Prof. Dr. Alexander Kratzsch
Rz. 50
Die BMF-Auffassung ist als zu restriktiv abzulehnen, zumal sich aus dem Wortlaut des § 7g EStG a. F. nicht ableiten lässt, dass eine Geltendmachung nach Durchführung der Investition ausscheidet. Fraglich ist allerdings dennoch, ob schon vor Ablauf von 2 Jahren eine nachträgliche Geltendmachung ausscheiden kann. Eine Rücklagenbildung gem. § 7g EStG a. F. (Ansparrücklage) musste "zeitnah" in in einer Aufzeichnung festgehalten werden, damit eine rechtzeitige Konkretisierung angenommen werden kann. "Zeitnah" heißt innerhalb der einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entsprechender Zeit. Soweit daher kein Sonderfall vorliegt (Betrieb in Gründung, wesentliche Erweiterung, vgl. Rz. 39ff.), genügt für eine Konkretisierung der Investitionsabsicht m. E. grundsätzlich eine Glaubhaftmachung, dass die Investitionsabsicht bestand. Ein voller Nachweis wird in Sonderfällen wie z. B. in Gründungsfällen bzw. wesentlicher Betriebserweiterung erforderlich sein (vgl. Rz. 39ff.). Die Nachholung eines zunächst unterlassenen Abzugsbetrags scheidet m. E. vor dem Hintergrund dieser Auffassung in der Regel aus, soweit der Steuerpflichtige nicht glaubhaft machen kann, dass er
- den Abzug nur versehentlich nicht geltend gemacht hat oder
- Investitionsabsicht bestand, aus bestimmten Gründen aber bisher von der Geltendmachung abgesehen hat (z.B, weil der Gewinn nicht sehr hoch war, nun aber aufgrund einer Betriebsprüfung erhöht wurde). Insoweit empfiehlt es sich m. E., im Falle eines nicht vorgenommenen Abzugs diesen Umstand als Anlage zur Gewinnermittlung zu kennzeichnen, um die spätere Glaubhaftmachung einer Investitionsabsicht zu erleichtern.
Dass zum Zeitpunkt der Geltendmachung bereits investiert wurde, ist danach unschädlich (gl. A. Schmidt/Kulosa, § 7g EStG a. F. Rz. 17; Meyer, in H/H/R, § 7g EStG a. F. Rz. 33; BFH v. 8.11.2006, I R 89/05, BFH/NV 2007, 671; differenzierend BFH v. 29.4.2008, VIII R 62706, BStBl II 2008, 747, vgl. unten).
Der Stpfl. I macht für das Jahr 2006 eine Ansparabschreibung nicht geltend, da sein Gewinn lediglich 30.000 EUR beträgt. Als Anlage zur Gewinnermittlung erklärt er, dass in den nächsten 3 Jahren ein nahezu ausschließlich betrieblich zu nutzender PKW angeschafft werden soll und die voraussichtlichen Anschaffungskosten 50.000 EUR betragen.
Wird der Gewinn nun für 2006 im Rahmen einer Betriebsprüfung erhöht, kann I, soweit die Größenmerkmale erfüllt sind, gewinnmindernd eine Ansparabschreibung in Höhe von 40 % von 50.000 EUR = 20.000 EUR abziehen und damit das Mehrergebnis laut BP rückgängig machen.
Das Kriterium des Finanzierungszusammenhangs steht in zweierlei Widerspruch zu zwei Prämissen der BFH-Rspr.: Zum einen versteht der BFH den Finanzierungszusammenhang als nicht widerlegbar, d. h. trotz Nachweis, dass eine Investitionsabsicht bestanden hat, soll im Falle einer Geltendmachung erst nach Ablauf der Investitionsfrist eine Bildung ausscheiden. Dies erscheint sinnwidrig. Zum anderen ist eine Glaubhaftmachung der Investitionsabsicht zur Inanspruchnahme der Vergünstigung des § 7g EStG a. F. grundsätzlich nicht erforderlich. Wenn der Nachweis einer Investitionsabsicht aber nicht erforderlich ist, weshalb bedarf es dann einer rechtzeitigen Konkretisierung (insbesondere bei Gründung und wesentlicher Erweiterung)? Durch das Erfordernis der Konkretisierung soll in diesen Fällen u. a. sichergestellt werden, dass keine Bildung "ins Blaue hinein" erfolgt. Somit wird über diese Hintertür eine Investitionsabsicht in bestimmten Fallgruppen doch zur Tatbestandsvoraussetzung erhoben.
Insgesamt ist das Kriterium des Finanzierungszusammenhangs m. E. abzulehnen. Es lässt sich weder aus dem Wortlaut noch der Teleologie des Gesetzes ableiten. Nach dem sog. Tatbestandsprinzip muss eine belastende Einschränkung des Wortlauts aber aus dem möglichen Wortsinn des Gesetzes heraus erkennbar sein. Dies ist jedoch nicht der Fall. Es ist auch nicht eindeutig erkennbar, welche Fälle über den vom BFH hinaus entschiedenen Fall (Ablauf des Investitionszeitraums) hierdurch ausgeschlossen werden sollen. Vielmehr muss es (zumindest) ausreichen, wenn der Stpfl. innerhalb der Investitionsfrist seine Investitionsabsicht konkretisiert hat, indem er das Wirtschaftsgut seiner Funktion nach bezeichnet und dabei das beabsichtigte Anschaffungsjahr und die voraussichtlichen Anschaffungskosten benennt. Hierdurch wird der missbräuchlichen Inanspruchnahme ausreichend vorgebeugt. Darüber hinaus ist eine Rücklagenbildung ausgeschlossen, wenn die "voraussichtliche Investition" nicht mehr möglich und durchführbar ist, insbesondere
- nach Aufgabe des Betriebs,
- bei wirtschaftlicher (offenkundiger) Überforderung des Betriebs durch die behauptete Investition.
In den praktisch relevanten Fällen der nachträglichen Bildung anlässlich einer Betriebsprüfung wird es oftmals an einer rechtzeitigen Konkretisierung fehlen.
Im Übrigen ist die Rechtsprechung sehr kasuistisch geprägt und erkennbar von dem Gedanken geleitet, dass Missbrauchsfälle ...