Schnell, schlau – aber nicht fehlerfrei

Ein Gespräch über die Möglichkeiten, Grenzen und Irrtümer von KI im Controlling
Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung gewinnt der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Controlling zunehmend an Bedeutung. In einem ausführlichen Gespräch beleuchteten Florian Bliefert und Kristoffer Ditz die Potenziale und Herausforderungen dieser Entwicklung.
Florian Bliefert ist erfahrener Experte im Bereich Controlling und Datenanalyse. In seiner beruflichen Laufbahn hat er sich auf die Implementierung neuer Technologien, insbesondere der KI, in Unternehmensprozesse spezialisiert. Sein Fokus liegt darauf, die Effizienz und Genauigkeit von Controlling-Aktivitäten durch den gezielten Einsatz von KI-gestützten Tools zu steigern.
Kristoffer Ditz bringt umfassende Expertise in der Integration von KI-Lösungen in Controlling-Prozesse mit. Er verfügt über langjährige Erfahrung in der Beratung und Schulung von Unternehmen hinsichtlich der optimalen Nutzung von KI-Technologien. Sein Ziel ist es, Unternehmen dabei zu unterstützen, die Vorteile von KI im Controlling voll auszuschöpfen und gleichzeitig mögliche Risiken zu minimieren. Er hat hierzu ein Buch und mehrere Artikel sowie Online-Kurse veröffentlicht.
Im Rahmen ihres Gesprächs tauschten Florian Bliefert und Kristoffer Ditz ihre Erfahrungen und Sichtweisen zu ChatGPT, Sprachmodellen und deren Anwendungen im Controlling aus. Sie diskutierten sowohl die Chancen als auch die Herausforderungen, die mit dem Einsatz von KI in diesem Bereich verbunden sind und teilten praxisnahe Einblicke in die Implementierung solcher Technologien.
Was kann die KI ChatGPT und was nicht?
Bliefert: Als Sprachprogramm eignet es sich für sprachliche Aufgaben hervorragend. Wenn ich zum Beispiel einen Jahresabschlussbericht eines Unternehmens hochlade und ChatGPT sage „Verhalte dich wie ein Strategie-Berater“, bekomme ich sehr gute Ergebnisse, weil es hier einen Text hat. Für eine schnelle Zusammenfassung ist das super, oder wenn ich eine Information suche, die ich nicht direkt mit Strg+F im pdf
finde. Für eine ausführliche Bilanzanalyse ist aber schon etwas mehr Arbeit notwendig, vor allem, wenn ich den Ergebnissen auch vertrauen soll. Ich habe mal für einen Kunden einen Datensatz mit ChatGPT analysiert, der über 500.000 Zeilen hatte. Das Ergebnis war eher enttäuschend, für alle Analysen hat ChatGPT immer nur die ersten 100 Zeilen berücksichtigt. Und mit den Anpassungen hatte ich dann soviel Arbeit, dass ich es besser gleich anders gemacht hätte.
Ditz: ChatGPT ist ein Sprachprogramm und verarbeitet daher in erster Linie Text. Beim Rechnen stößt es an seine Grenzen bzw. ich muss der KI zunächst erklären, was ich will. Lustig war z. B. die Anwendung für eine ehrenamtliche Tätigkeit mit dem Thema Verhütung. ChatGPT sagte, dass die Pille ein Risiko von 2% Prozent trägt, schwanger zu werden und bei einem Kondom das Risiko einer Schwangerschaft 10 % beträgt. Wenn sowohl Pille als auch Kondom zum Einsatz kommen, sagte ChatGPT ein Risiko von 12 % voraus. Also wurden beide Komponenten einfach addiert. Hier brauchte es 3! Korrekturen, bis ChatGPT richtig gerechnet hat.
Welche Erwartungen uns immer wieder in Seminaren und Beratungsprojekten begegnen
Bliefert: Oft kommt es vor, dass die Leute glauben, wir streuen mit ChatGPT einfach mal Feenstaub drüber und alles funktioniert, oder lästige Arbeit wird komplett abgenommen. Es ist nicht so, dass ChatGPT alles zu 100 % kann. Diese Erwartungen werden bei den Erklärungen oft gedämpft. Jede KI kann eigentlich nur eine Sache, in der ist sie dann richtig gut, aber was anderes kann sie halt nicht.
Ditz: Ich habe dazu oft die Erfahrung gemacht, dass ChatGPT zu schnell blind vertraut wird, ohne es zu testen und zu kontrollieren. So sagte mir ein Kunde: „Ich habe 1.000 Artikel, die 10 höchsten negativen Abweichungen schafft ChatGPT ohne Probleme“. Tatsächlich schafft ChatGPT nur einen Teil und es kann vorkommen, dass auch Abweichungen vertauscht werden. Im Controlling ist es für Analysen gefährlich, wenn darauf vertrauend strategische Entscheidungen getroffen werden.
Was sind typische Herausforderungen für Controller im Umgang mit ChatGPT?
Ditz: Oft höre ich „Da steigt mir die IT auf den Kopf, ich kann unsere Zahlen da nicht eingeben“. Ich argumentiere dann, dass man ein fiktives Unternehmen verwenden kann, so dass keine Daten nach außen dringen, was ohnehin sehr unwahrscheinlich ist.
Bliefert: Und wenn Dir die IT nicht aufs Dach steigt, dann der Datenschutzbeauftragte. Häufig wird Datenschutz aber falsch verstanden oder vorgeschoben, im Controlling haben wir selten personenbezogene Daten. Klar, wir arbeiten mit vertraulichen Daten, die man niemanden zeigen will, aber das ist kein Datenschutzthema. Da geht es um Vertraulichkeit, aber auch das Problem kann man gut lösen.
Ditz: Es ist bei der Analyse von Zahlen auch wichtig, ChatGPT vorab Beispiele zu geben, wie die Analyse aussehen soll und selbst das ist keine Garantie, dass es zu 100 % funktioniert, ähnlich auch wie bei einem Mitarbeiter, dem ich es zum ersten Mal erkläre.
Bliefert: Oft ist auch das Thema der Datenqualität oder -verfügbarkeit ein Problem. Du brauchst für KI halt Daten zum Trainieren und wenn Du keine hast oder sie nicht verfügbar sind, gibt’s halt auch keine KI. Und jede KI ist auch nur so gut wie die Daten, mit der Du sie fütterst.
Ditz: Genau, ohne Eier kein Omelette (lacht)
Müssen Controller Angst haben, dass die KI ihren Job übernimmt?
Bliefert: Ganz und gar nicht. Obwohl es schon lange Taschenrechner gibt, werden immer noch Mathematiker benötigt, ähnlich ist es auch bei den Controllern. Klar, die Aufgaben ändern sich, früher haben Menschen in großen Räumen gesessen und Rechenaufgaben gelöst, das machen wir heute nicht mehr. Und auch das Controlling wird sich ändern, aber wer Angst hat, dass die KI ihm den Job wegnimmt, ist vielleicht nicht so gut in seinem Job wie gedacht.
Ditz: Wichtig ist, dass sich die Controller mit der KI beschäftigen und im Job einsetzen. Hier können wir die KI wie einen Autopiloten im Flugzeug vergleichen. Um diesen zu bedienen, brauche ich eine Ausbildung als Pilot, spätestens dann, wenn der Autopilot ausfällt.
Wie kann ChatGPT vorteilhaft im Unternehmen eingesetzt werden?
Ditz: Sehr gut für VBA-Makros in Excel.
Bliefert: Da gibt es viele weitere Beispiele, das fängt an mit Mails formulieren, Vorlagen für Manager erstellen, Kommentierungen für Monatsberichte erstellen. Was auch sehr gut geht, es als Google-Ersatz für Excel-Formeln zu verwenden. Ich merke mir zum Beispiel den genauen Aufruf von SUMMEWENNS nicht mehr, ich lasse mir das vorschlagen. Auch die exakte Syntax von SQL habe ich nicht mehr flüssig drauf mit all ihren Varianten (lacht). Aber KI ist nicht das gleiche wie ChatGPT, das geht viel weiter. Und da tut sich die ganze Welt von Predictive Analytics auf, wo man KI nutzen kann.
Welche positiven Erfahrungen wir mit ChatGPT erlebt haben?
Bliefert: Das hat eigentlich gar nicht so viel mit Controlling zu tun: Ich habe bei meiner Bachelorarbeit festgestellt, dass ich sehr schnell Papers zusammenfassen lassen kann, um entscheiden zu können, ob die jetzt nützlich sind oder nicht. Das hat mir viel Zeit gespart. Und als ich dann den Quellcode geschrieben hab, hab ich mir auch viel Zeit beim Debuggen gespart.
Ditz: Ich war positiv überrascht, als ich ChatGPT eine Excel-Vorlage für Mahnungen erstellen ließ und wie ich diese aufbauen könnte. Der Rechnungsbetrag wurde zwar vergessen, aber ChatGPT schlug mir vor, dass auch gleich die Mahnungen automatisch erstellt und versendet werden könnten, ohne dass ich nach einer Verbesserung gefragt habe. Es kam also eine eigene Idee.
Wird KI das Controlling in den nächsten Jahren revolutionieren?
Bliefert: KI wird das Controlling definitiv verändern, aber eher evolutionär als revolutionär. Die Technologie wird immer besser darin, Muster zu erkennen, Berichte zu erstellen oder Analysen vorzubereiten. Aber am Ende braucht es den Controller, der die Ergebnisse prüft und strategische Entscheidungen trifft. Wer sich frühzeitig mit KI beschäftigt, kann diese Veränderungen aktiv mitgestalten – und wird langfristig profitieren.
Ditz: Die Entwicklung geht rasant voran. In den letzten Jahren haben wir gesehen, wie KI immer stärker in Unternehmensprozesse integriert wird – von der Automatisierung einfacher Aufgaben bis hin zur Analyse großer Datenmengen. Aber eine vollständige Revolution? Das sehe ich noch nicht. Die größte Herausforderung bleibt, dass KI-Modelle zwar beeindruckende Ergebnisse liefern, aber immer noch menschliche Kontrolle und Interpretation brauchen.
Bliefert: Genau. Wer KI richtig nutzt, kann sich viel Arbeit ersparen und schneller zu besseren Ergebnissen kommen. Aber wer glaubt, dass KI alles übernimmt und man selbst nichts mehr tun muss, wird enttäuscht sein.
Ditz: Vielleicht kann KI irgendwann alles – aber bis dahin sollten wir lieber noch selbst denken (lacht).
Der Artikel ist ein Auszug aus Controller Magazin 3/2025.
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