So funktioniert "Working out Loud" bei Bosch
Autos erfassen im Vorbeifahren Parklücken am Straßenrand und senden diese an Parkplatzsuchende, kleine Hightech-Labore, nicht viel größer als ein Schuhkarton, überwachen in Echtzeit die Luftqualität in Städten und helfen damit dem Verkehrsmanagement – das sind nur zwei Lösungen für die vernetzte Stadt von morgen, die wir schon heute testen und auf den Markt bringen. Die Digitalisierung und die Vernetzung unterschiedlichster Produkte im Internet of Things (IoT) verändern den Alltag in einer bisher ungekannten Art und Weise. Und sie verändern auch die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten. In der vernetzten Welt ist die Zusammenarbeit über Bereichs- und Unternehmensgrenzen hinweg, der schnelle Austausch von Wissen sowie Zugang zu Institutionen und Personen, zu denen man bisher keinen Kontakt hatte, erforderlich.
Digitale Transformation: Kultureller Wandel mit Working out loud
Wie aber bekommt man diesen Zugang zu Personen, die man nicht kennt? Wie vernetzt man sich immer wieder themenspezifisch mit den richtigen Experten, und das nicht nur intern, sondern auch extern? Wie teilt man wertschöpfend Wissen, diskutiert komplexe Fragestellungen und Ideen, um von anderen zu lernen und die eigene Arbeit zu verbessern? Für Bosch ist eine Antwort auf diese Fragen die Methode "Working Out Loud" (WOL).
Um den Austausch über Abteilungen, Länder und Hierarchien hinweg zu fördern, führte Bosch bereits 2013 ein Enterprise Social Network (ESN) namens Bosch Connect ein. Es handelt sich dabei um eine unternehmensweite Plattform zur transparenten Zusammenarbeit. Neben Arbeitsbereichen für Teams, Communitys genannt, stellt sie für jeden Mitarbeiter ein Profil bereit, mit dem er oder sie sich, die eigene Expertise und Arbeit darstellen kann. Das erleichtert die Suche nach Experten und Expertise, auch wenn man weder Namen noch Funktion kennt. Rund 200.000 Mitarbeiter nutzen heute regelmäßig die Plattform, es existieren mehr als 30.000 fachliche und interessenorientierte Communitys.
Es nutzen jedoch noch nicht alle Mitarbeiter Bosch Connect. Ein Grund dafür ist, dass das Arbeiten in einem Netzwerk und in Communitys völlig anders funktioniert als mit E-Mail und Dokumenten. Jeder im Unternehmen kann sehen, was ich poste? Jeder kann kommentieren, woran ich arbeite? Wir haben daher nach einem Weg gesucht, der die Scheu nimmt und gleichzeitig die Chancen zeigt, die in dieser neuen Arbeitsweise liegen: Mitarbeiter profitieren durch frühes, konstruktives Feedback und Hinweise von Personen, die sie von sich aus nicht gefragt hätten. Uns war klar, dass wir dieses Vorhaben nicht wie den Rollout eines Software-Tools handhaben können – sechs Monate und alles ist abgeschlossen. Denn die Veränderung der Arbeitsweise ist vor allem eines: ein tief greifender, kultureller Wandel.
Working Out Loud Circle bei Bosch starteten im Jahr 2015
In diesem Zusammenhang wurden wir Ende 2013 erstmals auf Working Out Loud aufmerksam. Zu diesem Zeitpunkt gab es weder das Buch Working Out Loud noch die WOL Circle-Methode – sondern nur John Stepper, der alle zwei Wochen seine Ideen in einem Blogpost mit der Welt teilte. Es vergingen weitere zwei Jahre, bis wir überlegten, ob und wie wir diese Methode nach Deutschland holen könnten. Wir probierten die Circle-Methode zunächst privat aus – und waren schon in Woche drei so davon überzeugt, dass wir im September 2015 die ersten "Working Out Loud Circle" bei Bosch starteten. Ohne offiziellen Auftrag, ohne Budget, und betrieben als Graswurzelinitiative. Dabei begann unsere bis heute sehr enge Zusammenarbeit mit John Stepper, um das Circle-Programm, das ursprünglich für Privatpersonen konzipiert worden war, an die Bedürfnisse von Unternehmen anzupassen.
Wir starteten mit zehn Circles. Die Teilnehmer fanden wir über unsere privaten Netzwerke innerhalb des Unternehmens und über eine öffentliche Ausschreibung in Bosch Connect. Weil das Feedback aus diesen Circles so positiv war, veranstalteten wir schon im November 2015 die erste Working Out Loud Conference (#WOLCON) mit John Stepper bei Bosch, um die Methode einem breiteren Publikum vorstellen zu können. Das Interesse war riesig. Daher gründeten wir im März 2016 das Working-Out-Loud-Co-Creation-Team. Gleichzeitig wurde Working Out Loud als Methode zur vernetzten Zusammenarbeit und des community-basierten Arbeitens Teil des zentralen Projekts "Agile Company in the Digital Age". Die Gruppe von damals sechs und heute zehn begeisterten Freiwilligen mit ganz unterschiedlichen Talenten betreibt bis heute als Co-Creation Team die Initiative. Um allen interessierten Mitarbeitern eine Teilnahme an einem Circle zu ermöglichen, werden viele Prozesse, wie zum Beispiel die Anmeldung, die Zusammenstellung der Circles und das Einrichten von geschlossenen Lerncommunitys für die Zusammenarbeit im Circle, manuell erledigt.
WOL ist flexibel und lässt sich in den Arbeitsalltag integrieren
Was uns von Anfang an so an Working Out Loud (WOL) begeisterte, war die Einfachheit der Methode und die Möglichkeit, sie flexibel in den Arbeitsalltag integrieren zu können. Eine kleine Gruppe von vier bis fünf Personen, ein sogenannter WOL Circle, trifft sich über zwölf Wochen hinweg einmal pro Woche für eine Stunde. In dieser Stunde wird gemeinsam nach der vorgegebenen Agenda, dem sogenannten Circle Guide, gearbeitet. Dabei werden verschiedene Übungen allein oder auch gemeinsam absolviert. Durch Diskussionen, Reflexionen und Feedback lernt jeder mit und von den anderen Teilnehmern. Für die Dauer der zwölf Wochen nimmt sich jeder ein persönliches Ziel vor, welches mithilfe eines extra dafür aufgebauten Netzwerks erreicht werden soll.
Was uns an Working out Loud begeisterte, war die Einfachheit der Methode und die Möglichkeit, sie flexibel in den Arbeitsalltag integrieren zu können. #WOL bei #Bosch
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Jeder Mitarbeiter kann so in kleinen Schritten mit seinem Circle genau das lernen, wofür er sich interessiert. Ob ich meine Wohnung zu einem "Smart Home" umbauen, mehr über Blockchain-Technologie lernen oder mich in meiner jetzigen beruflichen Aufgabe weiterentwickeln möchte, spielt dabei keine Rolle: die Mechanismen des netzwerk-basierten Arbeitens lerne ich sowohl mit einem privaten als auch mit einem beruflichen Ziel. Deswegen gibt es bei Bosch auch keine Vorgabe, welche Art von Zielen Mitarbeiter in ihrem jeweiligen Circle verfolgen müssen.
Circle-Programm macht Vorteile der Vernetzung für die Mitarbeiter greifbar
Das Circle-Programm übersetzt die Unternehmensstrategie der Vernetzung in greifbare Vorteile für den Mitarbeiter: Ich baue ein zielorientiertes Netzwerk auf, das mir hilft, meinem Ziel näherzukommen. Dabei erfahre ich, dass ich mithilfe dieses Netzwerks fast alle Aufgaben schneller, effizienter und mit mehr Spaß an der Sache erledigen kann. Zudem setzt Working Out Loud komplett auf die intrinsische Motivation der Mitarbeiter – die Wahl des persönlichen Ziels, das mich begeistert, hilft mir, über die zwölf Wochen hinweg am Ball zu bleiben und netzwerk-basiertes Arbeiten mit positiven Erfahrungen zu verbinden. Das erklärt auch, warum Working Out Loud nicht verordnet oder top-down ausgerollt werden kann.
Working Out Loud verbreitet sich über Weiterempfehlung
Bis heute haben bei Bosch bereits über 1.000 Mitarbeiter aus mehr als 40 Ländern an einem Circle teilgenommen. Die Methode verbreitet sich in Europa ebenso wie in den USA oder auch China und Indien. Und das ohne Kommunikationskampagne, überwiegend auf Basis von Weiterempfehlungen: 98 Prozent der Teilnehmer eines "Working Out Loud Circle" geben im Abschlussfeedback an, die Methode und das Circle-Programm ihren Kollegen weiterzuempfehlen. Alle Informationen rund um die Initiative Working Out Loud und wie man an dem Programm teilnehmen kann finden sich in einer offenen Community in Bosch Connect. Dort hat jeder Circle auch seinen vertraulichen Arbeitsbereich, in dem die Teilnehmer üben, ihre Fortschritte dokumentieren und sich miteinander austauschen können.
Viele Teilnehmer geben uns die Rückmeldung, durch ihre Teilnahme an einem Working Out Loud Circle besser zu verstehen, wie sie das ESN und externe Social-Media-Plattformen für ihre Arbeit einsetzen können und wie sie dadurch an für sie relevante Informationen und Kontakte kommen.
Working Out Loud funktioniert jenseits von Hierarchien
Working Out Loud ist für uns aber viel mehr als nur ein Trainingsprogramm zur effizienten Nutzung von Bosch Connect. Es steht für eine Einstellung und eine Art zu arbeiten: vernetzt, offen, basierend auf Resonanz und somit im Netzwerk sichtbar und wertschöpfend für alle Beteiligten. Sich über Working Out Loud zu vernetzen bedeutet nicht, wahllos Kontakte zu sammeln. Es geht darum zu lernen, wie man sich zielgerichtet mit Experten vernetzt und stabile Beziehungen aufbaut, die einen bei spezifischen Fragestellungen unterstützen und weiterbringen. Dadurch ist die Methode auch interessant für Mitarbeiter, die schon über fortgeschrittene digitale Kompetenzen verfügen.
Working out Loud ist für uns viel mehr als nur ein Trainingsprogramm. Es steht für eine Einstellung und eine Art zu arbeiten: vernetzt, offen, basierend auf Resonanz und somit im Netzwerk sichtbar und wertschöpfend für alle Beteiligten. #WOL bei #Bosch
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Einer unserer Kollegen hat zum Beispiel mithilfe von WOL einen IoT-Start-up-Inkubator in den USA ins Leben gerufen. Ein anderer Topmanager berichtet von gesteigerter Effizienz und Qualität in seiner Abteilung. Der Austausch funktioniert jenseits von hierarchischen Grenzen. Jeder Teilnehmer kann vom anderen lernen und vom Netzwerk des anderen profitieren..
Und noch ein Ziel verfolgen wir mit Working Out Loud: die Entwicklung einer agilen Haltung. Um die komplexen Fragestellungen müssen sich immer wieder neue informelle, themenbezogene Netzwerke innerhalb und über das Unternehmen hinaus bilden.
Unterstützung der Bottom-up-Initiative durch das Topmanagement
Seit letztem Jahr unterstützt unser Arbeitsdirektor Christoph Kübel als Schirmherr Working Out Loud. Ihm ist es persönlich wichtig, da vernetztes Arbeiten und das Nutzen digitaler Möglichkeiten grundlegende Fähigkeiten im digitalen Zeitalter für uns alle sind. Auch unser Vorsitzender der Geschäftsführung, Volkmar Denner, hält Working Out Loud für eine wichtige Kompetenz im Transformationsprozess. Denn die Fähigkeit, über Bereichs- und Ländergrenzen hinweg schnell und effizient Wissen zu generieren und zu teilen, wird immer wichtiger. Die Unterstützung durch das Topmanagement und der Wandel von einer reinen Graswurzelinitiative hin zu einer festen Verankerung der Methode im Trainingsprogramm ist im Übrigen ein Ziel unserer eigenen Circles gewesen – dessen Erreichung sich über drei Circles erstreckt hat. Auch das ist das Schöne an dem Programm: es lässt sich mehrfach wiederholen, um weitere Ziele zu erreichen.
Gewinn des HR Excellence Awards
Für 2018 haben wir uns viel vorgenommen: Neben dem Topmanagement unterstützen uns auch die zentrale IT, die Verantwortlichen für Training und Mitarbeiterentwicklung und der zentrale HR-Bereich – also die drei Bereiche, die zuständig sind für Toolset, Skillset und Mindset. Diese Unterstützung wollen wir nutzen, um international zu skalieren und so noch deutlich mehr Mitarbeiter mit der Methode vertraut zu machen. Und wir wollen uns mit anderen Initiativen vernetzen und sehen, wie Working Out Loud zu Themen wie Innovation, Diversity, Agiles Arbeiten, User Experience und Design Thinking passt.
Unsere externen Aktivitäten werden wir fortführen. Als Gründungsmitglied der deutschen Working Out Loud Community of Practice, kurz WOL CoP, arbeiten wir eng mit acht Großkonzernen zusammen. Hier unterstützen wir uns gegenseitig mit Konzepten und Ideen, um voneinander zu lernen. Uns ist es wichtig, dass wir die Prinzipien von Working Out Loud nicht nur nach innen verbreiten, sondern diese vorleben und weitergeben, auch extern. Denn in der digitalen Transformation werden nicht die Firmen überleben, die versuchen, allen Herausforderungen allein gerecht zu werden, sondern diejenigen, die in der Lage sind, sich mit anderen zusammenzutun und gemeinsam Mehrwerte zu schaffen. Für diese Idee hat die WOL CoP letztes Jahr im November den „HR Excellence Award im Bereich Mitarbeiterengagement und Zusammenarbeit“ gewonnen.
#WOL entfacht Begeisterung, weil es um die persönliche Begegnung von Menschen geht, fernab von Funktion, Rolle oder Aufgabe. Menschen, die eins gemeinsam haben: die Veränderung als Chance zu sehen und mit anderen gemeinsam zu lernen, den bestmöglichen Weg für sich selbst zu finden. #Bosch
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Und so werden wir demnächst auch die Erkenntnisse aus unserem neuesten Piloten mit den anderen Unternehmen teilen: ein mit vier zusätzlichen Veranstaltungen begleiteter WOL-Programmdurchlauf mit 320 Teilnehmern aus 25 Ländern, 84 Standorten und 34 unterschiedlichen Bereichen. Ein für uns bisher einmaliges Erlebnis, verbindet es doch die analoge mit der digitalen Welt: die Events werden aus Stuttgart live per Webcast in die Welt übertragen, der Austausch mit den internationalen Kollegen erfolgt in englischer Sprache über einen Live-Chat im Forum der WOL Community auf Bosch Connect. Die Praxisübungen werden zudem in Kleingruppen gemacht, die sich an den verschiedenen Standorten selbst organisieren und über Skype austauschen. Und auch hier klar wahrnehmbar: die Begeisterung, die die WOL-Methode entfacht. Warum? Weil es hier um die persönliche Begegnung von Menschen geht, fernab von Funktion, Rolle oder Aufgabe. Menschen, die alle eines gemeinsam haben: die Veränderung als Chance zu sehen und mit anderen gemeinsam zu lernen, den bestmöglichen Weg für sich selbst zu finden.
Die Autorinnen:
Monika Struzek ist Corporate Chief Community Manager @IT bei Bosch.
Katharina Krentz ist Consultant New Work & Digital Collaboration bei Bosch.
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