Gesundheitsmanagement: Das können Arbeitgeber tun

Digitale Transformation, hohe Agilitätsansprüche, intensive Nachhaltigkeitsbemühungen und die Umgestaltung der Arbeitswelt hinterlassen Spuren: Deutsche Unternehmen und ihre Mitarbeitenden sind erschöpft. Auch weil das alles finanzielle Folgen hat, müssen Arbeitgeber handeln.

Depressionen, chronische Erschöpfung und Angsterkrankungen erreichten 2022 einen Höchststand, wie die DAK herausfand. Die beruflichen Fehlzeiten lagen mit 301 Fehltagen je 100 Versicherten aufgrund psychischer Erkrankungen um 48 Prozent über dem Niveau von vor zehn Jahren. Dabei waren Depressionen der wichtigste Krankschreibungsgrund, so der aktuelle Psychreport der Gesundheitskasse, basierend auf den Daten von 2,4 Millionen Beschäftigten. Vor diesem Hintergrund wächst der Druck auf Unternehmen, Verantwortung für die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu übernehmen.

Mehr über die soziale Dimension von Nachhaltigkeit erfahren Sie in unserem Podcast:

Psychische Gesundheit: Druck auf Unternehmen wächst 

Der Kölner Bewusstseinstrainer, Achtsamkeitslehrer und Autor Georg Lolos begleitet Unternehmen seit vielen Jahren, etwa mit Kursen, in denen Teilnehmende lernen, im Sinne der mentalen Gesundheit besser für sich selbst und andere zu sorgen. Lolos beobachtet, dass sich Unternehmen zunehmend der mentalen Gesundheit annehmen: „Zum einen prägen gesellschaftliche Erwartungen an unternehmerisch verantwortungsbewusstes Handeln immer mehr die Unternehmenskulturen. Daneben wird ein Arbeitsumfeld, das den Menschen und seine Gesundheit in den Mittelpunkt stellt, immer bedeutender, um die Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu erhöhen sowie Fachkräfte zu gewinnen und zu halten.“ Vor allem aber steht für Unternehmen der wirtschaftliche Erfolg auf dem Spiel. Laut dem Kiel Institut für Weltwirtschaft kostete der hohe Krankenstand und der sprunghafte Anstieg psychischer Erkrankungen die deutsche Wirtschaft allein im Jahr 2022 bis zu 42 Milliarden Euro.

Große Unternehmen unterstützen mentale Gesundheit umfassend

Auf die erhöhte Nachfrage nach Unterstützung der mentalen Gesundheit reagieren große Unternehmen schon jetzt. „Mit unserem umfassenden Employee Assistance Program kümmern wir uns um physische, psychische, finanzielle und soziale Aspekte", so Oliver Herrmann, Senior Vice President und Tribe Lead New Ways of Working, und betont: „Hierzu gehören nicht nur Hotlines, Psychologen, Beratungen und Coachings, sondern auch Workshops und Vorträge.“ Für spezifische Anliegen steht Telekom-Mitarbeitenden eine 24/7-Hotline zur Verfügung, die sich an alle Zielgruppen richtet. „Führungskräfte haben eine eigene Hotline, die spezifische Herausforderungen in ihrer Rolle als Führungsperson behandelt", berichtet Herrmann.

Oliver Herrmann, Telekom

Achtsamkeit ist ein weiterer Schwerpunkt, der durch Programme wie „Search inside Yourself" und die Telekom-interne Gruppe „Mindfulness Pioneers“ mit mehr als 1.000 Mitgliedern vorangetrieben wird. „Die Vielfalt in dieser Community spiegelt unterschiedlichste Achtsamkeits-Elemente wider, von Schlaf und Ernährung über Selbst-Reflexion bis hin zu Meditation, Yoga und weiteren achtsamen Formen der Bewegung", erläutert Herrmann. „Außerdem bieten wir auf der Plattform ‚Learning from Experts‘ täglich über zwei Dutzend Veranstaltungen an, darunter Yoga, Atemsessions und Meditation.“ Zusätzlich hat die Telekom während der Corona-Pandemie die von Psychologen und Neurowissenschaftlern begleiteten Reihen „Starke Psyche" und „Kopfsalat & Bauchgefühl“ mit regelmäßigen Live-Sessions eingeführt, die im Schnitt von über 2.000 Mitarbeitenden besucht werden.

Diese Initiativen flankieren den New-Work-Ansatz, der Arbeit als stärkend und nicht schwächend betrachtet. Herrmann hebt hervor: „Produktivität und Leistungsfähigkeit sind nicht im ‚always-on’ Modus zu erhalten. Daher bieten wir diese Formate als Arbeitgeber an, auch wenn sie zum Teil weit über den beruflichen Kontext hinausgehen.“ Die Erfolge der Maßnahmen werden durch regelmäßige Mitarbeiterbefragungen sowie spezielle Gesundheitsfragebögen ermittelt. Laut Herrmann spiegeln die Ergebnisse der vergangenen Jahre eine durchgängig hohe Mitarbeitenden-Zufriedenheit wider.

So viel Einfluss hat mentale Gesundheit auf Führung 

Zahlreiche Studien verweisen auch auf den direkten Zusammenhang zwischen Führung und Fehlzeiten. Achtsamkeitslehrer Georg Lolos erklärt: „Von unserer mentalen Gesundheit hängt ab, wie wir uns verhalten und wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen. Alle unsere Entscheidungen und Handlungen werden von dieser inneren Verfassung bestimmt. Je achtsamer und fürsorglicher wir mit uns selbst umgehen, desto besser können wir auch ein unterstützendes Arbeitsumfeld gestalten.“ Gerade in dem aktuell herausfordernden gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Umfeld gewinne dies an Bedeutung.

Auch Herrmann von der Telekom betont die Schlüsselrolle psychologischer Sicherheit für die Führungskultur. Die Bonner setzen seit einigen Jahren auf das Konzept der „angstfreien Organisation“ nach Amy Edmondson, bieten dazu Schulungen für Führungskräfte aller Ebenen an. „Das übergeordnete Ziel ist, ein Bewusstsein für die komplexen Zusammenhänge zu schaffen, insbesondere in Bezug auf die Auswirkungen von psychologischer Sicherheit oder deren Mangel. Unsere Führungskräfte erhalten nicht nur theoretisches Wissen, sondern auch konkrete Handlungshilfen, um aktiv zum Aufbau von psychologischer Sicherheit und Vertrauen im Team beizutragen“, so Herrmann.

Die Hamburger Sparkasse (HASPA) setzt auf Gesundheitsmanagement, das die mentale Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden in den Fokus rückt. Dabei geht es laut Eva-Maria Wickboldt, Expertin für Transformationsmanagement, Nachhaltigkeit, Diversity und Gesundheit im Bereich People & Culture, neben der Gesundheit der Einzelnen auch um die Leistungsfähigkeit des gesamten Teams, das den wachsenden Anforderungen der modernen Arbeitswelt gerecht werden will. „Wir möchten, dass unsere Mitarbeitenden motiviert und gesund ihren Aufgaben nachgehen können. Dazu bieten wir seit 14 Jahren eine Mental Health Beratung über einen externen Partner an. Diese deckt persönliche, mentale und gesundheitliche Problemstellungen ab und ist rund um die Uhr anonym und über verschiedene Kanäle erreichbar. Je nach Bedarfslage bieten wir Beratung, Coaching und Therapievermittlungen an.“

Eva-Maria Wickboldt, HASPA

Gesundheitsmanagement: Eine ganzheitliche Strategie

Auch die HASPA setzt auf eine ganzheitliche Herangehensweise, bei der Bewegung eine wichtige Rolle spielt. „Unsere Sportgemeinschaft hat über 40 Angebote, darunter Entspannungsprogramme, Massage und Online-Yoga." In Partnerschaft mit externen Experten werden zudem Beratungen und Vorträge zu Themen wie Kind und Erziehung, Stress- und Burnout-Prävention sowie dem Umgang mit Auffälligkeiten angeboten. Für das kommende Jahr entwickeln die Hamburger eine Lernstrecke zu Resilienz und dem Umgang mit Belastungen im Team.

Das „HASPA Führungsverhalten" spielt eine zentrale Rolle bei der Unterstützung der Mitarbeitenden. „Unsere Führungskräfte tragen nicht nur Verantwortung für einzelne Mitarbeitende, sondern auch für das gesamte Team und dessen Zusammenarbeit. Daher schulen wir sie so intensiv“, meint Wickboldt. „Damit fördern wir die psychologische Sicherheit in unseren Teams und beeinflussen somit die Arbeitszufriedenheit und Informationsverarbeitung der Mitarbeitenden positiv“, ergänzt Anna Maria Krohn, Spezialistin für Transformationsmanagement bei der HASPA. Als Masterandin erforschte sie die zugrundeliegenden Wirkmechanismen und fand heraus, dass neben der guten Beziehungsqualität zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden auch die Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen essentiell für die psychologische Sicherheit ist.

Der Erfolg von Gesundheitsmanagement lässt sich vielseitig messen

Die HASPA misst den Erfolg ihrer Maßnahmen mit spezifischen „People KPIs“ und regelmäßigen Befragungen auf allen Hierarchie-Ebenen. Dabei werden etwa „Beschleunigungszustände“ und die wahrgenommene Wertschätzung erfragt. Instrumente des Gesundheitsmanagements wie anonymisierte Beratungsthemen, Nutzungszahlen und Häufigkeit der Beratungsgespräche, werden ebenfalls detailliert analysiert.

Der dramatische Anstieg psychischer Erkrankungen erfordert von Unternehmen verstärkte Maßnahmen für die mentale Gesundheit. Die steigende Verantwortung der Arbeitgeber wird bei großen Unternehmen wie der Telekom und der Hamburger Sparkasse durch umfassende Programme zur Unterstützung der mentalen Gesundheit deutlich. Eine auf den Menschen ausgerichtete Führungskultur und die Förderung psychologischer Sicherheit erweisen sich dabei als Schlüssel für den Umgang mit den Herausforderungen der mentalen Gesundheit in der Arbeitswelt.


CSRD und Gesundheitsschutz in Unternehmen: Das ändert sich ab 01. Januar 2025 

Auch die EU-Taxonomie verschärft die Richtlinien zur sozialen Verantwortung von Unternehmen. Seit 2017 trägt die CSR-Berichtspflicht dazu bei, die Transparenz über soziale Aspekte zu erhöhen. Bisher waren nur börsennotierte Unternehmen ab 500 Mitarbeitenden berichtspflichtig. Durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) müssen ab 1. Januar 2025 auch Unternehmen ihre Verantwortung für die Beschäftigten hinsichtlich des Gesundheitsschutzes und der Mitarbeiterzufriedenheit offenlegen, die zwei dieser drei Kriterien erfüllen:
Bilanzsumme von mehr als 25 Millionen Euro, über 50 Millionen Euro Nettoumsatzerlöse, mehr als 250 Beschäftigte.