Nachhaltigkeit konkret steuern

Wollen wir ein wenig nachhaltiger werden oder uns langfristig in Sachen Nachhaltigkeit gut aufstellen? Das ist eine Frage, die sich Entscheidungsträger:innen stellen müssen. Zweiteres bedeutet oftmals eine fundamentale Transformation der Steuerung. Aktuell stecken viele Organisationen in einem transaktionalen Managementmodus fest, der kurzfristige Effizienzoptimierung über strategische Weitsicht stellt. Dies verhindert nicht nur die Lösung von Zielkonflikten, sondern auch den systematischen Übergang zu nachhaltigem Wirtschaften.
Um diese Herausforderung zu bewältigen, braucht es Raum für strategische Reflexion und interdisziplinäre Diskussionen, in denen Nachhaltigkeit als integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie verankert wird. Prof. Dr. Barbara Weißenberger (2022) beschreibt dafür die möglichen Dimensionen eines ganzheitlich verstandenen ökonomischen Erfolgs, die später durch eine empirische Untersuchung (Meyer, Isaak und Weißenberger, 2024) ergänzt wurden.
Daraus entstanden ist der Transformation Management Compass: Dieser liefert Entscheidungsträger:innen eine wertvolle Orientierung und zeigt, welche Steuerungsmechanismen notwendig sind, um von transaktionalen zu transformativen Managementpraktiken zu gelangen.
Vom transaktionalen zum transformativen Management
Transaktionales Management basiert auf inkrementellen Anpassungen, finanzieller Steuerung und standardisierten Prozessen. Nachhaltigkeit wird dabei häufig als Compliance-Thema betrachtet und in bestehende Strukturen eingepasst, anstatt grundlegend in Entscheidungsprozesse integriert zu werden. Transformationales Management hingegen geht über diese kurzfristige Perspektive hinaus und schafft neue strategische Handlungsspielräume.
Merkmale transaktionalen Managements:
- Fokus auf kurzfristige Effizienzgewinne
- Operative Umsetzung von Nachhaltigkeitsanforderungen ohne strategische Einbindung
- Begrenzte Berücksichtigung von systemischen Auswirkungen
Merkmale transformativen Managements:
- Langfristige strategische Einbettung von Nachhaltigkeit in Unternehmensentscheidungen
- Berücksichtigung von Zielkonflikten und Innovationspotenzialen
- Integration in interaktive Steuerungsprozesse und Kulturwandel im Unternehmen
Der Transformation Management Compass zeigt, dass der Übergang zu transformativen Ansätzen durch gezielte Steuerungsmechanismen unterstützt werden kann. Um einzuordnen, welche Arten der Steuerung überhaupt existieren, ist das Levers-of-Control-Konzept von Prof. Robert Simons (1995) wertvoll. Es beschreibt vier Hauptkomponenten (levers, also Stellhebel) für die Umsetzung eines Steuerungsrahmens in Unternehmen:
Unternehmerische Grundüberzeugung (belief systems), Selbstbeschränkung (boundary systems), diagnostische (diagnostic controls) und interaktive Steuerungssysteme. Insbesondere interaktive Steuerungssysteme spielen in der Nachhaltigkeitstransformation eine entscheidende Rolle.
Strategische Reflexionsräume als Voraussetzung für Wandel
Viele Unternehmen scheitern daran, Nachhaltigkeit effektiv in ihre Entscheidungsprozesse zu integrieren, weil ihnen die notwendigen Strukturen für Reflexion und strategische Diskussionen fehlen. Eine Analyse von 17 Tiefeninterviews mit C-Level-Führungskräften zeigt, dass vor allem zwei Elemente entscheidend sind:
- Strategische Diskussion: Nachhaltigkeitsfragen können nicht allein durch vordefinierte KPIs oder Compliance-Regeln adressiert werden. Unternehmen benötigen Formate, in denen strategische Diskussionen zwischen Management, operativen Abteilungen und externen Stakeholdern stattfinden.
- Lösung von Zielkonflikten: Nachhaltigkeitsentscheidungen erfordern eine systematische Abwägung zwischen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Interessen. Unternehmen, die Raum für strategische Diskussionen schaffen, können diese Konflikte nicht nur bewältigen, sondern daraus auch neue Innovationspotenziale entwickeln.
Der next-incubator, Innovations-Hub für Nachhaltigkeit der Energie Steiermark führte beispielsweise ein Evaluierungskomitee für Nachhaltigkeit ein, in dem internationale Führungskräfte und Expert:innen interdisziplinär Projektmaßnahmen und strategische Dilemmata diskutieren und bewerten. Dieser Ansatz trug dazu bei, Projektentscheidungen zielgerichteter und nachhaltiger zu gestalten und Zielkonflikte frühzeitig zu identifizieren. Gernot Schröck aus dem Bereich Geschäftsfeldentwicklung sagte dazu: “Wenn wir diese Räume nicht schaffen, sind die Konflikte trotzdem da. Sie werden nur später ersichtlich und können nur mehr reaktiv bearbeitet werden.“
Praktische Implikationen: Wege zur Implementierung
Um vom transaktionalen zum transformativen Management zu gelangen, sollten Unternehmen folgende Maßnahmen ergreifen:
- Institutionalisierte Reflexionsräume schaffen: Regelmäßige Diskussionsformate zu Nachhaltigkeit in strategischen Entscheidungsgremien etablieren.
- Interaktive Steuerungssysteme nutzen: Formale und informelle Mechanismen kombinieren, um nachhaltige Innovationen zu fördern.
- Zielkonflikte explizit adressieren: Mechanismen implementieren, um trade-offs zwischen finanziellen, sozialen und ökologischen Faktoren strukturiert zu lösen.
Fazit: Nachhaltige Transformation braucht strategische Steuerungsräume
Nachhaltigkeit erfordert neue Formen der Unternehmenssteuerung. Der Weg vom transaktionalen zum transformativen Management ist nicht einfach. Doch Unternehmen, die gezielt strategische Reflexionsräume schaffen, profitieren langfristig von erhöhter Resilienz, Innovationsfähigkeit und Wettbewerbsvorteilen. Der Transformation Management Compass bietet hierfür eine Orientierungshilfe.
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Dr. Anna Katharina Meyer hat am Lehrstuhl für Accounting und Controlling von Prof. Dr. Barbara E. Weißenberger an der Heinrich Heine Universität Düsseldorf promoviert und ist Mitgründerin von FindingSustainia, einem Erfahrungsraum zur Stärkung von Entscheidungsträger:innen und Veränderungsakteur:innen in der unternehmerischen Transformation. Zudem ist sie Mitglied im Präsidium der Deutschen Gesellschaft Club of Rome sowie im DIN-Expertenforum Sustainable Finance.
Verweise:
Weißenberger, B. E. (2022). Unternehmensführung und nachhaltiger Wettbewerbserfolg. Der Betrieb, 9, 478-482.
Meyer, A. K., Isaak, A., Weißenberger, B. E. (2024). Re-Examining Control Systems for Integrating Sustainability into Corporate Investment Decisions: Derivation of a Transformation Management Compass. In: Meyer, A. K. (2024): Controlling for Sustainability and Innovation: Control Practices in Startup-Corporate Collaborations, Investment Decisions, and Integrated Sustainability Accounting as Pathways for Transformational Management, 129-169.
Simons, R. (1995). Levers of Control: How Managers Use Innovative Control Systems to Drive Strategic Renewal. Harvard Business School Press, Boston, Massachusetts.
Simons, R. (1994). How New Top Managers Use Control Systems as Levers of Strategic Renewal. Strategic Management Journal, 15 (3), 169-189.
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