Preisgekrönte Sozialberatung bei Rewe

Für das Projekt „LoS! Lebensphasenorientierte Selbsthilfekompetenz“ wurde die Rewe-Zentralfinanz in Köln mit dem Präventionspreis 2013 der Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution (BGHW) ausgezeichnet. Über 2 Jahre wurden Multiplikatoren geschult und Konzepte erarbeitet, um Mitarbeiter zu unterstützen, wenn sie sich in einer schwierigen Lebenssituation befinden.

Roland Kraemer, Funktionsbereichsleiter Gesundheitsmanagement der Rewe Group, sprach mit der Haufe-Redaktion über die Entwicklung und die Erfolge des Projekts.

Herr Kraemer, warum gerade dieses Projekt?

Schon 2009/2010 konnten wir feststellen, dass das Thema Sozialberatung für Unternehmen in Deutschland immer relevanter wird. Also auch für die Rewe Group. Als dezentrales Unternehmen mit weitgestreuten Standorten haben wir nach einer Beratungsform gesucht, die wenig aufwendig, innerhalb unserer Strukturen durchführbar und finanziell tragbar ist.

Wie viele Multiplikatoren wurden bisher qualifiziert?

Während der zweijährigen Projektlaufzeit waren es 30 Mitarbeiter, die zu Multiplikatoren ausgebildet wurden. Das erfolgte in 2 Phasen.

Eine Schulung dauert 2 Tage. Später treffen sich die Multiplikatoren mindestens einmal pro Jahr zum Austausch. Außerdem haben wir ein geschlossenes Portal im Internet eingerichtet. In diesem Teamroom können sich die Multiplikatoren jederzeit ortsungebunden austauschen.

Heute, knapp ein Jahr nach Projektende, haben wir rund 100 Multiplikatoren.

Aus welchen Funktionsbereichen/Abteilungen kommen die Multiplikatoren?

Gestartet sind wir vor allem mit Betriebsräten und Schwerbehindertenbeauftragten. Diese haben schon von ihrer Funktion her eine Vertrauensstellung. Die Freigestellten davon sind zudem viel unterwegs und können vor Ort beraten. Schon während der Pilotierung wollten auch Personalreferenten mit dabei sein. Die Fachkräfte für Arbeitssicherheit, die Gesundheitsreferenten usw. folgten.

Das Ausbildungsprogramm ist auf keine Zielgruppe festgelegt. Heute repräsentieren unsere Multiplikatoren die gesamte Mitarbeiterstruktur. So haben wir einen Standort, an dem eine komplette Mannschaft als „Ersthelfer für die Seele“ engagiert ist: Personalleiter, Führungskräfte, Vertriebsmitarbeiter und Betriebsräte.

Zum Multiplikator wird man übrigens nicht abgeordnet. Wer diese Aufgabe ehernamtlich übernehmen will, muss das von sich aus wollen. Wenn geklärt ist, dass alle damit einverstanden sind – also auch die Abteilung dies wünscht –, wird der Mitarbeiter für die Schulung freigestellt.

Woran können Sie Erfolge von „LoS!“ festmachen?

Wie in allen Unternehmen haben Mitarbeiter auch bei uns persönliche Sorgen, die sie belasten und das Arbeiten schwer machen. Am häufigsten entwickeln sich belastende Situationen, wenn Angehörige zu pflegen sind, bei Trennung bzw. Scheidung oder bei finanziellen Problemen. Scheidung und finanzielle Sorgen treten oft zusammen auf. Bei den jüngeren Mitarbeitern können aber auch Dinge, wie Mobilfunkverträge Geldsorgen verursachen.

Der Bedarf nach dieser Form von Erster Hilfe ist groß und nimmt zu. Dass der Bedarf sichtbar wird, liegt natürlich auch daran, dass wir jetzt gezielt Hilfe anbieten. Dass die Hilfe angenommen wird, zeigt wiederum, dass LoS! akzeptiert wird.

Wie groß der Beratungsbedarf ist und wie viel Zeit er kostet, lässt sich nur schwer greifen. Mancher Multiplikator wird nur einmal im Monat, ein anderer einmal pro Woche tätig. Pro Jahr sind es bei uns zurzeit geschätzt etwa 2.000 Fälle bei 225.000 Mitarbeitern.

Viele Beratungen sind nach einer Viertelstunde erledigt. Die LoS!-Multiplikatoren beraten ja nicht auf inhaltlicher Ebene. Sie sind keine Hobby-Psychologen oder Sozialberater. Die Betroffenen sollen und müssen sich selbst helfen. Die Multiplikatoren bieten „Erste Hilfe für die Seele“ und zeigen, wo es professionelle Hilfsangebote – z. B. staatlich oder karitativ – gibt. Bei der Beratung helfen ihnen die Checklisten und Handlungshilfen, die während des Projekts entwickelt wurden.

Wie machen Sie auf LoS! im Unternehmen aufmerksam?

In unserer Mitarbeiterzeitschrift haben wir in mehreren Ausgaben über das Projekt berichtet und die Multiplikatoren persönlich vorgestellt. Auch im Intranet stehen Informationen. LoS! war und ist zudem Thema auf unseren Betriebsratskonferenzen. Mit einer Informationswand sind die Multiplikatoren bei Gesundheitstagen oder Betriebsversammlungen präsent. Niederschwellig informieren wir auch in den Filialen. Dort hängen Plakate aus, die u. a. die Ansprechpartner vor Ort nennen.

Bei „LoS!“ handelt es sich ursprünglich um ein Förderprojekt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS). Wie finanzieren Sie „LoS!“ heute?

Die Personalverantwortlichen und Entscheider der Rewe Group standen von Anfang an hinter der Projektidee und tragen LoS! auch heute mit.

Fördermittel vom Bund sind eine schöne Sache, aber auch mit zusätzlichem Aufwand verbunden. Findet eine Pilotierung im Unternehmen statt, erleichtert das den Einstieg, da das Projekt finanziell gefördert und wissenschaftlich begleitet wird. Wir wurden – wie bereits schon einige Male zuvor – kompetent von der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) und dem Institut für gesundheitliche Prävention (IFGP) unterstützt.

LoS! ist im Alltag keine kostenaufwendige Maßnahme. Es sind dafür keine riesigen Beträge notwendig. Es gibt also auch kein spezielles Budget für LoS! in unserem Gesundheitsmanagement. Die Multiplikatoren setzen ein gewisses Zeitkontingent ein. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die intrinsisch motivierten Multiplikatoren die Beratungsaufgabe im Rahmen ihrer Tätigkeit erledigen.

Das Projekt wurde auch prämiert, da es für andere BGHW-Mitgliedsbetriebe mit Filial-Netz geeignet ist. Worin sehen Sie den Vorteil für Filialisten?

Die „Erste Hilfe für die Seele“ kostet nicht viel Geld. Die Beratung kann überall angeboten werden. Die Schulung je Multiplikator dauert nur 2 Tage.

Die Checklisten und Handlungshilfen stehen im Internet kostenfrei zu Verfügung. Sie sind einfach geschrieben. Jeder kann sie verstehen und umsetzen, das ist kein großes Hexenwerk. Es geht nur darum, Hilfe zur Selbsthilfe in Gang zu setzen. Nicht mehr und nicht weniger.

Herr Kraemer, vielen Dank für das Gespräch.

Mehr zum Thema Kritische Lebensphasen gemeinsam bewältigen und den Link zur LoS! Projektseite finden Sie hier.

Das Interview führte Bettina Brucker M. A., freie Journalistin und Autorin

Schlagworte zum Thema:  Vorbildlicher Arbeitsschutz, Best Practices