Generationenwechsel

Eine persönliche Transformationsgeschichte


Frauke von Polier über die Transformation bei Viessmann

Das über 100 Jahre alte Familienunter­nehmen Viessmann hat in den vergangenen zweieinhalb Jahren einen tief­greifenden Wandel durchlaufen: von einem monolithi­schen Industriebetrieb hin zu einem Portfoliounternehmen. Als Chief People Officerin hat Frauke von Polier diesen Prozess maßgeblich mitgestaltet. In ihrem Gastbeitrag beschreibt sie ihre ganz persönliche Sicht auf die Transformation.

In meinem beruflichen Leben habe ich in den vergangenen 20 Jahren viele unterschiedliche Transformationen erleben und mitprägen dürfen. Während meiner Zeit bei Otto wurde das Kataloggeschäft auf neue Medien umgestellt, ich war Teil der Transformation von 2003 bis 2010 in der unternehmensinternen Beratungseinheit und später im Tech-Recruiting. Bei Zalando war ich Mitglied des Managementteams von 2011 bis 2018, als wir binnen weniger Jahre von einem kleinen Startup mit 200 Mitarbeitenden zu einem börsennotierten DAX-Konzern mit über 14.000 Menschen gewachsen sind. In den Jahren 2019 bis 2021 habe ich bei SAP erlebt, wie ein Weltunternehmen sein gesamtes Businessmodell verändert hat – von On-Premise in die Cloud – und dabei entscheidende Weichen stellte, während es gleichzeitig die Covid-Krise meistern musste. 

Viessmann: Transformation im Familienunternehmen

All diese Veränderungen waren komplex, herausfordernd, anstrengend, energiereich  – gleichzeitig verbunden mit vielen Emotionen und zahlreichen Lernmomenten. Doch nichts davon – wirklich gar nichts – kam an das heran, was ich in den vergangenen Jahren bei dem Familienunternehmen Viessmann mitgestalten durfte. Für mich ist dieser Artikel eine Möglichkeit, die menschen- und organisationsorientierte Sicht der Transformation zu beschreiben. Ich schreibe aus der Ich-Perspektive, da es wirklich meine persönliche Sicht ist, als Chief People Officerin und Vorständin, die nicht nur in ihrer Rolle Entscheidungen trifft, sondern auch als Mensch. Es geht in diesem Artikel nicht um die perfekte Darstellung von Fakten, sondern um eine Erfahrungsgeschichte. Vielleicht inspiriert es, vielleicht hilft es oder vielleicht unterhält sie einfach nur gut.

Die Eckdaten zur großen Viessmann-Transaktion kann man in den Medien nachlesen: Das Familienunternehmen hat im April 2023 die Entscheidung getroffen, ihr über 100-jähriges Kerngeschäft – Heizungen und Wärmepumpen – in eine transatlantische Partnerschaft mit dem US-amerikanischen Unternehmen Carrier Global einzubringen. Man kann lesen, dass die Viessmann Generations Group mit diesem Schritt zum größten privaten Anteilseigner von Carrier wird und CEO Max Viessmann in den Aufsichtsrat einzieht. Weiter erfährt man, dass mit Beginn des Jahres 2024 ein neues Kapitel aufgeschlagen wurde und Viessmann strategisch, unternehmerisch und verantwortlich in andere Unternehmen investiert, die skalierbare Lösungen zur Energiewende bieten – dazu zählt zum Beispiel Encavis als Solar- und Windparkanbieter oder Gritec als wichtiger Treiber für nachhaltige Energieinfrastruktur.

DIe essenzielle Frage nach der Nachfolgeplanung

Dies sind die Fakten. Doch was bedeuten solche Veränderungen für die Personal- und Organisationsentwicklung? Wie wird man Gestalterin der Veränderung? Wie stellt man sicher, dass organisationale Interessen nicht konträr zu menschlichen Bedürfnissen stehen, sondern in Einklang gebracht werden? Diese Frage möchte ich aus drei Perspektiven beantworten.

1. Entscheidungen und Veränderungs­prozesse: Am Tisch der Generationen
Eine der großen Aufgaben als Chief People Officerin eines über 100-jährigen Familienunternehmens in vierter Generation ist die essenzielle Frage nach der Nachfolgeplanung. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass erfolgreiches Wachstum oder Umstrukturierungen ins Stocken geraten, weil der Wechsel an der Führungsspitze unglücklich vollzogen wird. Mit sorgfältiger Planung und Begleitung kann man das vermeiden und die Welle des Wandels positiv gestalten. 

Bei den Beteiligungen von Viessmann, ihren sogenannten Portfoliounternehmen, arbeiten wir mit Heatmaps, die uns jederzeit zeigen, wo wir Nachfolgepotenzial und Talente sehen und welchen konkreten Plan wir hinterlegen, um gegebenenfalls einen guten Übergang sicherzustellen. Im Übergangsprozess ist die enge Begleitung entscheidend, damit der Wechsel nicht nach 12 bis 18 Monaten als gescheitert gilt. Warum 12 bis 18 Monate? Bei Executive-Positionen sind die ersten sechs Monate oft eine Schonzeit: Menschen sind interessiert, offen, neugierig auf alles, was jemand Neues mitbringt. Aber: Genau hier entstehen die größten Fehler – denn ein neuer Executive will sich oftmals positionieren und eigene Agenda-Punkte setzen, aber übersieht den Kontext und die Eigenlogik der Organisation. Interne Nachfolger schaffen diesen Spagat daher manchmal besser als externe, aber auch nicht immer. Drei bis neun Monate nach der Neubesetzung beginnt sich das Organisationsschiff zu drehen, nach etwa einem Jahr laufen die ersten strategischen Maßnahmen. In dieser Phase zeigt sich, wer die Organisation wirklich kennt – wer weiß, wo man gezielt ansetzen und wen man an Bord holen muss, um den Wandel zu verankern. Erfahrungsgemäß kommen jetzt auch Rückschläge und Kritik wird lauter. Genau hier liegt meine Rolle: diese Implementierungsfallen früh zu erkennen und schon in der strategischen Planung gegenzusteuern.

Wenn ich also gefragt werde, wie man Gestalterin des Wandels sein kann, ist meine Antwort klar: mit guter Nachfolgeplanung oder, wie ich es lieber nenne, Übergangsumsetzung. Von der Auswahl bis zur Umsetzung, Ende zu Ende. Das ist eines der zentralen Themen mit dem größten Hebel für das Business und eines, bei dem Führungskräfte am dankbarsten für Unterstützung sind.

Zurück zu meiner Viessmann-Perspektive der letzten Jahre: Der bedeutsamste Nachfolgeübergang war der von der dritten in die vierte Generation der Viessmann-Familie. Anders als bei einer externen Nachfolgeplanung sind die Spielregeln bei internen Übergängen zwar die gleichen, aber die Auswahl der Person ist von vornherein festgelegt. Professor Dr. Martin Viessmann übergab an seinen Sohn Maximilian – eine Entscheidung, die Jahre zuvor sorgfältig geplant war und offiziell 2019 mit der operativen Verantwortung als CEO des größten Geschäftsbereichs final vollzogen wurde. Die Art, wie alles über viele  Jahre – oder sollte man sagen: sogar seit der Geburt der vierten Generation – vorbereitet und umgesetzt wurde, war wie aus dem Lehrbuch. Die Grundlage für die umfangreichste Transformation des Familienunternehmens wurde damit erfolgreich gelegt: Von Herkunft zu Zukunft, von Produkten zu Lösungen, von offline zu digital, von B2B zu B2C, vom Keller zu Lebensräumen, von Hidden zu Open Champions.  

Die Kraft der Transparenz in der Transformation

Meine größte Aufgabe als Chief People Officerin war es, den vielschichtigen Wandel des Unternehmens zu gestalten und an 14.000 Mitarbeitende nachvollziehbar zu vermitteln. Gefolgt wurde die Transformation von der einschneidenden unternehmerischen Entscheidung, das Kerngeschäft in die transatlantische Partnerschaft einzubringen. Ziel war die langfristige Zukunftssicherung durch industrielle Größe und globale Reichweite in einem hochvolatilen Markt.

Diesen Kontext der Transaktion an Führungskräfte und Mitarbeitende auf eine gut verständliche Weise zu vermitteln, ist eine Mammutaufgabe. Aber ich glaube fest an die Kraft der Transparenz in allen Veränderungsprozessen, an die Möglichkeit, Prozesssicherheit zu geben, auch wenn man noch nicht über das genaue Ziel sprechen darf. Gleichzeitig habe ich eine sehr differenzierte Meinung darüber, was Transparenz im operativen Kontext ist. Die vorherrschende gesellschaftliche Vorstellung von Transparenz bedeutet, jederzeit Zugang zu allen Informationen zu haben. Meine Meinung ist: Jeder hat Anspruch auf Kontext, aber nicht auf alle Informationen. Und so gestalte ich auch die interne Kommunikation. Gerade wenn es um so wichtige Themen wie Strategiewechsel geht, lege ich Wert darauf, in hoher Frequenz Kontext zu geben zu Markt, Kunden, Makroökonomie sowie Prozesssicherheit dazu, wann das nächste Update kommt. 

Ich höre häufig Stimmen, die warnen, dass wir die Mitarbeitenden mit makroökonomischen Fakten und strategischem Ausblick überfordern. Meine Überzeugung ist: Menschen sind mündig und verdienen den Respekt, mitdenken zu dürfen, auch wenn nicht jeder dieses Angebot annimmt oder alles im gleichen Maße nachvollzieht. 

Halt und Vertrauen im Veränderungsprozess

2. Die Menschen, die Angst, das Vertrauen
Als Chief People Officerin habe ich die Viessmann-Transformation nicht in Zahlen erlebt, sondern in Gesichtern. Ich habe die Anspannung nachempfunden, als die ersten Leaks in den Medien auftauchten. Das war für mich, die so viel Wert auf intensiven Kontext in der internen Kommunikation legt, schmerzhaft. Wofür hatten wir uns so viel Mühe gegeben, aktuelle Geschehnisse einzuordnen und zugleich die rechtliche Vertraulichkeit des Deals zu wahren? 

Als die Presse erste Informationen über die mögliche Übernahme von Viessmann durch Carrier veröffentlichte, war ich enttäuscht und traurig. Es lag an uns, unsere Geschichte zu erzählen, nicht an den Medien. Und sofort hingen die Fragen in den Fluren: Was bedeutet das für mich? Für meine Familie? Für unsere Region? Kann das wirklich sein?

Am 25. April 2023 fiel der entscheidende Startschuss: Ein 106 Jahre altes Unternehmen mit seiner Geschichte, seinen Kunden, Mitarbeitenden und Familien schlug ein neues Kapitel auf. Es ging nicht mehr um transparenten Kontext, sondern darum, Halt und Vertrauen zu geben in einer Zeit, in der alles ins Wanken geriet. Es ging nicht mehr nur um die Mitarbeitenden, sondern um die ganze Vielschichtigkeit der Menschen, die von der Transaktion betroffen waren: Kunden, Partner, Handwerker, Installateure, Lieferanten, Vereine, Gewerkschaften, Betriebsrat, Produktions- und Vertriebsmitarbeitende, Einkäufer, Führungskräfte, Menschen. Ein bunter Blumenstrauß an Bedürfnissen, Sorgen und Ängsten, die alle eines suchten: Klarheit für die Zukunft.

Als Chief People Officerin habe ich die Transformation des Familienunternehmens Viessmann mit seiner über 100-jährigen Geschichte nicht in Zahlen erlebt, sondern in Gesichtern. Frauke von Polier

Ich werde oft gefragt, wie es als Vorständin ist, mitten in solchen Situationen zu stecken. Ob uns diese Momente belasten, ob wir etwas fühlen oder ob wir einfach gelernt haben, hart durchzusteuern. Meine Antwort: Wir spüren die Ambiguität bis in die Knochen. Eine Entscheidung zu treffen, ist das eine – sie konsequent umzusetzen und dabei für alle Seiten eine tragfähige Lösung zu finden, ist die andere Herausforderung. Man kann nicht nur die Sicht der Organisation, der Eigentümer, der Mitarbeitenden oder der Kunden einnehmen. Man muss alle Perspektiven in Einklang bringen.

Vier Fragen, die das Handeln leiten

Wie gelingt mir das konkret in meiner Rolle? Indem ich meine Handlungen täglich an vier Fragen ausrichte:

  1. Wo wollen wir hin und warum? (Immer wieder bewusst machen, warum man die Entscheidung so getroffen hat)
  2. Wo stehen wir heute? (Schritte, Erfolge und Fehler reflektieren, die uns bis hierhin gebracht haben)
  3. Wie kommen wir dahin und mit wem? (Die Linie halten mit den Menschen, die uns am direktesten ans Ziel bringen)
  4. Woher wissen wir, dass wir angekommen sind? (Die Haltepunkte definieren, die messbaren Fortschritt sichtbar machen)

Der Unterschied zwischen einer Personalabteilung, die einen Veränderungsprozess nur begleitet, und einer, die ihn aktiv mitgestaltet, liegt in Frage drei: der Klarheit, mit der die Linie im Veränderungsprozess gehalten wird. 

Zu oft gibt es Ausnahmen, Sonderlocken und zu wenig Mut, getroffene Entscheidungen konsequent umzusetzen. Ich habe viele Führungskräfte erlebt, die sich Großes vornehmen und sich in der Umsetzung mit weniger zufrieden geben. Genau hier sind wir als People- & Organisationsteam (P&O-Team) gefragt. Wir haben nicht nur die Kompetenz, sondern auch die Ausdauer, die Vision bis in die Umsetzung zu tragen. Dabei glaube ich an die Aktivierung vieler – intern wie extern – und nicht an einzelne Change-Botschafter. Letztere können die Geschwindigkeit, die man heute braucht, nicht erreichen.

Ein gutes Beispiel hierfür ist der sogenannte Carve-out-Prozess – übrigens ein schrecklicher Fachbegriff, intern sprachen wir lieber von Unbundling – bei Viessmann, der nach der Ankündigung im Frühjahr 2023 bis zum Closing im Januar 2024 dauerte. Wöchentlich haben wir proaktiv kommuniziert: über den Prozess, die Strategie, den neuen Eigentümer, die Veränderungen und die Konstanten. Rund 200 Menschen haben aktiv an Unbundling-Projekten gearbeitet, weitere 300 waren eng eingebunden. Es gab Q&A-Formate, interne Artikel, virtuelle All-Hands und Betriebsversammlungen. Die enge Zusammenarbeit von Kommunikation, Marketing und P&O-Team zahlte sich in dieser Zeit besonders aus. Langfristig erkennen Menschen das ernsthafte Streben nach der besten, fairsten Lösung. Sie verzeihen taktische Fehler, wenn sie spüren, dass Kompetenz, Wahrhaftigkeit und Loyalität vorhanden sind. Vertrauen ist kein Zufallsprodukt, sondern die Summe dieser drei Eigenschaften. Oder in einem Satz: "Ich vertraue dir, wenn du tust, was du sagst; wenn du kannst, was du tust; und wenn du auch dann noch tust, was du kannst, wenn es darauf ankommt."

Mit derselben Beharrlichkeit schreiben wir jetzt das nächste Kapitel von Viessmann, das auch in der Umbenennung unseres Familienunternehmens deutlich wird: Viessmann Generations Group. 

Gibt es ein Ende der Transformation?

Ich frage mich oft: Kann eine Transformation überhaupt ein Ende haben? Oder läuft sie in Schleifen, die sich immer wieder ein- und ausdrehen? Allzu oft wird ein Ende der Veränderung suggeriert, wie es die berühmte Change-Kurve verspricht. Doch diese Hoffnung wird fast immer enttäuscht: "Wann ist es vorbei?" – "Bald." – "Ach, doch noch nicht." 

Deshalb sprechen wir bei Viessmann nicht vom Ende der Veränderung, sondern von Konstanz im Wandel und von unserer Haltung der stetigen Verbesserung. Wer das Lean-Prinzip Kaizen kennt, weiß, wovon ich spreche: Fortschritt über Perfektion. Wir versprechen nicht, dass es irgendwann vorbei ist oder alles gut endet. Wir versprechen stattdessen, kontinuierlich an Verbesserungen zu arbeiten und dabei den nötigen Kontext zu unseren Entscheidungen zu geben.

Am 2. Januar 2024 war das Unbundling offiziell vollzogen. Seitdem arbeiten die Viessmann Generations Group und Carrier, zu der die Viessmann Climate Solutions mehrheitlich gehört, eigenständig am jeweiligen Erfolg. Ich selbst bin in der Generations Group geblieben und darf mit CEO Max Viessmann eine neue Unternehmensgruppe aufbauen – von einem monolithischen Industrieunternehmen hin zu einem diversifizierten Ökosystem, das aufgrund seiner Vielfalt deutlich resilienter und globaler aufgestellt ist.

3. Eine neue Kultur auf altem Fundament: Failure oder Next Step?
Wer bis hierhin dachte, Viessmanns Transformationsgeschichte sei spannend, wird dieses neue Kapitel des Familienunternehmens lieben. Der Purpose der Viessmann Generations Group bleibt derselbe, ebenso die Familie Viessmann mit ihren Werten und der bekannten Wortmarke. Doch das Geschäftsmodell hat sich massiv verändert. Genau hier kommt meine Stärke zum Tragen.

Wer länger als eine Woche mit mir arbeitet, weiß: Ich spreche täglich mindestens zweimal über das Thema Operating Model (Betriebsmodell). Es geht dabei um die Organisation der Arbeit, die in Rollen strukturiert wird. Es geht um Entscheidungen, die durch klare Informationsflüsse zusammenlaufen und um Routinen, die Halt und Transparenz geben. Wenn ich versuche, all diese Aspekte übereinander zu legen und ein neues Geschäftsmodell in eine Kultur zu geben, die über 108 Jahre gewachsen ist, so mündet dies in die komplexeste Operating-Model-Veränderung, die ich je erlebt habe. Es macht Freude, diese nicht nur konzeptionell zu denken, sondern auch mit hoher Geschwindigkeit in die Umsetzung zu bringen.

Die richtigen Menschen am richtigen Platz

Ein Beispiel: Früher gab es bei Viessmann Geschäftsbereiche, die eigenständig agierten, und eine Gruppenfunktion, die die Fäden zentral zusammenhielt. Ein gutes Operating Model steuert im Kern die Informationsflüsse und sorgt für richtige Entscheidungen. Doch bei einem Portfolio mit diversifizierten Assetklassen würde eine zentrale Steuerung rasch einen Wasserkopf erzeugen. Deshalb entschieden wir uns bewusst für Dezentralität und viel Vertrauen in unsere Portfoliounternehmen. 

Gemeinsam haben wir Anfang des Jahres rund zehn Beiräte aufgesetzt – für alle thematischen Bereiche unserer Beteiligungen. Dazu gehören Abläufe, Entscheidungswege und Routinen. Meine Rolle: sicherstellen, dass die Zusammensetzung passt, die Zusammenarbeit funktioniert und die Formierung schnell in produktives Arbeiten übergeht. Wenn wir die richtigen Beiräte und Managementteams am richtigen Platz haben, dann läuft das meiste von selbst. Im Schulterschluss mit meinen Vorstandskollegen und unseren Teams habe ich als CPO die diagnostische Seite gesteuert, um die Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Normalerweise dauert das Aufsetzen eines einzigen Beirats sechs bis neun Monate – wir haben zehn in weniger als sechs Monaten realisiert.

Im Jahr 2023 war der Kern der Transformation offensichtlich: das Mitnehmen von Menschen. Die letzten eineinhalb Jahre dagegen sind anders, ich würde sagen, strukturell viel tiefgreifender verlaufen. Der Wandel von einem einzelnen Industrieunternehmen zu einem Ökosystem mit vielen Portfoliounternehmen ist organisatorisch komplexer und verlangt ein Umdenken in allen Steuerungssystemen: weg von Kontrolle, hin zu Empowerment.

Wie sich die Rolle der CPO verändert

Meine Rolle als CPO hat sich dadurch fundamental geändert. Während unser P&O-Team in der Vergangenheit die operative und beratende Personalarbeit bis zu jedem Produktionsmitarbeitenden verantwortet hat, vernetzen wir heute die Personalabteilungen unserer Portfoliounternehmen mit den richtigen Partnern und arbeiten primär mit den Management-Teams eng zusammen, um transformative Impulse zu geben. Wir erarbeiten gemeinsam die Personalstrategie und einigen uns auf die wegweisenden Hebel, um die Geschäftsziele zu erreichen. Dies ermöglicht mir, eine enge Beraterin der verschiedenen CEOs und Partner zu werden und die richtigen Impulse zu setzen. Der Unterschied zu einer Beratung ist, dass wir gleichzeitig die Anteilseigner sind, sodass die Zusammenarbeit integrierter ist als bei einer externen Beratung.

Mich erinnert diese Zeit stärker an meine Zalando-Startup-Phase, in der unsere organisatorischen Prozesse in kürzester Zeit Schritt halten mussten mit dem rasanten Wachstum der Mitarbeiterzahl. Der Unterschied zu Viessmann: Bei Zalando gab es keine langjährige Firmengeschichte. Bei Viessmann hingegen haben wir 108 Jahre Geschichte, Werte und eine Kultur, die Veränderungen gewohnt ist. Wir sind stolz auf das Erreichte und demütig genug, zu wissen, dass wir auch scheitern können.

Diese Kultur aus vereintem Selbstbewusstsein ("Wir schaffen das") und gesundem Selbstzweifel ("Es könnte auch schiefgehen") hat uns hierhergebracht und wird uns auch in die Zukunft tragen.

Die Wahrheit der Transformation

Wenn ich heute zurückblicke, dann weiß ich: Meine Zeit bei Otto hat mir gezeigt, was konsequente Umsetzung einer Entscheidung bedeutet. Zalando hat mich gelehrt, Organisationsveränderung in Geschwindigkeit zu meistern und nur konsequentes Handeln zu einem Erfolg führt. SAP hat mir vor Augen geführt, dass Executive Talente intern entwickeln und langfristig in Nachfolge investieren, die Transformation nachhaltig gestaltet.

Viessmann hat mir darüber hinaus eine Blaupause für Familienunternehmen gezeigt, die generationenübergreifend denken und den Mut haben, in jeder Generation unternehmerische Wege zu gehen.

Jede dieser Transformationen hat auch mich verändert – ganz persönlich. Und das muss so sein. Meine Rolle als CPO kann ich nur wirksam ausfüllen, wenn ich sie auch als Mensch lebe und sie mir nahegeht. Transformation ist keine Strategie auf dem Papier, sondern eine Haltung – die Bereitschaft, mich selbst zu bewegen, wenn ich am Tisch der Generationen wirklich etwas bewegen will.


Dieser Beitrag ist erschienen in Personalmagazin 12/2025. Als Abonnent haben Sie Zugang zu diesem Beitrag und allen Artikeln dieser Ausgabe in unserem Digitalmagazin als Desktop-Applikation oder in der Personalmagazin-App.


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