Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Hat bei Studienkursen im Ausland bei der Festlegung des Tagungsortes und der Dauer des Kurses der Gesichtspunkt mitgespielt, den Teilnehmern gleichzeitig Erholung zu bieten, so können in der Regel nur die Kosten als Betriebsausgaben abgesetzt werden, die bei Durchführung des Kurses im Inland in dem für die beruflichen Zwecke erforderlichen Zeitraum entstanden wären.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1 S. 2

 

Tatbestand

Der Bg., ein Hals-, Nasen- und Ohrenarzt, nahm im Streitjahr 1958 an drei medizinischen Kursen und Tagungen teil, und zwar vom 10. bis 22. März 1958 an einem Fortbildungskurs für praktische Medizin in Davos, veranstaltet von der Bundesärztekammer; vom 19. bis 22. Mai 1958 an der 29. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft der Hals-, Nasen- und Ohrenärzte in Salzburg; vom 15. bis 29. September 1958 an einem internationalen Fortbildungsseminar für biologische Heilmethoden (Homöopathie, Chiropraktik, Akupunktur, Cellulartherapie, Diät u. a.) in Pörtschach (Kärnten), veranstaltet von der ärztekammer für Kärnten.

In seiner Einkommensteuererklärung 1958 setzte der Bg. insgesamt X DM an Reise-, übernachtungs- und Verpflegungskosten ab, wobei er die Auslands-Pauschsätze des Abschnitts 119 Abs. 4 EStR 1958 in Anspruch nahm.

Das Finanzamt erkannte bei der Veranlagung die für die Tagung in Salzburg geltend gemachten Kosten in vollem Umfang als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) an. Bei den Verpflegungs- und Unterbringungskosten für die Kurse in Davos und in Pörtschach ging das Finanzamt unter Berufung auf die Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 229/57 U vom 28. August 1958 (BStBl 1959 III S. 44, Slg. Bd. 68 S. 113) davon aus, daß jeweils eine Kursuszeit von sieben Tagen zur Erledigung der fachlichen Aufgaben ausreichend gewesen und die übrigen Tage der Veranstaltung zur Erholung der Teilnehmer bestimmt gewesen seien. Es wendete ferner die Auslands-Pauschsätze nicht an. Insgesamt erkannte es einen Betrag von Y DM als Betriebsausgaben an.

Der Bg. legte Einspruch ein, mit dem er die Anerkennung der gesamten Kosten als Betriebsausgaben anstrebte. Er trug vor, die Programme der Fortbildungskurse in Pörtschach und Davos hätten eine solche Fülle von Fachveranstaltungen vorgesehen, daß sie nicht in kürzerer Zeit hätten behandelt werden können und daß keine Zeit zur Erholung übriggeblieben sei. Bei dem Seminar in Pörtschach habe es sich um eine internationale Veranstaltung der ärztekammer von Kärnten gehandelt, zu der namhafte Vertreter der Medizin aus ganz Europa erschienen seien. Nur dort habe er 1958 Gelegenheit gehabt, sich über Fragen der biologischen Heilmethoden zu unterrichten. Der Fortbildungskurs in Davos hätte nicht mit dem gleichen Erfolg an einem Ort der Bundesrepublik veranstaltet werden können, da die Kliniken und medizinischen Einrichtungen in Davos Voraussetzung für die erfolgreiche Abhaltung des Kurses gewesen seien, insbesondere da Davos auch als Heilstätte für Tuberkulose bekannt sei. Auch hätten in Davos ausreichende Einrichtungen zur Abhaltung der Kurse und zur Unterbringung der Teilnehmer bestanden.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Der Bg. vertrat seine Ansicht auch in der Berufungsinstanz. Er machte zusätzlich geltend, er habe noch weitere Unkosten für den Erwerb der Teilnehmerkarten gehabt. Das Finanzamt machte darauf aufmerksam, daß sich der Bg. in Pörtschach und in Davos jeweils nur 13 Tage aufgehalten habe. Andererseits erkenne es an, daß das Programm in Davos so reichhaltig gewesen sei, daß die vollen 13 Tage anzurechnen seien.

Die Berufung des Bg. führte zu einem vollen Erfolg. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Finanzgericht zu den noch streitigen Kosten der Kurse in Davos und in Pörtschach folgendes aus. Bei dem Fortbildungskurs in Davos habe es sich zwar nicht um ein internationales Fachtreffen im Sinne der Rechtsprechung gehandelt. Der Kurs sei von der Deutschen Bundesärztekammer veranstaltet und zu 85% von ärzten aus der Bundesrepublik besucht worden. Auch die Vortragenden seien in der Mehrzahl aus der Bundesrepublik gekommen; nur einige wenige Teilnehmer hätten ihren Wohnsitz am Ort der Veranstaltung gehabt. Die Themen des Lehrgangs seien in ihrer Gesamtheit nicht auf die Behandlung von Tuberkulose und Asthmaleiden abgestimmt gewesen, für die Davos einen internationalen Ruf genieße. Das Thema des Fortbildungskurses ("Der Banalfall in der Praxis") hätte genausogut in der Bundesrepublik behandelt werden können. Das treffe auch für die nur an einem Tag behandelten mit Tuberkulose und Asthmaleiden zusammenhängenden Themen zu. Dennoch müßten dem Bg. die Pauschbeträge für Auslandsreisen zugebilligt werden. Denn die Sätze der EStR seien zwar nur Verwaltungsanweisungen; in ihnen hätten sich aber die Erfahrungen der obersten Verwaltungsbehörden niedergeschlagen und deshalb hätten auch die Steuergerichte diese Sätze anzuwenden, sofern sie nicht im Einzelfall zu offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führten, was hier nicht der Fall sei. In übereinstimmung mit dem Finanzamt sei auch davon auszugehen, daß eine Bearbeitung des umfangreichen Stoffes in einer kürzeren Zeit nicht möglich gewesen wäre, so daß die übernachtungsgelder und Mehraufwendungen für Verpflegung für die gesamte Lehrgangszeit zu berücksichtigen seien.

Das Seminar in Pörtschach habe nach Auffassung der Kammer nicht ebensogut auch in der Bundesrepublik veranstaltet werden können. Von den 200 bis 250 Teilnehmern seien etwa 50% aus anderen Ländern als der Bundesrepublik gekommen, zum Teil auch aus Ländern und Gebieten des kommunistischen Machtbereichs. Es sei sehr fraglich, ob diese Teilnehmer an einem medizinischen Kongreß in der Bundesrepublik teilgenommen hätten oder hätten teilnehmen können. Das neutralisierte österreich habe sich dagegen als Gastland für einen Kongreß der ärzte aus Ost und West besser geeignet. Die Vortragenden seien ebenfalls nicht überwiegend in der Bundesrepublik beheimatet gewesen; einige seien sogar aus Gebieten des kommunistischen Machtbereichs gekommen. Schließlich sei der Kurs von der ärztekammer für Kärnten veranstaltet worden, einer Berufsorganisation, der der Bg. nicht angehört habe, auf die er daher auch hinsichtlich der Wahl des Tagungsortes keinen Einfluß habe nehmen können. Auf Grund des vorgelegten Programms habe die Kammer auch die überzeugung gewonnen, daß eine Verarbeitung des umfangreichen Stoffes in einer kürzeren Zeit nicht möglich gewesen wäre, so daß die übernachtungskosten und die Mehraufwendungen für Verpflegung mit den Auslands-Pauschsätzen der EStR anzusetzen seien.

Mit seiner Rb. gegen dieses Urteil wendet sich der Vorsteher des Finanzamts nicht gegen die Beurteilung der in Pörtschach entstandenen Kosten. Streitig sind nur noch die Kosten des Kurses in Davos. Insoweit trägt der Vorsteher des Finanzamts vor, wenn das Finanzgericht zu dem Schluß gekommen sei, daß es sich bei diesem Kursus nicht um eine internationale Fachtagung gehandelt habe, so hätte es als Betriebsausgaben nur die Kosten der Reise bis zur Bundesgrenze und Mehraufwendungen für Verpflegung sowie übernachtungsgelder zu einem Tagessatz von insgesamt 35 DM zulassen dürfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Abänderung des Steuerbescheids.

Streitig ist nur noch, ob das Finanzgericht zu Recht bei der Reise nach Davos die Auslandstagesätze angesetzt hat.

Nach der zur Zeit noch geltenden Bestimmung des § 243 Abs. 2 AO hatte der Senat an sich auch zu prüfen, ob das Finanzgericht mit Recht die durch die Reisen nach Salzburg und Pörtschach entstandenen Kosten als in vollem Umfange berufsbedingt angesehen und ob es mit Recht bei den Kosten der Reisen nach Salzburg und Pörtschach die Auslandstagesätze angesetzt hat. Es ist zweifelhaft, ob das Urteil insoweit mit den Grundsätzen, die der Senat in den Entscheidungen IV 269/64 U vom 22. Juli 1965 (BStBl 1965 III S. 644), IV 331/60 U vom 13. April 1961 (BStBl 1961 III S. 308, Slg. Bd. 73 S. 108) und IV 6/63 vom 16. Juli 1964 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965 S. 107) aufgestellt hat, in Einklang steht. Eine deshalb möglicherweise erforderliche Abänderung des Urteils zum Nachteil des Bg. könnte indessen nicht ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts erfolgen, die der Senat oder das Finanzgericht - nach Zurückverweisung - nicht mehr vor dem Inkrafttreten der Finanzgerichtsordnung am 1. Januar 1966 durchführen könnte. Da nach diesem Zeitpunkt eine Abänderung des finanzgerichtlichen Urteils zum Nachteil des Bg. nicht mehr möglich wäre (§§ 96 Abs. 1, 121 Finanzgerichtsordnung), sieht der Senat von einer weiteren Behandlung dieser Fragen ab.

Hinsichtlich der somit allein noch streitigen Frage der Auslandstagesätze ist dem Finanzgericht ein Rechtsfehler unterlaufen. Der Senat hat in den beiden genannten Urteilen IV 331/60 U und IV 6/63 ausgesprochen, daß bei Reisen, die ins Ausland unternommen werden, zu prüfen sei, ob nicht bei der Festlegung des Tagungsortes und der Dauer des Kurses der Gesichtspunkt mitgespielt habe, den Teilnehmern gleichzeitig Erholung zu bieten. Dann sei ein Teil der Kosten als der Lebenshaltung zugehörig auszuscheiden (§ 12 Ziff. 1 Satz 2 EStG). Dieser Teil sei durch Schätzung zu ermitteln, und zwar in der Regel durch Anwendung der Inlandsätze. Auslandstagegelder könnten nur dann angesetzt werden, wenn es sich um eine Tagung handele, die wegen ihres internationalen Charakters oder wegen sonstiger besonderer Umstände gerade nur im Ausland habe stattfinden können.

Diese Grundsätze hat das Finanzgericht zum Teil nicht beachtet. Das Finanzgericht hat festgestellt, daß der Kursus in Davos ebensogut in Deutschland hätte stattfinden können. Diese Feststellung ist verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen. Der Bg. hat erst im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgetragen, die Bundesärztekammer habe sich in den letzten Jahren wiederholt bemüht, geeignete in Deutschland gelegene Orte zu finden; bei der großen Zahl der Teilnehmer und der für derartige Kurse zu berücksichtigenden Zeit sei dieses Bemühen vergeblich gewesen. Dieser neue Sachvortrag kann in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht mehr berücksichtigt werden (§§ 288, 296 AO), und zwar auch nicht, wenn - wie hier - der Senat auf Grund eines einwandfrei festgestellten Sachverhalts selbst entscheiden kann (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 413/60 S vom 18. März 1964, BStBl 1964 III S. 413, Slg. Bd. 79 S. 497).

Die Feststellung des Finanzgerichts, der Kursus habe nicht notwendigerweise im Ausland stattfinden müssen, beruht auf tatsächlichen Erwägungen. An eine derartige verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommene Tatsachenfeststellung ist der Senat gebunden, falls sie nicht in Widerspruch zu dem klaren Inhalt der Akten steht (§ 288 Ziff. 1 AO) oder auf Denkfehlern beruht oder mit der Lebenserfahrung in Widerspruch steht. Es genügt dann, daß der Schluß des Finanzgerichts möglich war; nicht erforderlich ist, daß er zwingend war (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - vgl. statt vieler das Urteil V z 48/53 U vom 12. Mai 1955, BStBl 1955 III S. 215, Slg. Bd. 61 S. 45 -). Das Finanzgericht hat bei seinen Ausführungen, daß der Kursus auch in Deutschland hätte abgehalten werden können, offenbar als selbstverständlich unterstellt, daß die erforderlichen Räumlichkeiten (Tagungsräume und Hotelquartiere) hierfür zu beschaffen gewesen wären. Dieser Schluß widerspricht weder dem Akteninhalt noch den Denkgesetzen noch den Erfahrungssätzen des Lebens. Der Senat ist sogar überzeugt, daß in einer Reihe von deutschen Städten, insbesondere Universitätsstädten, entsprechende Tagungsräume zu finden sind und daß dort im März die Unterbringung einer großen Zahl von Teilnehmern zumindest keine größeren Schwierigkeiten bereitet als in dem zur winterlichen Hochsaison rechnenden Monat März in einem vorzüglich zum Wintersport geeigneten Ort wie Davos.

Hätte der Kursus aber auch in Deutschland abgehalten werden können, so hätte das Finanzgericht nur die Fahrtkosten bis zur Grenze und nur die im Inland üblichen Tagessätze berücksichtigen dürfen. Für seine Abweichung von der Rechtsprechung des Senats hat das Finanzgericht keine überzeugende Begründung gegeben. Seine Ausführungen, die Auslandssätze der EStR seien zugrunde zu legen, sofern sie nicht im Einzelfalle zu unrichtigen Ergebnissen führten, gehen an der vom Senat gegebenen Begründung vorbei, daß die Abhaltung des Kurses im Ausland in Erwägungen ihren Ursprung hat, die im privaten Bereich der Lebenshaltung liegen, und daß daher die durch den Auslandsaufenthalt entstandenen, schätzungsweise zu ermittelnden Mehrkosten nicht zu den Betriebsausgaben gehören. Hätte der von einem deutschen ärzteverband veranstaltete Kursus ebensogut in Deutschland abgehalten werden können, so beruhte die Wahl des ausländischen Tagungsortes auf berufsfremden Erwägungen.

Das Urteil des Finanzgerichts war daher aufzuheben. Der Senat entscheidet in der spruchreifen Sache selbst.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411883

BStBl III 1966, 69

BFHE 1966, 187

BFHE 84, 187

BB 1966, 192

DB 1966, 250

DStR 1966, 180

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