"Durch die Brille der Mitarbeiter"
Haufe Online-Redaktion: Herr Loeffler, die Generation Y ist den barrierefreien und intuitiven Umgang mit digitalen Anwendungen gewohnt. Inwiefern finden sie diesen „Komfort“ auch am Arbeitsplatz wieder?
Christoph Loeffler: Mitarbeiter erwarten auch im Arbeitsalltag Anwendungen mit intuitiven Nutzererlebnissen, personalisierte Dienste und dass sie jederzeit und an jedem Ort auf Informationen aller Art zugreifen können. Die tatsächliche Ausstattung am Arbeitsplatz spiegelt das noch nicht wider. Das einfachste Beispiel ist die Rückerstattung von Reisekosten: Warum kann man heutzutage einen Taxi- oder Bewirtungsbeleg nicht einfach mit dem Smartphone fotografieren und der Rest des Prozesses erfolgt automatisch im Hintergrund, ohne dass der Mitarbeiter noch etwas tun muss? Bei den meisten Unternehmen geht so etwas nicht, obwohl es technisch einfach umzusetzen wäre. Statt intuitiver, einfach zu bedienender Programme und Apps ist gängige Unternehmenssoftware oft schwerfällig, zeitaufwendig und wenig nutzerfreundlich. Unsere Empfehlung ist daher ganz klar: Unternehmen sollten besser heute als morgen beginnen, ihre digitalen Anwendungen, Kommunikationskanäle wie auch übergreifend die gesamte „Employee Experience“ an die Erwartungen, veränderten Arbeitsweisen und neuen Anforderungen ihrer Mitarbeiter anzupassen. Denn nur so werden sie die besten Köpfe für sich gewinnen, halten und gemeinsam das Beste aus dem Talentpotenzial heraus holen.
Haufe Online-Redaktion: Wie müssen Unternehmen ihre Strukturen und Prozesse verändern, um der digitalen Arbeitswelt gerecht zu werden?
Loeffler: Viele Unternehmen haben heute immer noch eine vertikale Abteilungskultur, in der sich Mitarbeiter auf ihr abgegrenztes, funktionelles Verantwortungsfeld beschränken. Erfahrungen aus dem Silicon Valley zeigen jedoch, dass sich ziel- und gestaltungsorientierte Organisationsmodelle nicht nur bei kleinen Startups, sondern auch bei den hocherfolgreichen „Big Techs“ sehr bewähren. In solchen Strukturen arbeiten Mitarbeiter zielorientiert und in multidisziplinären Teams. Solche modernen Arbeitsstrukturen dienen nicht nur der Realisierung innovativer Ideen, sondern schaffen auch viele Vorteile für Mitarbeiter und ihre Karriereentwicklung. So ist die tägliche Arbeit viel stärker auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten des einzelnen Mitarbeiters zugeschnitten. All das sind sehr wichtige Faktoren für Unternehmen, um gerade die jüngeren Mitarbeitergenerationen dauerhaft für sich zu begeistern. Genau hier liegt der Grund für die zunehmende Verbreitung von Employee Experience Design (ExD), der gezielten Gestaltung des Mitarbeitererlebnisses. Dabei werden Arbeitsabläufe, Strukturen und Kulturen über die gesamte Organisation hinweg neu gedacht – durch die Brille des Mitarbeiters.
Haufe Online-Redaktion: Herr Kruse, mit welchen Techniken und Methoden lässt sich ein dynamisches Innovationsklima schaffen?
Tobias Kruse: Ein ganzheitliches Innovationsklima und eine echte Innovationskultur erzeugen in erster Linie Methoden, die eine Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg forcieren. Sie müssen darauf abzielen, jeden Mitarbeiter auf Augenhöhe zu beteiligen. Letzteres ist besonders der Generation Y wichtig. Beteiligung auf Augenhöhe ist jedoch nicht mit der Einführung einer Konsenskultur gleichzusetzen. Moderne Organisationsmodelle wie „Holacracy“ zeigen sehr gut Methoden auf, wie Beteiligung und Selbstmanagement gelingen können, ohne lange Entscheidungsprozesse zu erzeugen.
Haufe Online-Redaktion: Feste Arbeitszeiten und -orte spielen kaum noch eine Rolle in der digitalen Arbeitswelt. Welche physischen und psychischen Belastungen können damit einhergehen?
Kruse: Menschen fühlen sich in vielen Organisationsstrukturen als Rädchen im Getriebe. Sie sehen weder den Sinn ihrer Arbeit noch greifbare Ergebnisse ihrer Tätigkeit und werden oft nicht als mündiges Gegenüber behandelt. Das tötet Motivation und Innovationskraft. Um hier gegenzusteuern, sollten Unternehmen den Blick auf die Work-Life-Balance schärfen, kombiniert mit einer ausfüllenden, sinnstiftenden Tätigkeit, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Dies gilt vor allem für jüngere Generationen. Was wechselnde Arbeitsorte anbetrifft, so ist es heute mit neuen Kommunikationstools weit einfacher, auch von verschiedenen Orten aus zusammenzuarbeiten. Dies sollten Unternehmen weit stärker nutzen. Jedoch erfordern gerade innovative Methoden auch eine enge, physische Zusammenarbeit. Daher ist es für uns wichtig, dass Projektteams die meiste Zeit gemeinsam an einem zentralen Punkt sitzen, das heißt, in erster Linie vor Ort in unserem Studio. Darüber hinaus arbeiten wir auch viel mit Haptik – zum Beispiel Whiteboards und Papier –, weil dadurch Ideen oft fokussierter und anschaulicher vermittelt werden können. All dies trägt zur Entlastung und Motivation bei.
Haufe Online-Redaktion: Herr Loeffler, was kann das Personalmanagement zum Kulturwandel beitragen?
Loeffler: Sinnstiftung ist eine zentrale Aufgabe für die zukunftsorientierte Mitarbeiterführung. Sie beinhaltet vor allem drei Schlüsseldimensionen: Unternehmen sollten erstens für die Mitarbeiter Freiräume schaffen. Damit Menschen am Arbeitsplatz die Initiative ergreifen können, müssen jedoch zugleich Prozesse klar definiert sein. Inspirierte Mitarbeiter sollten sich auf das konzentrieren können, was ihnen wichtig ist und wo sie ihr Talent und ihre Erfahrung auch tatsächlich einbringen können. Zweitens müssen Unternehmen ihre Mitarbeiter weit stärker als Persönlichkeiten behandeln, denen man eigenständige Entscheidungen zutraut. Sie möchten sich als Teil eines großen Ganzen fühlen. Hinzu kommt drittens eine Kultur der Anerkennung. Schließlich werden Mitarbeiter nicht allein mit Geld bezahlt, sondern auch durch Gemeinschaftsgefühl, Lob und Unterstützung, etwa durch eine geeignete Arbeitsausstattung.
Haufe Online-Redaktion: In dem Maße, in dem Arbeitsbeziehungen virtualisiert werden, verlieren sich die Bindungskräfte einer Organisation. Sind Digital Workers per se illoyal?
Loeffler: Karrieren verlaufen heute nicht mehr so gradlinig wie früher. Viele Mitarbeiter sehen ihre berufliche Entwicklung heute eher als eine Abfolge kürzerer Einsätze. Außerdem rechne ich damit, dass wir in den kommenden Jahren ein „philosophisches Tauziehen“ zwischen vier Generationen von Mitarbeitern mit jeweils eigenen Vorstellungen sehen werden. Auf der einen Seite stehen die eher traditionell geprägten Baby Boomer und die Generation X, auf der anderen Seite die Millennials und Mitglieder der Generation Z, die sich oft nicht langfristig an ein Unternehmen binden wollen und denen die soziale Komponente eines Jobs wichtiger ist. Beide Gruppen werden die Zukunft von Arbeitgebern maßgeblich beeinflussen. Erst eine zugeschnittene Mitarbeitererfahrung wird neue Bindungskräfte der Talente an Unternehmen schaffen.
Das Interview führte Christoph Stehr.
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