Entscheidungsstichwort (Thema)

Berliner Zweitwohnungsteuer in sog. „Kinderzimmerfällen”. erhöhte Leistungsfähigkeit. Billigkeitserlass. Revisionszulassung bei Abweichung eines Finanzgerichts von der Rechtsprechung eines Oberverwaltungsgerichts

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es entspricht dem Willen des Gesetzgebers, die Berliner Zweiwohnungsteuer auch auf Studenten zu erstrecken, deren „Erstwohnung” das bei den Eltern kostenfrei bewohnte Kinderzimmer ist. Ein Billigkeitserlass wegen mangelnder Leistungsfähigkeit ist in solchen Fällen nicht geboten, denn es ist nicht Zweck des Billigkeitsverfahrens, einen vom Gesetzgeber nicht gewollten Befreiungstatbestand zu schaffen.

2. Bei einer Aufwandsteuer kommt es nur darauf an, ob der erfasste Aufwand typischerweise ein Ausdruck erhöhter Leistungsfähigkeit ist, nicht aber darauf, ob diese in jedem Einzelfall auch tatsächlich vorliegt.

3. Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist auch in Fällen gefährdet, in denen ein Finanzgericht von der Rechtsprechung eines Oberverwaltungsgerichts abweicht.

 

Normenkette

ZwStG Berlin §§ 1, 3; AO §§ 163, 5; GG Art. 105 Abs. 2a; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.02.2010; Aktenzeichen II R 5/08)

BFH (Beschluss vom 27.06.2008; Aktenzeichen II B 20/08)

 

Tenor

Die Zweitwohnungsteuer 2001 wird unter Änderung des Zweitwohnungsteuerbescheids 2001 vom 25.02.2002 und Aufhebung der entsprechenden Einspruchsentscheidung vom 28.08.2002 auf 42,71 Euro festgesetzt.

Die Zweitwohnungsteuer 2002 wird unter Änderung des Zweitwohnungsteuerbescheids 2002 vom 25.02.2002 und Aufhebung der entsprechenden Einspruchsentscheidung vom 28.08.2002 auf 44,85 Euro festgesetzt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird hinsichtlich der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2001 bis 2003 zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Zweitwohnungsteuer.

Mit Bescheid vom 28.12.2000 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger Zweitwohnungsteuer betreffend die Jahre 1998 bis 2000 in Höhe von jeweils 80,00 DM fest.

Hiergegen wehrte der Kläger sich vor dem Finanzgericht Berlin mittels Klage 10 K 10415/01, die er im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16.11.2001 zurücknahm. Ausschlaggebend war die Zusage des Beklagten, über eine abweichende Festsetzung der Steuer aus Billigkeitsgründen zu befinden. In dem Protokoll ist die Beklagtenvertreterin mit den Worten zitiert, sie werde im Fall der Klagerücknahme über einen Antrag des Klägers nach § 163 AbgabenordnungAO – betreffend die abweichende Festsetzung der Steuer aus Billigkeitsgründen entscheiden.

Der Kläger stellte mit Schreiben vom 10.01.2002 einen entsprechenden Antrag, welchen der Beklagte mit Bescheid vom 19.02.2002 ablehnte. Mit Bescheid vom 25.02.2002 setzte er die Zweitwohnungsteuer für 2001 auf 88,00 DM und für 2002 bis 2003 auf 45,43 Euro fest. Er legte dabei den in Kopie bei den Akten befindlichen Mietvertrag vom 24.03.1998 zugrunde. Einen anderen hatte der Kläger trotz Nachfrage – zuletzt vom 27.06.2002 nicht eingereicht. Den Einspruch des Beklagten vom 21.03.2002 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 28.08.2002 als unbegründet zurück.

Gegen die Versagung des Billigkeitserlasses und die Festsetzung von Zweitwohnungsteuer wehrt sich der Kläger mit seiner fristgerecht erhobenen Klage.

Er trägt vor, nicht leistungsfähig zu sein, insbesondere sei das Halten seiner Zweitwohnung „Studentenbude”) nicht Ausdruck einer besonderen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Ein Studentenzimmer sei auch keine „Wohnung”. Er sei ferner zwar melderechtlich gezwungen gewesen, seinen Erstwohnsitz an seinem damaligen Lebensmittelpunkt bei den Eltern in K. anzumelden. Dort habe er jedoch nicht über eine Hauptwohnung verfügt, sondern lediglich sein altes Kinderzimmer ohne Rechtsanspruch bewohnt. Denknotwendigerweise setze die Erhebung von Zweitwohnungsteuer jedoch voraus, dass der Steuerpflichtige über zwei Wohnungen verfüge. Nur dies könne die Vermutung der besonderen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit begründen. Die Ungleichbehandlung gegenüber anderen Studenten des Studentenwohnheims S., die bei ähnlicher Sachlage nicht zur Zweitwohnungsteuer herangezogen worden seien, verstoße zudem gegen Art. 3 Grundgesetz – GG –. Die Grundmiete habe zum 01.01.2001 994,57 DM statt der vom Beklagten angesetzten 1.091,54 DM betragen. Der Beklagte müsse zumindest die anteilige Miete für die außerhalb der Wohnung gelegenen Gemeinschaftsflächen aus der Bemessungsgrundlage herausrechnen.

Der Kläger beantragt,

  1. den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 19.02.2002 und die Einspruchsentscheidung vom 28.08.2002 aufzuheben und die Zweitwohnungsteuer aus dem Steuerbescheid vom 28.12.2000 für die Jahre 1998, 1999 und 2000 aus Billigkeitsgründen auf Null Euro festzusetzen.
  2. die Aufhebung des Steuerbescheides vom 25.02.2002 für die Jahre 2001, 2002 und 2003 und der Einspruchsentscheidung vom 28.08.2002,

    hilfsweise

    die Änderung des Steuerbesch...

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