Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ein laufender betrieblicher Verlust wird durch einen in dem Jahr seiner Entstehung angefallenen Sanierungsgewinn verbraucht.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 2, § 10d

 

Tatbestand

Der Bf. ist Alleininhaber eines Unternehmens, über das im Jahr 1956 ein Vergleichsverfahren eröffnet wurde, das mit einem im Oktober 1956 bestätigten Vergleich endete, nach dem die Gläubiger auf 52 v. H. ihrer Forderungen verzichteten. Aus diesem Verzicht ergab sich ein Sanierungsgewinn von 31.204 DM. Abgesehen von dem Sanierungsgewinn wies der Bf. für 1956 einen Verlust von 40.027 DM aus.

Bei der Veranlagung für 1957 ließ das Finanzamt diesen Verlust nicht gemäß § 10 d EStG 1957 zum Abzug zu, weil der Verlust bereits im Jahr 1956 durch den Sanierungsgewinn und andere positive Einkünfte ausgeglichen sei. Der Einspruch blieb im Streitpunkt ohne Erfolg.

Die Berufung wurde als unbegründet zurückgewiesen. Der Gewinn sei zwar, so führt das Finanzgericht aus, ein Sanierungsgewinn, der nach der ständigen Rechtsprechung (Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 1499/28 vom 12. Dezember 1928, RStBl 1929 S. 86; VI A 968/31 vom 21. Oktober 1931, RStBl 1932 S. 160, und VI 633/39 vom 10. April 1940, RStBl 1940 S. 609) den Gewinn aus Gewerbebetrieb nicht erhöhe. Ein etwaiger laufender Verlust werde aber durch den Sanierungsgewinn ausgeglichen. Die verlustbeseitigende Wirkung des Sanierungsgewinns sei weder ungesetzlich noch verfassungswidrig, sondern entspreche dem Sinn und Zweck des Verlustausgleichs und des Verlustabzugs.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb., mit der der Bf. weiterhin den Verlustabzug nach § 10 d EStG 1957 begehrt, ist nicht begründet.

Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hat in den von dem Finanzgericht angeführten Urteilen in einem echten Sanierungsgewinn keinen gewerblichen Gewinn gesehen, sondern einen dem Unternehmer von den verzichtenden Gläubigern persönlich (außerbetrieblich) zugewendeten Vermögensvorteil, den der Unternehmer dann in seinen Betrieb einlege. Das Ergebnis ist wirtschaftlich vernünftig und billigenswert. Die Konstruktion ist allerdings nicht unbedenklich. Denn der Sanierungsvorgang hängt eng mit dem Betrieb zusammen; es ist auch nicht überzeugend, denselben Vorgang bei dem einen Beteiligten (Gläubiger) als betrieblichen Vorfall, bei dem anderen (Schuldner) dagegen als außerbetrieblichen Vorfall zu behandeln. Eine abschließende Stellungnahme ist aber nicht erforderlich. Denn der Gesetzgeber hat die Rechtsprechung der Einkommensteuersenate des Reichsfinanzhofs, daß der Sanierungsgewinn nicht zu einem (steuerpflichtigen) Gewinn führe, durch die Regelung des § 11 Ziff. 4 KStG 1934 gebilligt. Die Vorschrift wurde nur in das KStG aufgenommen, weil die Behandlung des Sanierungsgewinns durch die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs für die Einkommensteuer befriedigend geregelt schien, während bis dahin für die Körperschaftsteuer die Steuerfreiheit nicht anerkannt wurde (Urteil des Reichsfinanzhofs I A 394/27 vom 5. Februar 1929, RStBl 1929 S. 228). Hat der Gesetzgeber aber die vom Reichsfinanzhof entwickelte Rechtsprechung über die Behandlung des Sanierungsgewinns gebilligt und in das Gesetz übernommen, so ist anzunehmen, daß er den Sanierungsgewinn nur innerhalb der Grenzen sich auswirken lassen wollte, die die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs gesetzt hatte; denn sonst hätte er es bestimmt zum Ausdruck gebracht. Der Reichsfinanzhof hatte aber von vornherein angenommen, daß ein Sanierungsgewinn trotz der grundsätzlichen Steuerfreiheit doch zum Verbrauch eines laufenden Betriebsverlustes führe. Dem liegt, wie das Finanzgericht ausführt, die Erwägung zugrunde, daß der Steuerpflichtige, der den Sanierungsgewinn nicht zu versteuern braucht, über diese Begünstigung hinaus nicht noch dadurch zu begünstigen ist, daß er einen durch den Sanierungsgewinn wirtschaftlich weggefallenen Verlust in späteren Jahren vortragen kann. Der Senat tritt dem bei und ist der Auffassung, daß auch die Regelung des § 11 Ziff. 4 KStG diese Rechtsauslegung nicht ausschließt.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes wird durch diese Auffassung nicht verletzt. Dem Bf. ist zuzugeben, daß ein Steuerpflichtiger, der nur einen Sanierungsgewinn hat, nichts versteuert, während ein Steuerpflichtiger, der neben dem Sanierungsgewinn einen laufenden Verlust hat, nur den aus dem Sanierungsgewinn gekürzten laufenden Verlust mit anderen Einkünften ausgleichen kann. Das ergibt sich aber aus der verschiedenen Situation und liegt in der Systematik des EStG begründet. Das Ergebnis ist auch nicht unbillig, denn in Wirklichkeit hat ein solcher Steuerpflichtiger keinen Verlust; den Verlust haben vielmehr die Gläubiger wirtschaftlich getragen (vgl. auch das Urteil des Senats VI 25/61 U vom 28. Juli 1961, BStBl 1961 III S. 436).

 

Fundstellen

Haufe-Index 410182

BStBl III 1961, 516

BFHE 1962, 685

BFHE 73, 685

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge