Controlling-Standards: Orientierung zur Etablierung eines modernen Controllings
Warum Controlling-Standards so wichtig sind
Blenden wir etwas mehr als 30 Jahre zurück und betrachten die Controlling-Community dieser Zeit: es gab verschiedene Schulen (Deyhle, Horváth, Eschenbach, Weber, Rieder) und Denkweisen in Wissenschaft, Praxis und Weiterbildung, kaum einheitliche Sichtweisen auf Controlling-Konzepte, Organisation und Aufgaben von Controllerinnen und Controllern. Es fehlten somit allgemein akzeptierte Guidelines als Orientierungsrahmen für die Unternehmenspraxis sowie die Aus- und Weiterbildung.
Diese Lücke führte dazu, dass die IGC, die International Group of Controlling, im Jahr 1995 gegründet wurde mit dem expliziten Ziel, einheitliche Standards im Sinne von Guidelines im Controlling zu schaffen, Begrifflichkeiten zu klären und dadurch auch Impulse für die strategische und operative Controllerarbeit zu geben.
Ein wichtiges erstes Aufgabenfeld zu Beginn der IGC-Arbeit war 1998 die Erstellung des Controlling-Wörterbuchs. Fokus dieser Arbeiten war die einheitliche Beschreibung von Controllinginstrumenten und -begriffen. Das „IGC Controller-Wörterbuch“ wurde in vielen Diskussions- und Schreibrunden von den IGC-Experten aus Wissenschaft, Beratung und Praxis erarbeitet, auch mit dem Ziel, Begriffe in mehreren Sprachen zu klären und zu beschreiben, wobei der Schwerpunkt zunächst auf der deutschen und englischen Sprache lag.
Guidelines für Controllingbegriffe sind Voraussetzung für ein abgestimmtes und harmonisches Zusammenarbeiten. Jeder Protagonist im Controlling hat bei allgemein akzeptierten und angewandten Standards (hier: das „IGC Controller-Wörterbuch“) dasselbe Verständnis von Fachbegriffen und Tools wie etwa „Deckungsbeitrag“, „Prozesskostenrechnung“ oder „Business Partner“. Ein solcher Standard klärt also Begriffe, Tools und Konzepte der Controllerarbeit. Standards im Verständnis der IGC sollen aber auch Orientierung geben, wie das Controlling der Zukunft aussehen könnte, quasi als eine Art Nordstern für die Controlling-Community.
Wie Standards Orientierung geben und Vision sein können
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als das überarbeitete IGC Controller-Leitbild 2002 als neuer Standard kommuniziert wurde. Damals war der im Leitbild formulierte Anspruch, dass Controller Business-Partner sein sollten, schon sehr visionär. Eine Umsetzung in diesem Sinn schien für viele Controllingteams sehr ambitioniert. Aber genau dies entspricht ja dem Charakter eines Leitbilds, denn es soll festlegen,
- wie sich Controller strategisch positionieren sollten und
- welche Aufgaben damit verbunden sind.
Es hat dann auch viele Jahre gedauert, bis der „Business Partner“ in der Praxis etabliert war und die Controllerinnen und Controller als Partner des Managements auf Augenhöhe akzeptiert wurden. Hier gab es zwei Barrieren:
- Zum einen mussten sich die Controller in die neue Rolle hineindenken und diese annehmen.
- Zum anderen musste das Management akzeptieren und tatsächlich wollen, dass Controller mehr tun möchten als (finanzielle) Zahlen zu liefern und zu kommentieren sowie die Planung und Budgetierung zu managen.
In vielen Unternehmen ist dieser Controlleranspruch, als Partner des Managements agieren zu können, mittlerweile realisiert, sowohl im Mittelstand als auch in größeren Konzernen. Zwei Beispiele sollen das verdeutlichen:
- Blanco Controller-Mission: „Our mission is to act as sparring partner and as objective economic conscience of the management in order to foster sound decision making and to drive sustainable financial health“ (vgl. von Daacke 2023).
- Bosch Controller-Rollen: Der Business Partner bei Bosch berät das Management und fungiert als Schnittstelle zu den operativen Verantwortungsbereichen. Er ist eine von fünf definierten Controllingrollen im Konzern (vgl. Moebus et al. 2022).
Das Controllerleitbild 2024
Genau dieser „Forward Thinking“-Ansatz sollte weiterhin Anspruch der Controlling-Community sein. Das jeweils gültige Leitbild sollte demzufolge eine strategische Vision vermitteln, wie ein modernes Controlling aktuell und in naher Zukunft ausgestaltet werden sollte. Im Controller Magazin 1/25 hat das Board der IGC, dem ich auch angehöre, ausführlich skizziert, wie das aktuelle Leitbild entwickelt wurde und was die neuen inhaltlichen Schwerpunkte sind (vgl. Eiselmayer et al. 2025). Dabei wurde u.a. hervorgehoben, dass Controller in vorderster Front bei der digitalen Transformation agieren und auch Nachhaltigkeitsinitiativen führend unterstützen sollten. Abb. 1 zeigt im Überblick, welche Erwartungen insgesamt an ein modernes Controllingteam gemäß des neuen IGC Leitbilds 2024 formuliert werden. Das neue Leitbild kann, ähnlich wie bei den vorangegangenen früheren Leitbildern, demzufolge als Pflichtenheft bzw. Guideline für die aktuelle und zukünftige Controllerarbeit verstanden werden.
Welche Standards werden zur Neuausrichtung des Controllings noch benötigt?
Aus dem neu formulierten Leitbild ergeben sich nun weitergehende Fragestellungen für die Controllerarbeit. Damit sind wir bereits beim Controlling-Prozessmodell. Dieses dient als Orientierung für die Aufgaben im Controlling, d.h. welche Aufgaben im Controlling anfallen und wie sich das Controlling ablaufbezogen organisieren sollte. Zu klären sind hier folgende Fragen:
- Welche Prozesse sind im Controlling relevant?
- Welche Aufgaben leiten sich von diesen Prozessen ab?
- Wie können diese Prozesse angeglichen und abgestimmt werden?
Neuerungen im Leitbild induzieren also auch Veränderungen im Prozessmodell. Genau deshalb hat die IGC ein neues Projekt gestartet, um das bislang existierende IGC-Prozessmodell von 2018 an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Änderungen im Prozessmodell sind insbesondere zu erwarten in den nachfolgend aufgeführten und aktuell sehr relevanten Themen- und Einflussfeldern, die mittlerweile einen bedeutend höheren Einfluss auf die Controllerarbeit haben als noch vor 7-8 Jahren, als das letzten Prozessmodell erarbeitet wurde:
- Nachhaltigkeit (bereits stark verankert im neuen Leitbild)
- neue Technologien (z. B. AI- oder BA-Lösungen mit Disruptionscharakter bzgl. einzelner Controllingaufgaben)
- Risikomanagement, Governance- und Compliancefragestellungen
- neue Organisationsmoden (z. B. Transformation oder Agilität) sowie kulturelle Entwicklungen (z. B. ethische Führung als stark akzentuierter Aspekt im Leitbild 2024).
Ein neues IGC Controlling-Prozessmodell wird Mitte 2026 vorliegen und einen neuen Standard für die operative Controllerarbeit setzen. Dann wird sich auch schnell die Frage stellen, welche Kompetenzen Controller besitzen müssen, um ihre Aufgaben in hoher Qualität und zur Zufriedenheit der Stakeholder zu erfüllen. Es ist zu erwarten, dass auch das IGC Controller-Kompetenzmodell von 2015 den neuen Gegebenheiten, also dem Leitbild 2024 sowie dem dann vorliegenden IGC-Prozessmodell 2026, anzupassen ist.
Literatur
von Daacke, M. (2023), BLANCO STEERING - Translating Strategy into Performance Measures, Vortragsunterlagen, 47. Congress der Controller, Munich, 16-May-2023
Grandi, S./Möbus, M. (2021), Controlling of the future - People make the difference, Controller Magazin 6/2021, S. 8-13
Möbus, M., Kirschmann, D. Florian, S. (2022), Neue Controller-Profile für die digitale Zukunft, CMR 66 (2022) 2, S. 50-55
Eiselmayer, K., Gleich, R., Losbichler, H., Möller, K., Niedermayr, R. (2025), Controller für die Zukunft befähigen, in: Controller Magazin 50 (2025) 1, S. 52-57
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