Ist der Fortbestand der Gesellschaft gefährdet, soll der Geschäftsführer das Gesellschaftsvermögen im Interesse aller Gläubiger zusammenhalten. Ziel ist es, eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger im Rahmen des eröffneten Verfahrens zu erreichen bzw. eine bevorzugte Befriedigung einzelner Forderungsinhaber zu verhindern.[1]

Daher dürfen ab Eintritt der Insolvenzreife (Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit) grundsätzlich keine Zahlungen mehr geleistet werden (§ 15 Abs. 1 Satz 1 InsO n. F.). Als Zahlung gilt alles, was sich als Abfluss von Werten darstellt, auch ohne, dass aktiv geleistet wird, also z. B. auch eine nicht widerrufene Einzugsermächtigung, ein nicht gestoppter Dauerauftrag oder die Einlösung eines Schecks auf ein sich im Minus befindliches Geschäftskonto (Bevorzugung der Bank).

Das heißt nicht, dass gar nichts mehr ausgezahlt werden darf; nach § 15b Abs. 1 InsO n. F. sind von dem Verbot solche Zahlungen ausgenommen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar sind.[2]

[2] § 64 GmbHG wurde durch das SanInsFoG gestrichen; das Zahlungsverbot nach Insolvenzreife ist seit 1.1.2021 gebündelt für alle haftungsbeschränkten Gesellschaften (§ 64 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG, § 130a Abs. 1, auch i. V. m. § 177 S. 1 HGB, § 99 GenG) in § 15b InsO n. F. geregelt.

1.4.1 Erlaubte Zahlungen

Als Zahlungen, die der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns entsprechen, sind anerkannt:

  • weisungsgemäße Verwendung fremder Gelder zur Vermeidung einer Strafverfolgung gem. § 266 StGB;
  • Abführen fälliger Sozialversicherungsbeiträge an die Sozialkassen;
  • Zahlungen mit dem Ziel den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten, um entweder eine Sanierung zu ermöglichen oder aber schlimmere Schäden zu verhüten. Es kann z. B. sinnvoll sein, Löhne und Gehälter, Rechnungen für Telekommunikation sowie Mieten zu zahlen, wenn Aufträge noch abgeschlossen werden sollen, die erst nach Beendigung abgerechnet werden können.

Der Einzug von Forderungen einer insolvenzreifen GmbH auf ein debitorisches Konto wird grundsätzlich als masseschmälernde Zahlung i. S. v. § 15b Abs. 1 InsO n. F. (§ 64 Satz 1 GmbHG a. F.) angesehen. Eine solche masseschmälernde Zahlung liegt nicht vor, wenn bezüglich der Forderungen vor Insolvenzreife eine Sicherungsabtretung vereinbart und die Forderungen entstanden und werthaltig geworden sind und wenn der Geschäftsführer die Verwertung zu Gunsten der Bank als ordentlicher Geschäftsmann nicht verhindern müsse.[1]

1.4.2 Schutz der Vertragspartner

Der Geschäftsführer muss die Vertragspartner der Gesellschaft schützen. Das gilt gerade auch bei auf Dauer angelegten Vertragsverhältnissen. Der Geschäftsführer hat die persönliche Pflicht, den Kooperationspartner über die wirtschaftliche Lage zu informieren bzw. alle notwendigen organisatorischen Maßnahmen zu ergreifen, damit – nachdem der Insolvenzantrag gestellt ist – keine Aufträge mehr an vorleistungspflichtige Unternehmer erteilt werden, denn diese können bei Insolvenzeröffnung allenfalls noch mit der Quote bedient werden.[1]

Zahlungen nach Insolvenzantragsstellung sind grundsätzlich verboten, es sei denn sie wurden mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters vorgenommen (§ 15b Abs. 2 Satz 3 InsO n. F.) oder sie erfolgen im ordnungsgemäßen Geschäftsgang, wozu insbesondere solche Zahlungen gehören, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienen. Dies gilt aber nur, wenn der Insolvenzantrag rechtzeitig gestellt wurde. Dann soll der Geschäftsführer Zahlungen leisten dürfen, damit der Betrieb nicht zusammenbricht, was einen noch größeren Schaden für die Gläubiger bedeuten würde.

1.4.3 Zahlungen an Gesellschafter und Geschäftsführervergütung

Vorsicht ist geboten bei Auszahlungen an Gesellschafter. Führen diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft, muss der Geschäftsführer Ersatz leisten (vgl. § 15b Abs. 5, 4 InsO n. F., entspricht § 64 Satz 3 GmbHG a. F.).

 
Wichtig

Vor jeder Auszahlung: Solvenzprognose

Vor jeder Zahlung an die Gesellschafter muss der Geschäftsführer eine Solvenzprognose, d. h. eine Analyse der aktuellen und zukünftigen Liquidität, erstellen. Die Zahlung darf nur dann erfolgen, wenn die Prognose – unter Einbeziehung der fraglichen Zahlung an die Gesellschafter – die fortbestehende Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft ergibt. Die Prognose sollte sich dabei idealerweise über das laufende und das künftige Geschäftsjahr erstrecken. Ergibt die Prüfung der Liquidität der Gesellschaft, dass die Zahlung an einen Gesellschafter die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zur Folge hätte, dann ist der Geschäftsführer – trotz entgegenstehender Weisungen – berechtigt, die Vornahme der Zahlungen zu verweigern.[1]

Entscheidend für die Haftung des Geschäftsführers ist, dass die Zahlung die Zahlungsunfähigkeit herbeiführt. Ist die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig, würde die Zahlung die Zahlungsunfähigkeit also nur vertiefen, fehlt es an der notwendigen Kausalität.[2]

Befindet sich d...

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