7.1 Zweck der Verfahrensordnung

Unternehmen müssen eine Verfahrensordnung erstellen und öffentlich zugänglich machen[1]. Das steht im Zusammenhang mit dem Erfordernis der Berechenbarkeit, das sich aus Prinzip 31 c) der UN-Leitprinzipien ergibt.[2] Danach bedeutet Berechenbarkeit, dass der Beschwerdemechanismus ein klares, bekanntes Verfahren mit einem vorhersehbaren zeitlichen Rahmen für jede Verfahrensstufe anbietet, ebenso wie klare Aussagen zu den Ergebnissen und Mitteln zur Überwachung und Umsetzung. Die Verfahrensordnung, die Unternehmen erstellen, muss diesen Anforderungen genügen.

[2] Gläßer/Kühn, in: Henn/Jahn, BeckOK, Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, 3. Edition 2023, § 8 Rn 141.

7.2 Form der Verfahrensordnung

Die Verfahrensordnung muss in Textform veröffentlicht werden. Textform bedeutet, dass es eine lesbare Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger geben muss[1]. Die Verfahrensordnung muss also schriftlich ausformuliert sein; es reicht aber, wenn sie etwas in Form einer pdf-Datei vorliegt. Allerdings ist neben der gesetzlichen Anforderung der Textform immer auch das Erfordernis der Zugänglichkeit zu berücksichtigen.

7.3 Öffentliche Zugänglichkeit der Verfahrensordnung

Unternehmen müssen die Verfahrensordnung öffentlich zugänglich machen. Es muss also betroffenen Personen ohne Schwierigkeiten möglich sein, sich mit ihr vertraut zu machen. Dazu gehört es als Mindestanforderung, dass sie auf der Webseite des Unternehmens abrufbar ist.[1] Eine interne Veröffentlichung im Unternehmen – bspw. in Form eines Aushangs am "Schwarzen Brett" oder im Intranet – reicht nicht aus.[2]

Darüber hinaus sind auch hier die oben genannten Erwägungen zur "Barrierefreiheit" des Verfahrens zu berücksichtigen.[3]

[1] Berg, in: Berg/Kramme, Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), 1. Aufl. 2023, § 8 Rn 35.
[2] Bürger/Müller, in: Depping/Walden, Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), 1. Aufl., § 8 Rn 43.
[3] Bürger/Müller, in: Depping/Walden, Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), 1. Aufl. § 8 Rn 45.

7.4 Inhalt der Verfahrensordnung

Der Begriff "Verfahrensordnung" führt leicht zu Missverständnissen. Er weckt Assoziationen an Verfahrensordnungen wie die Zivilprozessordnung oder Strafprozessordnung, die sehr detaillierte und differenzierte Regelungen zum Ablauf des Verfahrens, zur Berücksichtigung von Beweismitteln, zur Entscheidungsfindung usw. enthalten.

Die Verfahrensordnung des Beschwerdeverfahrens nach dem LkSG erfordert keine solche Detailtiefe. Die Pflicht, eine Verfahrensordnung öffentlich zu machen, muss vor dem Hintergrund des Erfordernisses der Berechenbarkeit nach Prinzip 31 der UN-Leitprinzipien gesehen werden.[1]

 
Wichtig

Ziel der Verfahrensordnung ist Transparenz für potenzielle Beschwerdeführer

Die Verfahrensordnung zielt also in erster Linie darauf ab, für potenzielle Beschwerdeführer vorhersehbar zu machen, wie das Verfahren ablaufen wird und welche Resultate sie erwarten können.[2] Allzu ausführliche Regelungen können hier eher kontraproduktiv sein. Denn sie können die Zugänglichkeit beeinträchtigen und potenzielle Beschwerdeführer von der Einlegung berechtigter Beschwerden abhalten.

Darüber hinaus hat die Verfahrensordnung den Zweck, für das Unternehmen selbst bestimmte Eckpunkte für den Umgang mit Beschwerden festzulegen. Die Angabe von Verfahrensschritten und eines Zeitrahmens für die jeweiligen Schritte können dazu beitragen, eine einheitliche Praxis zu gewährleisten, die Verschleppung der Bearbeitung von Beschwerde zu verhindern und die Prüfung der Effektivität des Verfahrens zu erleichtern.

Möglicher Inhalt der Verfahrensordnung laut LkSG

Die Verfahrensordnung sollte Angaben zu den Abschnitten des Verfahrens und einen ungefähren Zeitrahmen für diese Abschnitte enthalten. Als Orientierungspunkt können hier die Angaben nach § 17 des Hinweisgeberschutzgesetzes dienen.

  • Dies sollte zunächst die Angabe umfassen, dass der Eingang der Beschwerde dem Beschwerdeführer bestätigt wird (dies ist nach § 8 Abs. 1 Satz 3 LkSG erforderlich) sowie eine Frist, binnen derer die Bestätigung erfolgt.
  • Ein möglicher erster Verfahrensabschnitt ist die Prüfung, ob die Beschwerde plausibel ist und in den Anwendungsbereich des Beschwerdeverfahrens fällt.
  • Darüber hinaus sollte die Verfahrensordnung die Angabe enthalten, dass der Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer erörtert wird. Diese Erörterung ist nach § 8 Abs. 1 Satz 4 LkSG verpflichtend.
  • Es bietet sich an, darüber einen weiteren Verfahrensabschnitt für die weitere Prüfung der Beschwerde vorzusehen. Diese kann etwa darin bestehen, dass weitere Personen angehört werden, dass das Unternehmen eine Prüfung der Situation am Ort des Geschehens vornimmt oder dem Zulieferbetrieb Gelegenheit zur Stellungnahme gibt.
  • Ein weiterer möglicher Verfahrensabschnitt ist eine Phase der Entscheidungsfindung, in der das Unternehmen prüft, welche Maßnahmen es ggf. ergreifen sollte und wie es diese umsetzen kann. Auch für diese Phase sollte das Unternehmen einen Zeitrahmen angeben.
  • Die Verfahrensordnung sollte darauf hinweisen, dass Beschwerden vertraulich behandelt werden. Das Erfordernis der Vertraulic...

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