Tz. 75

Wird die Kapitalrücklage aufgelöst und als Bilanzgewinn den Anteilseignern zurückgewährt, ist die Wirkung bei diesen umstritten. Eine Ansicht will den Ertrag durch Abschreibung auf die Beteiligung neutralisieren[248]; die Gegenauffassung will auch diesen Betrag als Beteiligungsertrag vereinnahmen[249]. Sie verweist darauf, dass die Kapitalrücklage kraft Gesetzes als Teil des Bilanzgewinns tauge, jedoch der Bilanzgewinn gem. § 170 Abs. 2 AktG, § 29 GmbHG nur ausgeschüttet, als Gewinn vorgetragen oder in Gewinnrücklagen eingestellt werden kann. Eine Rückführung in die Kapitalrücklage sei nicht möglich.[250] Mithin soll eine Umbuchung von Kapital- in Gewinnrücklage (soweit gesellschaftsrechtlich möglich) zulässig sein und auch nach Ausschüttung beim Anteilseigner als Ertrag zu verbuchen sein.[251] Zutreffend ist die erstgenannte Ansicht mit der actus-contrarius-Theorie.[252] Wenn Einlagen in die Kapitalgesellschaft in deren Kapitalrücklage zu buchen sind und beim Anteilseigner den Beteiligungswert erhöhen, muss beim Rückfluss der Beteiligungswert berichtigt werden. Andernfalls würde der Gesellschafter zum Ausweis seiner Beteiligung auf stille Reserven zurückgreifen.[253] Die Argumentation der Gegenauffassung mit der Verbuchung nach Auflösung ist wenig überzeugend. Wird eine Kapitalrücklage aufgelöst und als Bilanzgewinn den Gesellschaftern angeboten und lehnen diese eine Ausschüttung ab, dann ist diese wieder in die Kapitalrücklage zurückzubuchen. Aus § 170 Abs. 2 AktG oder § 29 GmbHG ergibt sich nichts anderes. § 170 Abs. 2 AktG regelt lediglich die Kompetenz des Vorstands mit Blick auf seinen Verwendungsvorschlag. Dass hier die Einbuchung in der Kapitalrücklage nicht erwähnt ist, versteht sich von selbst. Was geschieht, wenn dem die Hauptversammlung nicht folgt, ist nicht geregelt. Der Betrag muss wieder in die Kapitalrücklage eingebucht werden.

 

Tz. 76

Ein Sonderproblem ist mit der Frage verknüpft, wie Kapitalrücklagen gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB zu behandeln sind, wenn eine GmbH in eine AG umgewandelt wird. Zwingt man zu einer Fortführung an besagter Position, würde eine einst ausschüttbare Rücklage nunmehr besonderen Restriktionen gem. § 150 Abs. 3, Abs. 4 AktG unterworfen.[254] Die Gegenauffassung will eine Umgliederung in eine Rücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB zulassen, um die freie Verfügbarkeit zu erhalten.[255] Ihr Argument, dass es andernfalls Umgehungsmöglichkeiten gebe, beruht auf dem abgelehnten Gedanken, dass Kapitalrücklagen in Gewinnrücklagen umgewandelt werden können (s. o.). Hingegen kann die Verschlechterung der Zugriffsmöglichkeiten durch Fortführung der Rücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB hingenommen werden. Der Formwechsel einer GmbH in eine AG entfaltet gedanklich Rückwirkung – wenn der Rechtsträger sofort als AG gegründet worden wäre, wären die Rücklagen auch nicht ausschüttbar. Zudem besteht die Alternative zur Umwandlung in der Gründung einer AG und der Einbringung des aus der Auflösung der GmbH gewonnenen Vermögens – auch hier würden Rücklagen gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 AktG gebildet.

[248] IDW RS HFA 18 Rn. 26; ADS, § 253 Rn. 49; Deubert/Hoffmann, Der Konzern 2014, 154 (156 und 160); Oser, WPg 2014, 555 ff.; Schulze-Osterloh, Ausweis und Bewertung von Beteiligungen an kapitalgesellschaften im Jahresabschlus des Gesellschafters, in: Forster/Grunewald/Lutter/Semler (Hrsg.), Aktien- und Bilanzrecht, Festschrift für Bruno Kropff, Düsseldorf 1997, 605 (616).
[249] Hennrichs, in: Krieger/Lutter/Schmidt, FS Hoffmann-Becking, 511 (517 ff.); W. Müller, DB 2000, 533 (535 ff.); Schubert/Gadek, in: BeckBilKo, § 255 HGB Rn. 171.
[250] Insbesondere Hennrichs, in: Krieger/Lutter/Schmidt, FS Hoffmann-Becking, 511 (519).
[251] Insbesondere Hennrichs, in: Krieger/Lutter/Schmidt, FS Hoffmann-Becking, 511 (520).
[252] Besonders deutlich Schulze-Osterloh, Ausweis und Bewertung von Beteiligungen an kapitalgesellschaften im Jahresabschluss des Gesellschafters, in: Forster/Grunewald/Lutter/Semler (Hrsg.), Aktien- und Bilanzrecht, Festschrift für Bruno Kropff, Düsseldorf 1997, 605 (614 ff.).
[253] A. A. W. Müller, DB 2000, 533 (536 f.): Realisationsprinzip erfasst nicht Offenlegung einer stillen Reserve in der Beteiligung durch Ausschüttung.
[254] So z. B. Förschle/Hoffmann, Sonderbilanzen, L 151.
[255] Hennrichs, in: Krieger/Lutter/Schmidt, FS Hoffmann-Becking, 511 (522 f.).

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