaktoren an

Wenn Leistungsfeedbacksysteme nicht funktionieren, dann ist es darin begründet, dass diese Systeme oft wenig zeitgemäß sind. In vielen Unternehmen gibt es immer noch den berüchtigten Einheits-Feedbackbogen plus den Bogen für Führungskräfte auf Basis eines hoch administrativen Jahresfeedbacks.

Benötigt werden aber Feedbacksysteme, in denen sich Mitarbeiter mit ihren Stellen wiedererkennen. Das ist mit einem Einheitsfeedbackbogen völlig unrealistisch zu erreichen. Die einzelnen Rollen müssen sichtbar sein, die Erfolgsfaktoren der Stellen müssen abgebildet werden und es muss sich um einen modularen Ansatz handeln.

Handlungsfeld individuelle Leistungsmerkmale:

  • Feedbacksysteme haben nur dann eine Chance zu funktionieren, wenn diese konkret die Anforderungen an die jeweilige Stelle, Job-Family oder Karrierestufe abbilden.
  • Der immer wieder geäußerten These, dass ein gleiches System bei ungleichen Stellen Gerechtigkeit schafft, sollte man nicht folgen. Denn ungleiche Stellen oder Job-Families benötigen auch ungleiche Feedback-Kriterien.
  • Jene Kriterien sollten sich an den Erfolgsfaktoren der Rolle festmachen und nicht an völlig überholten und unspezifischen Kriterien wie "Fachkenntnis", "Arbeitsqualität" und "Arbeitsquantität".

Ziele und Zielvereinbarungen sind kein Basar, sondern eine Führungsmethode

Das Führen mit Zielen hat eine lange Historie. Im Kontext der individuellen Bonusbemessung sind viele Zielvereinbarungssysteme zu Basarsystemen verkommen, die für 80 Prozent der Mitarbeiter eine hundertprozentige Zielerreichung (oder darüber hinaus) ausweisen.

Ziel muss es sein, die Zielsysteme (egal ob Zielvereinbarung oder reine Zielkommunikation) so auszurichten, dass Zielklarheit entstehen kann. Kombiniert mit dem Fokus auf anspruchsvolle Ziele würde dies schon helfen. Und sicher ist es so, dass die Zieldefinition und -bewertung den schwächeren Führungskräften ohne direkten Vergütungsbezug leichter fällt als mit direktem Bonus-/Vergütungsbezug.

Dies führt zur Verwendung verschiedener auf die Bedürfnisse der Organisationseinheiten ausgerichteter Zielkommunikations-/Zielvereinbarungssysteme. Dies bedingt zudem die zwingende Differenzierung von Zielsystemen nach Ebenen und Karrieren. Denn es ist offensichtlich, dass hoch repetitive operative Einheiten ganz andere Zielsysteme benötigen (eher Zielkommunikation) als agile Teams oder klassische Stabseinheiten (klassische Zielvereinbarung / MbO).

Handlungsfeld Zielvereinbarungen:

  • Jeder Mitarbeiter muss die Ziele des Unternehmens und seiner Einheit sowie der angrenzenden Organisationseinheiten kennen.
  • Die Ziele sind mit dem Team oder dem Mitarbeitenden zu klären, zusätzlich müssen Ressourcen abgestimmt und Anspruchsniveaus festgelegt werden. Geklärt werden muss auch, ob die Ziele Vorgaben oder Vereinbarungen sind.
  • Das definierte Niveau muss grundsätzlich ein anspruchsvolles Niveau sein. Ziele ohne Anspruch verschlechtern die Markt- und Wettbewerbssituation. Hier sind die jeweiligen Schnittstellenbereiche als Feedbackgeber schon in der Festlegung der Ziele gefragt.

Quellen des Feedbacks

Unternehmen müssen nicht nur bei den Inhalten, sondern auch bei der "Quelle des Feedbacks" flexibler werden. Einmal ist es die Führungskraft, einmal das Team, einmal sind es Externe und einmal alle vorgenannten Prozesspartner, die das Feedback geben sollten. Die Führungskraft als alleiniger Feedbackgeber hat ausgedient. Also muss HR Systeme zur Verfügung stellen, die diese Veränderungen abbilden.  

Handlungsfeld Feedbackgeber:

  • Berücksichtigen Sie im Feedback die Teilnehmer, die die Leistung des Mitarbeiters am besten bewerten können.
  • Entlasten Sie die Führungskräfte von der isolierten Feedbackaufgabe, aber nicht von der Qualitätssicherungsaufgabe. Denn die Delegation des Feedbacks in das Team kann auch sehr kritische, gruppendynamische Prozesse bewirken.
  • Stellen Sie sicher, dass das Feedback in den Arbeitsprozess eingebunden ist und verabschieden Sie sich vom institutionalisierten Jahresfeedback.

Flucht aus den Bonussystemen kann die Wettbewerbslage des Vergütungsmodells schwächen

Die Umwandlung einer individuellen Vergütung auf eine kollektive Vergütung kann die Wettbewerbspositionierung der Gesamtvergütung verschlechtern. Unternehmen beschäftigen sich – oft in wirtschaftlich schwierigen Zeiten – mit der Frage der Umwandlung von fixen Monatsbezügen in eine variable Vergütung. Das Ziel der Kostenflexibilisierung steht dabei im Vordergrund. Nach vielen Jahren der Umsetzung stellt man dann häufig fest, dass die Systeme zwar grundsätzlich in der Lage waren, zu flexibilisieren, dass die angestrebte Flexibilisierung aber nicht erreicht wurde. Dies begünstigt "Flucht aus den individuellen Bonussystemen". Was dabei aber leider vergessen wird ist die Tatsache, dass oft die Leistungsträger die großen Verlierer der Umstellung sind. Denn die Rückbesinnung auf kollektive Ergebnisdaten führt dazu, dass Leistungsträger relativ am meisten verlieren werden.

Insbesondere aber verschlechtert sich die Wettbewerbslage des Vergütungsmodells von der Total-Cash-Betrachtung auf die Grundgehaltsbetrachtung. Denn eines ist gewiss: Ein Zielbonus (egal ob über ein Leistungsfeedback oder über eine Zielerreichung oder andere Systeme gesteuert) führt dazu, dass Unternehmen Total-Cash-Zielbezüge kommunizieren können. In Zeiten der alleinigen Ergebnispartizipation können die Unternehmen aber nur das Grundgehalt inklusive iner dann hoffentlich zu leistenden Ergebniszahlung kommunizieren. Die Total-Cash-Orientierung geht verloren.

Handlungsfeld Gesamtvergütung

  • Prüfen Sie welche Auswirkungen der Abbau der individuellen variablen Vergütung auf die Kommunikation einer Total-Cash-Vergütung hat
  • Stellen Sie sicher, dass die Vergütungsmodelle sich nicht auf das Grundgehalt als Referenzgröße reduzieren.

Transparenz der Rahmenbedingungen in der Vergütung ist zwingend

Gut ausgebildete Mitarbeiter erwarten, dass sie Systeme zur Verfügung gestellt bekommen, die professionell und nachvollziehbar sind. Aus diesem Grunde ist eine Transparenz der Vergütungsrahmenbedingungen heute im „War for Talents“ noch viel wichtiger als früher. Mitarbeiter haben einen Anspruch darauf zu erfahren wo sie stehen und wie Sie sich inhaltlich und pekuniär entwickeln können. Ob über diese Entwicklung dann die Führungskraft oder das Team entscheidet ist eine Frage des Feedbacks. Aber der Vergütungskontext in dem sich Mitarbeiter bewegen muss transparent sein.

Handlungsfeld Vergütungstransparenz

  • Weniger die Motivation über einen isolierten Bonus als das Wissen um die langfristige Entwicklung stehen im Vordergrund moderner Entgeltsysteme
  • Die Entwicklung hat dabei eine inhaltliche Komponente (PE/Karriere) als auch eine Vergütungskomponente (Grundgehalt/Bonus/Total-Cash)
  • Ohne Transparenz der Systeme wird man Leistungsträger weder gewinnen noch binden können.

Bei der Boni-Abschaffung den Topleister nicht aus den Augen verlieren

Typischerweise fällt es Führungskräften am leichtesten die oberen zwanzig bis dreißig Prozent der Leister zu identifizieren. Dies gilt jedenfalls, so lange nicht ein Feedbacksystem, sondern der gesunde Menschenverstand im Vordergrund stehen.

Denn diese Topleister sind es, die mehr aus der jeweiligen Stelle machen, die über eine hohe intrinsische Motivation verfügen und mehr als den Jahresbonusbezug im Blick haben. Damit erscheint es auf den ersten Blick so, dass die Abschaffung individueller Boni in dieser Zielgruppe nicht (direkt) zu einem Leistungsabfall führen wird. Denn Topleister leisten aus sich heraus. Aber auch diese erwarten ein Feedback zur Leistung über Anerkennung, Lob und Entgelt beziehungsweise Bonus. Die Abschaffung des individuellen Bonusanteils wird damit zwangsläufig den Druck auf das Grundgehalt erhöhen. Ob dies im Sinne von HR ist, muss in Zeiten begrenzter Budgets und Nullzinspolitik genau geprüft werden. Um dem Druck auf das Grundgehalt entgegenzuwirken, müssen Bonuswirkungen angedacht werden, die diese erhöhte Leistung (z.B. als Multiplikator auf die Ergebniszahlung) würdigen. Ansonsten wird das Gesamtvergütungssystem nur starrer und teurer.

Handlungsfeld Topleister

  • Stellen Sie die Topleister (oder Topleisterteams) in den Vordergrund von Leistungsmanagement und Bonuszahlung
  • Die Annahme der Normalverteilung sollten Sie überdenken. Konzentrieren Sie sich lieber auf die zwanzig bis dreißig Prozent der Mitarbeiter, die wesentlich beitragen.
  • Erweitern Sie Ihren Blick vom einzelnen Leister auf das Team und honorieren Sie Leistung - nicht unbedingt immer zuerst mit Geld aber zwingend durch Anerkennung.
Schlagworte zum Thema:  Vergütung, Performance-Management