EY-Jobstudie: Unzufrieden durch mangelnde Wertschätzung

Die Zufriedenheit der Beschäftigten in Deutschland ist massiv gesunken, das zeigt die neue EY-Jobstudie. Grund ist neben der pandemiebedingten Doppelbelastung im Homeoffice und mangelndem Austausch mit Kollegen für viele Arbeitnehmende auch die fehlende Wertschätzung ihrer Arbeit. 

Geht es um ihre Arbeitssituation, bezeichnet sich aktuell nicht einmal ein Drittel aller Arbeitnehmenden in Deutschland (31 Prozent) als zufrieden. Das zeigen die aktuellen Ergebnisse der alle zwei Jahre durchgeführten EY-Jobstudie, für die mehr als 1.500 Beschäftigte in Deutschland repräsentativ befragt wurden. Zum Vergleich: Vor zwei Jahren gab noch fast die Hälfte der Beschäftigten (49 Prozent) an, im Job zufrieden zu sein.

Führungskräfte und Azubis sind bei der Arbeit am zufriedensten

Noch am zufriedensten sind Führungskräfte: Mehr als die Hälfte der Top-Managerinnen und -Manager (55 Prozent) ist glücklich mit ihrer Arbeit. Knapp dahinter folgen Auszubildende (54 Prozent), auch hier ist mehr als jeder Zweite generell zufrieden mit der eigenen Arbeit. Deutlich weniger erfüllt sind dagegen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in leitender Stellung (34 Prozent), Angelernte (32 Prozent) und Fachangestellte (29 Prozent). Nicht einmal jeder fünfte Ungelernte (18 Prozent) bezeichnet sich als zufrieden mit der eigenen Arbeit.

Motivation der Beschäftigten auf dem Tiefstand

Auch die Motivation unter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hat in den vergangenen zwei Jahren deutlich abgenommen: Zwar behauptet die große Mehrheit der Befragten (71 Prozent) von sich, motiviert bei der Arbeit zu sein, allerdings waren es 2021 noch 78 Prozent. Der Anteil der "hochmotivierten" Angestellten ist innerhalb der vergangenen zwei Jahre von 28 Prozent auf 17 Prozent geschrumpft – es ist gleichzeitig der mit Abstand niedrigste Wert, seit EY diese Untersuchung durchführt.

Die stark gesunkene Job-Motivation und Zufriedenheit unter den Beschäftigten in Deutschland wertet Jan-Rainer Hinz, Mitglied der Geschäftsführung, Leiter Personal und Arbeitsdirektor bei EY, als Alarmsignal: "Eine niedrige Motivation geht zulasten der Produktivität der Unternehmen, die sich ohnehin noch mit den Folgen der Corona-Pandemie, hohen Energie- sowie Produktionskosten und Herausforderungen durch weltweit zunehmende geopolitische Spannungen konfrontiert sehen. Die Gründe für mangelnde Zufriedenheit und Motivation können vielfältig sein, die Folgen sind jedoch immer die gleichen: Durch das nicht genutzte Potenzial verlieren Unternehmen Milliarden."

Am motiviertesten sind erneut die Führungskräfte: Knapp die Hälfte der Top-Managerinnen und Manager (45 Prozent) bezeichnet sich als "hochmotiviert". Bei den Auszubildenden ist es knapp ein Drittel (32 Prozent), bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in leitender Stellung knapp ein Viertel (24 Prozent). Außerordentlich motivierte Fachangestellte, Angelernte (jeweils 15 Prozent) sowie Ungelernte (11 Prozent) sind dagegen eher die Ausnahme.

Pandemiefolgen senken die Motivation der Beschäftigten dauerhaft

Offenbar, so die Studienautoren, belasten die Folgen der Pandemie und die Auswirkungen auf Privat- und Berufsleben die Beschäftigten immer noch. Bei vielen Menschen habe die Doppelbelastung von Homeoffice bei gleichzeitiger Kinderbetreuung oder die nicht mehr vorhandene Möglichkeit zum direkten Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen zu einem spürbaren Motivationsrückgang geführt.

Wie die Studie zeigt, ist gerade ein gutes Verhältnis zu den Kolleginnen und Kollegen für Beschäftigte besonders wichtig, mehr als jede und jeder Zweite (58 Prozent) nennt dies als wichtigen Motivationsfaktor. Ebenso vielen Befragten ist ein gutes Arbeitsklima wichtig. Beides, so die Studieninterpretation, seien Aspekte des Arbeitslebens, die in der Pandemie zu kurz kamen. Ein hohes Gehalt motiviert dagegen nur jeden Dritten (33 Prozent), Erfolgsprämien nur etwas mehr als jeden Zehnten (12 Prozent).

Beschäftigte sind stolz auf Ihre Arbeit –fühlen sich aber nicht wertgeschätzt

Trotz mangelnder Motivation und zurückgehender Zufriedenheit: Die eigene Arbeit bewerten die Angestellten in Deutschland nahezu durchweg positiv – und zwar noch etwas stärker als in der Befragung vor zwei Jahren. 95 Prozent sagen, dass sie mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten.

Im Top-Management bewerten durchgehend alle Befragten (100 Prozent) ihre Arbeit als wichtigen Beitrag zum Erfolg des Unternehmens, auch leitende Angestellte sind überdurchschnittlich (98 Prozent) vom Wert der eigenen Arbeit überzeugt. Auch bei Fachangestellten (95 Prozent), Angelernten (92 Prozent) und Auszubildenden (91 Prozent) sind die Zufriedenheitswerte sehr hoch. Unter den Ungelernten (87 Prozent) ist der Anteil derjenigen, die den eigenen Beitrag am Firmenerfolg hoch bewerten, am geringsten, aber immer noch bemerkenswert hoch.

Markus Heinen, Partner und Leiter People Advisory Services bei EY, bewertet die Diskrepanz zwischen geringer Zufriedenheit und Motivation auf der einen und der hohen Einschätzung des eigenen Beitrags zum Firmenerfolg auf der anderen Seite als Alarmzeichen: "Dies sollte Arbeitgeber allerdings aufhorchen lassen. Die Angestellten in Deutschland fühlen sich, ihre Arbeit und ihren Einsatz offenbar nicht deutlich genug wertgeschätzt." Diese schlechte Nachricht, so Heinen, habe aber auch etwas Gutes: "Die Unternehmenslenker haben es selbst in der Hand, diese Situation zu ändern."

Tatsächlich, so die Studienergebnisse, haben trotz des erheblichen Beitrags, den die meisten Befragten nach eigener Einschätzung zum Unternehmenserfolg leisten, viele Angestellte das Gefühl, dass dies von Vorgesetzten kaum gewürdigt wird: Nur 66 Prozent sind der Meinung, dass die eigene Arbeitsleistung gewürdigt wird – das sind deutlich weniger als in der Vorbefragung 2021, als dieser Anteil noch bei 78 Prozent lag.

Mehr Motivation durch Mitsprachemöglichkeiten

Großen Einfluss auf die Zufriedenheit und Motivation der Beschäftigten haben laut der aktuellen Jobstudie deren  Mitsprachemöglichkeiten. So sagt die Hälfte der Befragten (50 Prozent), die den Führungsstil ihres Unternehmens als "gemeinsam und gleichberechtigt" bezeichnen, dass sie generell mit ihrem Job zufrieden sind. In Unternehmen, in denen zwar eigene Meinungen geäußert werden können, am Ende aber trotzdem immer der Chef entscheidet, äußern sich dagegen nur 32 Prozent der Beschäftigten als generell zufrieden. Am wenigsten einverstanden mit ihrer beruflichen Situation sind Angestellte in Firmen, in denen der Chef ohne Mitsprache allein entscheidet – hier sind nur 13 Prozent als zufrieden.

Und auch die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steigt mit ihrer stärkeren Einbeziehung. In Unternehmen, in denen der Chef und Führungskräfte gemeinsam mit den Angestellten entscheiden, bezeichnet sich fast jeder dritte Befragte (31 Prozent) als "hochmotiviert". Durchschnittlich motiviert sind Beschäftigte in Firmen, in denen sich trotz Diskussionen am Ende immer der Vorgesetzte durchsetzt (17 Prozent). Entscheidet der Chef komplett autark, ist der Anteil der Hochmotivierten innerhalb der Belegschaft am geringsten (zehn Prozent).

"Natürlich tragen Führungskräfte am Ende des Tages das Risiko und sind für ihre Managemententscheidungen verantwortlich. Die Ergebnisse unserer Befragung zeigen aber sehr deutlich, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motivierter und zufriedener sind, wenn Vorgesetzte ihnen Platz zur Teilhabe einräumen.", sagt Hinz. "Sicherlich ist es nicht möglich, jede Entscheidung im Konsens zu treffen. Dies wollen die Angestellten auch gar nicht. Aber sie wollen, dass ihre Vorschläge und Ideen berücksichtigt werden, dass sie überhaupt gehört und wertgeschätzt werden.“ Hier, so Hinz, warte offensichtlich Arbeit auf die Personalabteilungen. Arbeit, die sich lohne, wenn man das vorhandene Potenzial und das mögliche Ergebnis betrachte.


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