Kolumne: Gleiches Gehalt für Männer und Frauen

Der 24. Mai 2012 könnte für Arbeitgeber noch gravierende Folgen haben. An diesem Tag stimmte das Europäische Parlament einem Entschließungsantrag zu, in dem konkrete Forderungen zur Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen gestellt werden.

Hauptanliegen des Parlaments ist es, den Tatbestand der Lohndiskriminierung bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit in die Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (RL 2006/54/EG) aufzunehmen. Was damit verbunden wäre, ist Arbeitgebern hinreichend bekannt: Verbandsklagen und Beweislastumkehr, um nur die wichtigsten Aspekte zu nennen. Im Unterschied zu den bisherigen Diskriminierungstatbeständen soll aber insbesondere die Beweissituation erheblich zugunsten potentiell Diskriminierter verbessert werden. Denn Arbeitgeber sollen verpflichtet werden, regelmäßige "Lohn-Audits" durchzuführen, die Arbeitnehmern und deren Vertretern frei zugänglich sein sollen. Sie sollen Auskunft geben über die Gehaltsstrukturen in den unterschiedlichen Berufs- und Lohngruppen, einschließlich sämtlicher Sonder- und Einmalzahlungen. Verpflichtet werden sollen alle Unternehmen ab 30 Arbeitnehmern und einem mindestens zehnprozentigen Beschäftigtenanteil von Männern oder Frauen. Weisen diese Daten Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern aus, sollen die Unternehmen diese Unterschiede beseitigen. Dass die Berufs- und Lohngruppen ebenfalls diskriminierungsfrei sein müssen, rundet das Bild ab. Damit die Vorgaben auch umgesetzt werden, fordert das Parlament Sanktionen, die über die bisher geltenden Schadenersatzansprüche hinausgehen. Insbesondere sollen Bußgelder gegen Unternehmen verhängt werden, die den Transparenzpflichten nicht nachkommen.

Haben Arbeitgeber signifikante Gehaltsunterschiede und wollen sie diese beheben, stehen sie indes vor einem Dilemma: Bei künftigen Lohnerhöhungen müssten Männer systematisch solange benachteiligt werden, bis die Lücke geschlossen ist. Sie könnten aber auch auf Zeit spielen und die Gehaltsunterschiede über Neueinstellungen verringern. Nur müssten dann Bewerberinnen, die bei gleicher Qualifikation weniger Gehalt fordern, wider die ökonomische Vernunft "hochgehandelt" werden oder männliche Bewerber korrigieren ihre Forderungen deutlich nach unten. In jedem Fall müssten Männer benachteiligt oder Frauen übervorteilt werden, was der Attraktivität des Arbeitgebers, insbesondere in Zeiten aufkommenden Fachkräftemangels, abträglich wäre.

Die Frage nach der möglichen Einschränkung der unternehmerischen Freiheit, garantiert durch Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ChGR), stellt das Europäische Parlament übrigens nicht. Wozu auch? Art. 23 ChGR bestimmt, dass gleiches Entgelt für Männer und Frauen sicherzustellen ist.

Autor: Klaus-Dieter Sohn, Rechtsanwalt: Centrum für Europäische Politik (Fachbereich: Arbeit & Soziales, Gleichbehandlung, Institutionelles Recht)

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