Employer Branding: Mitarbeiter arbeiten auf den Kanaren

Arbeiten bei 20 Grad und Sonnenschein, während in Deutschland der Novembernebel wabert. Mit einem „Pop-up-Office“ auf den Kanaren will die Digitalagentur Cyperfection Motivation und Kreativität bei ihren Mitarbeitern wecken und sich darüber hinaus im Recruiting besser aufstellen.  

Haufe Online-Redaktion: Herr Korhummel, wie viele Wochen werden Sie in diesem Jahr auf Lanzarote arbeiten?

Sven Korhummel: Ich selbst werde dieses Jahr nur neun Tage auf der Insel verbringen, zusammen mit dem Team New Business Key Accounting, für das ich als Geschäftsführer mit verantwortlich bin. Voraussichtlich werde ich nächstes Jahr nochmals für zwei Wochen nach Lanzarote fahren. Wir haben das „Pop-up-Office“ bis Mitte März angemietet.

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Haufe Online-Redaktion: Was steckt eigentlich hinter dem Begriff „Pop-up-Office“?

Korhummel: Dieser ist angelehnt an die bekannten „Pop-up-Stores“ oder „Pop-up-Restaurants“, die für eine begrenzte Zeit eröffnet werden und dann wieder verschwinden. Die temporäre Nutzung der Location steht auch bei unserem „Pop-up-Office“ im Vordergrund. Für sechs Monate wagen wir das Experiment einer zeitlich begrenzten Zusammenarbeit unserer Mitarbeiter auf Lanzarote.

Haufe Online-Redaktion: Wie kamen Sie auf die Idee, Ihren Mitarbeitern einen Arbeitsaufenthalt auf den Kanaren anzubieten?

Korhummel: Beim jährlichen Kick-off in der Geschäftsleitung stellen wir uns immer wieder die gleiche Frage: Wie können wir unsere Teams voranbringen? Die Mitarbeiter sind das Wichtigste in einer Agentur. Wir haben einige Formate wie Show-and-Tell, gemeinsame Events und eine umfangreiche Palette an New-Work-Szenarien. Trotzdem suchen wir immer weiter nach Angeboten für unsere Mitarbeiter, die sie motivieren und ihre Kreativität fördern. Dabei kamen wir auf die Idee, ihnen im Herbst, wenn das Wetter in Deutschland schlechter wird, zeitweilig die Arbeit in der Sonne zu ermöglichen. Auf Basis dieser Grundidee haben wir überlegt, was wir machen können und wo das möglich ist. Das Wetter auf Mallorca ist im November und Dezember nicht so toll. Südafrika bietet sich zwar an, weil es dort keine Zeitverschiebung gibt. Aber der Flug ist teuer und lang. Wir kamen dann auf die Kanaren, weil dort viele Menschen überwintern.

Office-Atmosphäre und schnelles Internet

Haufe Online-Redaktion: Wie fanden Sie eine passende Location auf den Inseln?

Korhummel: Zunächst suchten wir in einer Internetrecherche nach geeigneten Unterkünften. Diese sollten vier Schlafzimmer, große Aufenthaltsbereiche und eine Office-Atmosphäre haben. Ein wichtiger Faktor war die Internetverbindung. Schließlich wurden wir auf Lanzarote fündig. Dort nahmen wir vier Objekte in die engere Wahl, die wir vor Ort besichtigten. Aber auch die Räumlichkeit sollte passen, denn unsere Leute arbeiten und wohnen dort. Wir entschieden uns für eine Villa mit vier Schlafzimmern und großem Wohnzimmer, Küche und beheiztem Pool. Diese große Ferienvilla gestalteten wir in Richtung Büro-Atmosphäre um. Aufgrund der Räumlichkeit können maximal acht Personen gleichzeitig vor Ort sein, zusammen arbeiten und wohnen.

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Haufe Online-Redaktion: Für wie viele Mitarbeiter gilt das Angebot?

Korhummel: Wir haben insgesamt rund 45 Mitarbeiter, die alle das Angebot erhielten. Einige Mitarbeiter lehnten ab, weil sie entweder familiäre Verpflichtungen haben oder einen Hund, den sie nicht mitnehmen können. Zwei Mitarbeiter leiden unter Flugangst. Am Ende sagten 30 Personen, dass sie zeitweise auf den Kanaren arbeiten wollen. Diese haben wir in Kompetenzteams mit artverwandten Tätigkeiten aufgeteilt.

Haufe Online-Redaktion: Wie stellen Sie sicher, dass diejenigen, die im trüben Herbst zuhause in Deutschland geblieben sind, nicht die Motivation verlieren?

Korhummel: Bislang hat sich kein einziger Mitarbeiter negativ geäußert. Die Mitarbeiter in Deutschland sehen auf internen Kanälen, was ihre Kollegen auf Lanzarote gerade machen. Es existiert ein reger Austausch und man freut sich auf die Erfahrungsberichte derjenigen, die von Lanzarote zurückkehren.

Keine festen Regeln für den Aufenthalt

Haufe Online-Redaktion: Und wie stellen Sie sicher, dass die Mitarbeiter auf Lanzarote produktiv arbeiten und nicht nur die Sonne und das Meer genießen? Gibt es Regeln für den Aufenthalt?

Korhummel: Wir haben eigenverantwortlich arbeitende, hochmotivierte Mitarbeiter und appellieren an ihre Selbst-Organisation. Es gibt keinen festen Arbeitsbeginn, aber die Kollegen sollten ab 9 Uhr erreichbar sein und das funktioniert auch bei der Zeitverschiebung von einer Stunde. Wenn jemand beschließt, tagsüber eine Stunde Fahrrad zu fahren, um den Kopf wieder freizubekommen, und in seinem Kalender vermerkt, dass er in dieser Zeit nicht erreichbar ist, ist das auch absolut in Ordnung. Wir haben keine festen Regeln aufgestellt, sondern begrüßen ein teamgerechtes Verhalten, zum Beispiel bei der Nutzung des gemeinsamen Mietwagens. Wenn doch einmal etwas nicht richtig funktionieren sollte, kann eine Führungskraft unterstützen. Ein Kollege aus der Geschäftsleitung, ich oder eine andere Führungskraft, sind meist auch eine Woche vor Ort.

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Haufe Online-Redaktion: Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Kollegen und Kunden in Deutschland?

Korhummel: Seit einigen Jahren nutzen wir eine cloudbasierte Kollaborations-Software, die eine komplette Online-Vernetzung unserer Mitarbeiter ermöglicht. Die kann auch von Lanzarote genutzt werden, dank der guten Internetverbindung. Der Vermieter hatte uns zugesagt, eine schnelle Internetverbindung zur Villa zu verlegen und Monitore zur Verfügung zu stellen. Das hat auch geklappt. Flipcharts sind ebenfalls vor Ort. Unser erstes Team vor Ort installierte ein starkes W-Lan. Jetzt sitzen meist fünf oder sechs Kollegen mit ihren Laptops am großen Küchentisch. Wer in Ruhe telefonieren will, zieht sich in ein Schlafzimmer zurück, wer frische Luft sucht, arbeitet zeitweise im Liegestuhl im Außenbereich. Ein großer Vorteil dieser Form des gemeinsamen Wohnens und Arbeitens sind die wegfallenden Arbeitswege. In Deutschland gibt es Mitarbeiter, die jeden Morgen von Frankfurt oder Heidelberg zu unserem Hauptsitz nach Ludwigshafen pendeln.

Das "Pop-up-Office" dient auch dem Arbeitgebermarketing

Haufe Online-Redaktion: Was sind die Vorteile für Ihr Unternehmen? Das „Pop-up-Office“ verursacht zusätzliche Kosten.

Korhummel: Für uns als Agentur stellen die Mitarbeiter den wichtigsten Faktor dar. Mit dem „Pop-up-Office“ können wir ihre Kreativität steigern. Sie finden diesen Perspektivenwechsel super und begrüßen es, in einem anderen Setting zu arbeiten. Ein weiterer Nutzen ist, dass sich die Mitarbeiter auch privat besser kennenlernen. Da wächst etwas zusammen. Auch die Mitarbeiterbindung wird durch die Aktion gestärkt. Und die Mitarbeiter erzählen bei Freunden und Bekannten über die tolle Aktion ihres Arbeitgebers.

Haufe Online-Redaktion: Das „Pop-up-Office“ trägt also auch zum Employer Branding bei. Unterstützt es auch ihre Recruiting-Aktivitäten?

Korhummel: Wir nutzen das „Pop-up-Office“ nicht nur für das Employer Branding, sondern auch für das Recruiting. Als Agentur befinden wir uns in einem permanenten Kampf um gute Leute. Deshalb berichten wir über diese Aktion auch auf unseren Social-Media-Kanälen. Und das trägt Früchte. Jeder Bewerber, der sich über unser Unternehmen informiert, wird auf unserer Webseite oder den Social-Media-Kanälen automatisch mit dieser Aktion konfrontiert. Der Tenor sollte sein: Das ist ein moderner Arbeitgeber mit coolen Ideen, da würde ich gerne arbeiten. Wenn dies nur wenige Prozente der Entscheidung für unser Unternehmen anstelle eines anderen Arbeitgebers ausmacht, haben wir unser Ziel erreicht. 

Haufe Online-Redaktion: Gibt es schon Pläne für weitere Projekte?

Korhummel: Ich möchte zunächst das sechsmonatige Experiment abschließen und gemeinsam Bilanz ziehen, um daraufhin wieder etwas Neues zu entwickeln.

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