Das Interview führte Bettina Brucker M. A., Freie Journalistin und Autorin.
Frau Dr. Krone, seit wann gibt es „Meyer’s Fit“?
2010 haben wir im Unternehmen mit der Einführung des Gesundheitsmanagements begonnen. Der Impuls und die konzeptionelle Idee kamen vom HR-Team. Wir haben 2 Jahre mit Rückendeckung der Geschäftsleitung Verschiedenes ausprobiert und pilotiert. „Meyer’s Fit“ startete dann 2012.
Bei fit denkt man sofort an Fitness. Geht es nur um Bewegungsangebote?
Nein, bei Weitem nicht. Laut Sozialgesetzbuch umfasst Prävention und Selbsthilfe ja auch Themen, wie Entspannung, Ernährung, psychische Belastungen oder Suchtmittel.
Orthopädische Themen sind bei uns zwar ein Schwerpunkt, da der größte Teil unserer Mitarbeiter im gewerblichen Bereich tätig ist. Wir haben aber auch eine kostenlose, vertrauliche Beratungshotline sowie Stress-Coaches.
Mit unserem ganzheitlichen Ansatz unterstützen wir also auch bei psychischen und psycho-sozialen Themen. Dabei nutzen einige Mitarbeiter die anonyme Hotline. Andere brauchen – etwa bei Sorgen in der Familie – als Gegenüber eine Person, die sie kennen und der sie vertrauen.
Sie haben unternehmenseigene Sportstätten. Haben Sie auch festangestellte Trainer?
Am Standort Osnabrück haben wir Fitnessräume im Firmengebäude und einen kleinen Fußballplatz nebenan. Wir engagieren die Trainer nach Bedarf. Wenn z. B. mehr als 5 Mitarbeiter eine Reha-Verordnung haben, organisieren wir dazu den Reha-Kurs in unseren Räumen und lassen den Trainer dafür kommen.
Außerdem ist geplant, unsere Räumlichkeiten etwa für Präventionskurse der Krankenkassen im Bereich Entspannung zu nutzen.
Wie viele der 750 Mitarbeiter nehmen die Angebote wahr?
Durch unsere Zufriedenheitsbefragungen schätze ich, dass zwischen 60 und 70 % schon einmal ein Angebot wahrgenommen haben.
Wenn ich als Mitarbeiter an einem Reha-Sportkurs teilnehmen will, wie geht das? Und muss ich dafür etwas bezahlen?
Der klassische Reha-Sportkurs wird vom Arzt verordnet und von der Krankenkasse bezahlt. Die wenigsten Menschen wissen, dass durch diese Verordnung das ärztliche Budget nicht beeinträchtigt wird. Deshalb haben wir alle Ärzte rund um Osnabrück darüber schriftlich informiert und sie dazu motiviert, unseren Mitarbeitern Reha-Sportkurse zu verordnen, die dann bei uns im Unternehmen durchgeführt werden können.
Bezahlen müssen die Mitarbeiter für die Angebote nichts. Wir stellen den Trainer und organisieren das Angebot. Der Mitarbeiter bringt als Eigenleistung die Zeit dafür ein. Er muss also vor dem Kurs ausstempeln. Dieses Pari-Pari-Prinzip trägt dazu bei, dass die Angebote wertgeschätzt werden und dass Gesundheit als selbstgesteuertes Thema und nicht als Berieselung wahrgenommen wird.
Welche Qualifikation haben Ihre unternehmenseigenen Stress-Coaches?
Wir haben ganz bewusst ausschließlich Führungskräfte qualifiziert. Zunächst fanden das nicht alle gut, dass man mit einer Stressproblematik ausgerechnet zu einer Führungskraft gehen soll. Doch für mich bedeutet genau das „gesundes Führen“. Die Führungskraft muss fragen und wissen: Wie geht es meinen Mitarbeitern?
Wir haben 7 interessierte Führungskräfte an 6 Tagen in 2 Blöcken ausbilden lassen. Inhalte der Qualifizierung waren Selbstreflexion, der eigene Umgang mit Stress sowie Gesprächsführung mit Betroffenen. Einmal pro Jahr nehmen die Stress-Coaches an einem Supervisionsworkshop teil.
Woran können Sie die Erfolge von „Meyer’s Fit“ festmachen?
Ich mache den Erfolg nicht gerne ausschließlich an der AU-Quote fest, auch wenn wir hier eine Reduzierung feststellen können.
Ein Beispiel: Ich wurde von einem Betriebsrat gefragt, wie viele Mitarbeiter im letzten Jahr die Hotline angerufen hätten. Als ich "30" antwortete, fragte er, ob sich das denn lohne. Die Zahl mag gering erscheinen. Aber wenn ein Krisenangebot 30 Menschen in einer akuten Notlage hilft, ist das für mich ein Erfolg.
Erfreulich finde ich, dass so viele unsere Angebote wahrnehmen und dass 80–90 % davon sagen, dass sie sehr zufrieden damit sind und dass das jeweilige Angebot für sie hilfreich war. Unsere Angebote haben i. d. R. dann Erfolg, wenn die verantwortlichen Führungskräfte dahinterstehen.
Wo sehen Sie den größten Bedarf im Bereich Gesundheitsmanagement in den nächsten Jahren?
Bei der psychischen Gesundheit, ganz konkret in der Förderung der Resilienz. Rasantes Tempo bei den Entwicklungen, ständige Veränderungen im Job, aber auch im privaten Umfeld belasten und überfordern. Schon unsere Auszubildenden sind davon betroffen.
Wichtig ist es, die Widerstandskraft, die psychische Widerstandskraft, aufzubauen und zu stärken. Das Thema Resilienz muss in der Führung ankommen und von ihr aufgegriffen werden.
Wie schätzen Sie die Übertragbarkeit Ihres Konzeptes für andere BGHW-Mitgliedsbetriebe ein?
In seiner konzeptionellen Reife ist es nur für größere Mittelständler geeignet. Kleineren Unternehmen fehlen dafür Budget und Fachpersonal. Doch den Grundgedanken kann man auch auf den 10-Mann-Betrieb übertragen.
Dreh- und Angelpunkt ist die Führung. Stimmt die Führungskultur im Unternehmen, ist die erste Bedingung für den Erfolg des betrieblichen Gesundheitsmanagements gegeben. Als Zweites ist es wichtig, Gesundheitsmanagement ganzheitlich zu sehen und zu bearbeiten und dabei auch Tabuthemen anzugehen. Und Drittens muss man auf das Individuum schauen, also Herrn Müller und Herrn Schulze fragen, was sie brauchen. Maßnahmen nach dem Gießkannenprinzip machen keinen Sinn.
Wer sich an Führungskultur, Ganzheitlichkeit und Individualität orientiert, kann beim betrieblichen Gesundheitsmanagement viel erreichen.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Dr. Krone.
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