Storytelling: Wie man Arbeitsunfälle richtig kommuniziert

Wie wir über Arbeitsunfälle sprechen, entscheidet, ob wir daraus lernen – oder nur mit dem Kopf schütteln. Sachliche Berichte allein helfen wenig. Geschichten hingegen bleiben im Kopf, regen zum Austausch an und stärken die Sicherheitskultur. Storytelling kann die Unfallkommunikation verbessern.

Arbeitsunfälle passieren täglich. Für die Betroffenen haben sie Konsequenzen, die von unangenehm bis katastrophal reichen. Meist müssen sie sich rechtfertigen und viel erklären. Unfälle ordentlich zu analysieren und die wahren Ursachen zu verstehen, ist wichtig. Nur so können passende Abhilfemaßnahmen definiert und umgesetzt werden, damit so etwas nicht wieder passiert. Wir wollen schließlich aus den Fehlern lernen.

Kommunikation bestimmt Qualität des Arbeitsschutzes

Neben einer guten Ursachenanalyse braucht es eine gute Kommunikation. Der Wert einer guten Kommunikation über Arbeitsunfälle und wie diese den Arbeitsschutz voranbringen kann, wird häufig unterschätzt. Wie wir über Unfälle sprechen, bestimmt, was die anderen darüber denken:

  • ob es eine hilfreiche Erinnerung oder gute Inspiration zum Arbeitsschutz wird oder eher eine Belustigung über das Ungeschick und die Unfähigkeit der anderen.
  • ob die Mitarbeitenden zukünftig zum Arbeitsschutz beitragen oder Gefahrstellen, Beinaheunfälle oder Erste-Hilfe-Fälle lieber verschweigen.

Unfallmeldung klassisch

Unfallmeldungen werden bereits in vielen Unternehmen kommuniziert. Allerdings kommt die Botschaft nicht immer so an, wie wir es gerne hätten. Wenn man sich wenig Gedanken über die Kommunikation macht oder vielleicht an globale Vorlagen gebunden ist, kann das z. B. so aussehen:

„Ein Mitarbeiter war mit Trockenbauarbeiten beschäftigt und befestigte mit einem Akkuschrauber Gipskartonplatten an der Unterkonstruktion. Dabei stand er auf einer Stehleiter. Während des Schraubens verlor er das Gleichgewicht, rutschte aus und stürzte von der Leiter ca. 3 m tief auf den Betonboden. Der Mitarbeiter erlitt starke Prellungen und sein Arm musste stabilisiert werden. Die benutzte Leiter war in schlechtem Zustand. Ein Fuß war verbogen.“

Es wurde versucht, das Geschehene so objektiv wie möglich darzustellen. Bei den Mitarbeitenden entstehen wahrscheinlich Gedanken im Kopf wie „Wie kann man nur so blöd sein“, „Warum benutzt man eine Leiter, die offensichtlich kaputt ist?“ „So etwas würde mir nie passieren“. Keine hilfreiche Botschaft. Keine Anstiftung, sich für Arbeitssicherheit zu engagieren.

Unfallmeldung als Geschichte

Ganz anders wirkt die Information über den Unfall, wenn sie in einer Geschichte verpackt erzählt wird:

„Anton ist einer der erfahrensten Kollegen im Trockenbau. Er ist 37, seit acht Jahren dabei und als hilfsbereiter und genauer Kollege bekannt. Mit seiner Erfahrung meistert er auch knifflige Aufgaben. Sein Zollstock ist ihm heilig, ein Familienerbstück, den verleiht er nie. Eines Tages kommt er ohne Zollstock zur Arbeit. Die Kollegen merken, dass er nicht bei der Sache ist. In Halle 3 müssen die Gipskartonplatten mit der Unterkonstruktion verschraubt werden. Danach kommen die Bodenleger und die Zeit drängt. Anton sucht nach der Stehleiter. Sie ist heute nicht an ihrem Platz. Er ärgert sich und nimmt eine andere Leiter. Beim Anschrauben verliert er das Gleichgewicht, rutscht von der Sprosse, landet auf dem Boden und muss ins Krankenhaus. Zum Glück hat er die scharfkantigen Werkzeugkisten nur knapp verfehlt. Die Leiter war in schlechtem Zustand, die Rutschhemmung fehlte und ein Fuß war verbogen. Solche Arbeitsmittel müssen sofort aussortiert und nicht nur in die Ecke gestellt werden. Jeder soll darauf achten, dass Arbeitsgeräte in gutem Zustand sind. Wie merkst du, wenn du mal nicht ganz bei der Sache bist?“

Anhand der Geschichte kann sich im Team ein Gespräch darüber entwickeln, worauf es tatsächlich ankommt: über Ablenkung, defekte Arbeitsmittel oder Zeitdruck. Eine wertvolle Auseinandersetzung und eine Erinnerung an Arbeitssicherheit, die ankommt. Die Führungskraft kann ihre Haltung zum Arbeitsschutz bekräftigen und an die Regeln und Gefährdungen im eigenen Arbeitsbereich erinnern.

Vom Unfall zur Geschichte

Beim Erzählen solcher Unfälle als Geschichte kommt es auf die richtige Dosierung relevanter Details, menschliche Nähe und betriebliche Besonderheiten an. Der Held muss lebendig und die Botschaft klar sein. Es ist hilfreich, sich einige sympathische Mitarbeiter*innen-Avatare auszuwählen, die für solche Botschaften verwendet werden. Damit schützt man die wahren Pechvögel davor, öffentlich an den Pranger gestellt zu werden.

Weil es für Ungeübte schwierig sein kann, aus Fakten Geschichten zu machen, gibt es das Story Kit für Arbeitsschutz. Es hilft, schnell und unkompliziert Geschichten zu erstellen. Man kann solche Geschichten auch als Videoclips bekommen, auf Knopfdruck in verschiedenen Sprachen. Damit wird die Unfallkommunikation noch einfacher und vor allem effizienter.

Entscheidend ist, dass die richtige Botschaft ankommt. Der Unfall soll so oder so ähnlich nicht noch einmal geschehen. Das klappt nur, wenn die Botschaft in den Köpfen der anderen Mitarbeitenden verankert ist. Geschichten bzw. Storytelling verbinden Emotionen und Fakten und wirken dadurch besser als pure Fakten. Außerdem regen sie zu einem Erfahrungsaustausch an, der beim Thema Arbeitssicherheit besonders wertvoll ist. Wo stellt man bei Ihnen defekte Leitern mal eben ab?

Fazit: Gute Geschichten stärken das Sicherheitsbewusstsein

Wie Arbeitsunfälle kommuniziert werden, hat einen großen Einfluss darauf, ob die richtige Botschaft ankommt und das Unternehmen aus dem Unfall lernen kann. Wenn Arbeitsunfälle als gute Geschichte erzählt werden, bleiben sie im Kopf – und regen zu weiteren Auseinandersetzungen mit dem Thema an. Das stärkt das Sicherheitsbewusstsein und fördert die Sicherheitskultur. Im Gegensatz dazu verpuffen abstrakte Regeln oder trockene, rein sachliche Unfallberichte oft wirkungslos.

Das könnte Sie auch interessieren

Die Bradley-Kurve und ihr Nutzen für die Unternehmensentwicklung