Capability Building zur Strategieumsetzung

Wer sich für eine Strategie ent­schieden hat, steht vor der Heraus­forderung, sie wirksam umzusetzen. Allzu häufig bleibt es jedoch beim Versuch. Damit die Umsetzung gelingt, kann das Konzept Capability Building helfen.

Viele Unternehmen entwickeln strategische Konzepte und investieren dafür erheblich Zeit und Geld – die erwarteten Ergebnisse bleiben jedoch häufig aus. Das kann mehrere Ursachen haben: Die Strategien sind zu komplex oder die Zielsetzungen unklar formuliert ("Verstehen"), es mangelt an operativen Fähigkeiten ("Können") oder kulturelle Widerstände sowie fehlende Motivation verhindern die Umsetzung ("Wollen"). Dieses Phänomen bezeichnen wir als Strategie-Umsetzungs-Gap: die Lücke zwischen dem, was geplant ist, und dem, was tatsächlich realisiert wird.

Doch ein entscheidender Faktor wird häufig übersehen: In vielen Fällen fehlen die notwendigen Capabilitys, um die Strategie gezielt in die operative Praxis zu überführen.

Capabilitys sind mehr als Skills

Aber was sind Capabilitys eigentlich? Eine Capability umfasst die Gesamtheit von Prozessen, Rollen, Wissen und Ressourcen, die eine Organisation befähigt, ein bestimmtes strategisches Ziel zu erreichen. Capabilitys sind mehr als nur die Fähigkeiten einzelner Mitarbeitender – sie sind dafür entscheidend, dass Unternehmen notwendige Veränderungen gestalten und auf Marktveränderungen reagieren können. Indem Unternehmen Capabilitys gezielt aufbauen, können sie nachhaltige Wettbewerbsvorteile erzielen und langfristig erfolgreich sein. 

Eine Capability umfasst folgende vier Dimensionen:

  • Organisation, dazu zählen Teams, Rollen, Gremien und Skills
  • Prozesse wie Abläufe, Richtlinien und Aktivitäten
  • Informationen wie Daten und Fachwissen
  • Ressourcen, zum Beispiel IT, Tools und Systeme

Capabilitys sind essenziell, um den oft kritischen Strategie-Umsetzungs-Gap zu schließen: Sie bilden die Brücke zwischen strategischer Planung und operativer Umsetzung. Kern des Capability Building ist die Gap-Analyse. Sie vergleicht den Ist-Zustand (welche Capabilitys sind vorhanden und wie effektiv sind sie?) mit dem strategischen Soll-Zustand (welche Capabilitys werden benötigt, um die strategischen Ziele zu erreichen?). Mithilfe der Gap-Analyse werden die Lücken identifiziert, die geschlossen werden müssen, um die Unternehmensstrategie umsetzen zu können. Es wird ermittelt, welche operativen Bausteine wie etwa Prozesse, Rollen und Technologien fehlen, woraus dann konkrete Entwicklungspläne entstehen. Für jede identifizierte Lücke werden Maßnahmen definiert: So werden beispielsweise zielgerichtete Trainings durchgeführt, Investitionen in Technologie getätigt oder externes Know-how eingekauft, wenn intern die notwendigen Capabilitys fehlen.

In unserem Schritt-für-Schritt-Ansatz für Capability Building zeigen wir, wie Unternehmen Capabilitys systematisch entwickeln und langfristig in ihre Organisation integrieren können.

Capabilitys definieren

Ein zentraler Aspekt bei der Definition von Capabilitys ist ihre klare, geschäftsorientierte Formulierung durch Fachexpertinnen und Fachexperten. Damit sie wirksam eingesetzt werden können, müssen sie für alle Beteiligten verständlich sein und präzise beschreiben, welchen konkreten Beitrag sie zur Wertschöpfung des Unternehmens leisten. Deshalb sollten sich Unternehmen, die Capabilitys aufbauen wollen, zunächst überlegen, wofür genau sie diese benötigen. Die Organisation sollte klar definieren, welche strategischen Ziele sie verfolgt und welche spezifischen Fähigkeiten erforderlich sind, um diese erfolgreich umzusetzen.

Ein bewährtes Instrument, um strategische Handlungsfelder zu identifizieren und sie in den operativen Kontext zu übertragen, kann etwa ein Digital Maturity Assessment (DMA) sein. Bei diesem wird der digitale Reifegrad des Unternehmens systematisch analysiert und bewertet. Evaluiert werden die Dimensionen Technologie, Datenmanagement, Customer Experience und Organisation, um daraus klare strategische Prioritäten abzuleiten.

Im folgenden Abschnitt wird nun der Schritt-für-Schritt-Ansatz, um Capabilitys strukturiert zu entwickeln, anhand eines beispielhaften Anwendungsfalls verdeutlicht.

Capability Building: Anwendungsfall 

In unserem Anwendungsfall hat ein Unternehmen das Ziel, sowohl effizienter als auch produktiver zu werden, indem es generative Künstliche Intelligenz (KI) einsetzt. Das Unternehmen verfügt bereits prinzipiell über die Capability, um generative KI an unterschiedlichen Stellen der Wertschöpfung zielgerichtet und nachhaltig einzusetzen. 

Ein Assessment stellt dann jedoch fest, dass das Unternehmen eine geringe Reife in der Nutzung von generativer KI hat. Demnach fehlt ein klares Zielbild, in welchem Ausmaß und in welcher Form der Einsatz erfolgen soll. Zudem wird KI unkoordiniert eingesetzt. Die strategische Entscheidung lautet also: generative KI gezielt implementieren, um Produktivität und Effizienz zu steigern.

Schritt 1: Die Capability Map 
Um zu verstehen, welche Capabilitys auf- und ausgebaut werden müssen, sollten sich die Verantwortlichen zuerst einen Überblick verschaffen: Es gilt zu prüfen, welche Capabilitys bereits vorhanden sind und wo es Lücken gibt. Daher sollte zunächst eine Capability Map erstellt werden.

Eine Capability Map skizziert die Unternehmensstruktur und macht sichtbar, welche Bausteine der Wertschöpfung fehlen oder ausgebaut werden müssen. Dies erfolgt sowohl top-down – ausgehend von den Unternehmenszielen – als auch bottom-up, also ausgehend von operativen Herausforderungen.

In unserem Anwendungsfall zeigt das Mapping, dass im Unternehmen keine Rollen für die KI-Strategie und die Implementierung definiert wurden. Die Prozesse für die Nutzung von generativer KI sind nicht standardisiert und es gibt keine Governance-Strukturen oder klaren Verantwortlichkeiten.

Schritt 2: Die Gap-Analyse 
Im Anschluss an die Bestandsaufnahme ist es wichtig, den Ist-Zustand mit dem Soll-Zustand zu vergleichen. Die Gap-Analyse hilft dabei, operative Baustellen zu identifizieren und daraus Maßnahmen abzuleiten. Um die Entwicklungspläne zu erstellen, müssen zuvor die folgenden drei Fragen geklärt werden: 

  • Welche Capabilities fehlen komplett? 
  • Welche müssen weiterentwickelt werden? 
  • Welche Rollen und Ressourcen müssen geschaffen werden? 

Zu den anschließend definierten Maßnahmen könnten beispielsweise zielgerichtete Trainings oder Investitionen in Technologie gehören. Die Analyse beim vorliegenden Anwendungsfall ergibt, dass das Unternehmen über keine klaren Prozesse für KI-gestützte Workflows verfügt. Zudem fehlen strukturierte Datenflüsse, Standards für Transparenz und Compliance sowie ein übergeordnetes Data-Governance-Framework.

Schritt 3: Priorisierung der Maßnahmen und Start des Capability Building 
Die Lücken sind erkannt – jetzt geht es an die Umsetzung. Um den größtmöglichen Nutzen für die Organisation zu erzielen, gilt es, gezielt Maßnahmen zu priorisieren. Dabei spielen drei zentrale Kriterien eine Rolle: Wie strategisch relevant ist die Maßnahme, welche Ressourcen werden dafür benötigt, und mit welchem Zeithorizont soll sie umgesetzt werden. Im Fokus sollten Maßnahmen stehen, die am stärksten auf die Unternehmensstrategie einzahlen und jene, die am schnellsten dazu beitragen, die Ziele zu erreichen. Gleichzeitig muss geprüft werden, welche Maßnahmen intern umgesetzt werden können und wo externe Unterstützung erforderlich ist. Zudem spielt der Zeithorizont eine entscheidende Rolle – während einige Maßnahmen schnelle Erfolge bringen, erfordern andere eine langfristige Investition.

Die Maßnahmen im Anwendungsfall wären dann:

  • Kurzfristige Maßnahme: Governance-Strukturen und klare Rollen wie Prompt Engineer und KI- Strategist einführen
  • Mittelfristige Maßnahme: Prozesse zur KI-Nutzung entwickeln und standardisieren, beispielsweise durch abgestimmte Datenflüsse und Workflow-Automatisierung
  • Langfristige Maßnahme: KI-Workflows in bestehende IT-Infrastruktur integrieren und durch Feedbackschleifen kontinuierlich optimieren

Schritt 4: Erfolgsmonitoring und kontinuierliche Optimierung
Capabilitys sind keine einmalige Investition. Unternehmen müssen sie kontinuierlich weiterentwickeln, um sich verändernden Marktbedingungen anzupassen. Voraussetzungen dafür sind klare Messkriterien – Key Performance Indicators – und eine lernende Unternehmenskultur. Letztere bedeutet, dass das Unternehmen die Mitarbeitenden schult, regelmäßige Feedbackschleifen durchführt und bestehende Capabilitys evaluiert.  

Mithilfe des Monitorings sollte das Unternehmen also im vorliegenden Anwendungsfall prüfen, ob die Produktivität durch den Einsatz von generativer KI messbar gestiegen ist. Neue Anwendungsfälle müssen regelmäßig evaluiert und in die bestehende Struktur integriert werden. Schulungen für Mitarbeitende stellen sicher, dass sie den Umgang mit der Technologie kontinuierlich verbessern.

Mit Capability Building Zukunftsfähigkeit sichern

Capabilitys sind der entscheidende Baustein, um Unternehmen langfristig erfolgreich und wettbewerbsfähig zu machen. Wer gezielt Capabilitys aufbaut, kann strategische Visionen nicht nur formulieren, sondern auch operativ umsetzen. Der vorgestellte Schritt-für-Schritt-Ansatz hilft dabei, Capabilitys strukturiert zu entwickeln und sie nachhaltig im Unternehmen zu verankern. Denn nur wenn Strategie und Umsetzung eng verzahnt sind, gelingt eine zukunftsfähige Organisationsentwicklung.

Dieser Beitrag ist erschienen in Personalmagazin 6/2025. Als Abonnent haben Sie Zugang zu diesem Beitrag und allen Artikeln dieser Ausgabe in unserem Digitalmagazin als Desktop-Applikation oder in der Personalmagazin-App.


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Schlagworte zum Thema:  Organisationsentwicklung, Transformation