Lärm: Alles Wissenswerte zur DGUV-Empfehlung

Sind Beschäftigte an Arbeitsplätzen mit hoher Lärmbelastung tätig, ist grundsätzlich die Gefahr einer Gehörschädigung gegeben. Im Rahmen der Arbeitsmedizinischen Vorsorge „Lärm“ sollen Schädigungen des Gehörs durch Lärm frühzeitig erkannt werden.

Die DGUV-Empfehlung „Lärm“ dient der Früherkennung von Ohr- und Gehörschäden aller Art. Im Rahmen dieser Vorsorge werden vor allem der Lärmexpositionspegel und die Dauer der Lärmbelastung betrachtet, da sie die entscheidenden Einflussgrößen für die Gehörgefährdung sind. Die Gefahr von Gehörschäden besteht bei Lärmexpositionspegeln am Arbeitsplatz ab 85 dB A (A bedeutet: bewertet mit Frequenzfilter A). Während bei Lärmexpositionspegeln von 85 bis 89 dB (A) Gehörschäden nur bei lang dauernder Lärmbelastung auftreten können, nimmt bei Lärmexpositionspegeln ab 90 dB (A) die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung deutlich zu.

Was sind die Grundlagen für die Vorsorgeuntersuchung?

Wichtigste Grundlage der arbeitsmedizinischen Vorsorge ist das Vorliegen einer aktuellen Gefährdungsbeurteilung. Weiterhin muss im Vorfeld geklärt sein, wie die Arbeitsplatzverhältnisse abgesehen von den gesundheitlichen Risiken genau aussehen und welche individuellen Beanspruchungen beim Beschäftigten vorliegen. Erst aus der Synthese dieser Informationen lassen sich Inhalt und Umfang der Beratung und potenziell darauffolgenden Untersuchung festlegen.

Was gilt für den durchführenden Betriebsarzt?

Der zuständige Arzt muss über die Beurteilung der spezifischen Gesundheitsrisiken sowie die Durchführung der relevanten Untersuchungsmethoden erforderlichen Fachkenntnisse verfügen. Hat er diese nicht, muss zusätzlich ein weiterer Arzt mit den entsprechenden Kompetenzen hinzugezogen werden. 

Lärm: Welche Vorsorgearten sind möglich?

Eine Vorsorge ist für den Arbeitgeber bei Tätigkeiten mit Lärmexposition Pflicht, wenn die oberen Auslösewerte von 85 dB (A) bzw. 137 dB (C) erreicht oder überschritten werden. Bei der Anwendung dieser Auslösewerte darf die dämmende Wirkung eines persönlichen Gehörschutzes nicht berücksichtigt werden.
Eine Angebotsvorsorge gilt bei Tätigkeiten mit Lärmexposition, wenn die unteren Auslösewerte von 80 dB (A) bzw. 135 dB (C) überschritten werden. Auch hierbei darf die dämmende Wirkung eines persönlichen Gehörschutzes nicht berücksichtigt werden.
Auf Wunsch des Beschäftigten ist ihm auch eine Wunschvorsorge zu ermöglichen, es sei denn, aufgrund der Beurteilung der Arbeitsbedingungen und der vom Unternehmen getroffenen Schutzmaßnahmen ist nicht mit einem Gesundheitsschaden zu rechnen.

Welche technischen Anforderungen an die Untersuchungen gibt es?

Besondere technische Anforderungen für die Durchführung einer Untersuchung betreffen das Audiometer und den Untersuchungsraum. 
Bei den Audiometern dürfen nur ein Reinton-Audiometer nach DIN EN 60645-1: 2018-08 sowie ein Sprachaudiometer nach DIN EN 60645-2 mit Testmaterial nach DIN 45621 auf Tonträgern nach DIN 45626 eingesetzt werden.
Im Untersuchungsraum muss der Störschallpegel so niedrig liegen, dass alle Prüftöne noch an der Normal-Hörschwelle (Hörverlust – 0 dB) gehört werden können. Um die Eignung eines Raums prüfen zu können, nimmt man zweckmäßig das Audiogramm einer jungen Versuchsperson auf, bei der kein Hörverlust vorliegt. Dieses Audiogramm darf sich von dem ohne Störgeräusch (bspw. bei Betriebsruhe) aufgenommenen nicht wesentlich unterscheiden. 

Wie läuft die Vorsorge ab?

  •  Beratung des Unternehmens durch den Betriebsarzt.
  • Gefährdungsbeurteilung durch das Unternehmen, ggf. sind Ergebnisse Anlass für die arbeitsmedizinische Vorsorge.
  • Der Unternehmer teilt dem Arzt den Anlass für den Vorsorgetermin mit und beauftragt ihn, die Vorsorge durchzuführen.
  • Der durchführende Arzt muss sich im Vorfeld der Beratung die notwendigen Kenntnisse über den Arbeitsplatz des Beschäftigten sowie dessen gesundheitliche Risiken verschafft haben – darunter u. a. die aktuelle Gefährdungsbeurteilung. 
  • Darauf folgt als erster Schritt der eigentlichen Vorsorge die Eingangsberatung einschließlich einer Anamnese
  • Bei der allgemeinen Anamnese stellt der Arzt unter anderem fest, ob eine angeborene Schwerhörigkeit oder entzündliche Ohrenerkrankungen, beispielsweise Mittelohrentzündungen, vorliegen, ob es in der Vergangenheit Operationen im Bereich des Ohrs gegeben hat oder ob Verletzungen am Trommelfell oder Schädel mit Auswirkungen auf das Ohr aufgetreten sind. Auch auf Beschwerden wie Tinnitus oder Schwindel spricht der Arzt den Beschäftigten an.
  • Bei der Arbeitsanamnese ist die Lärmexposition bei der aktuellen Tätigkeit, aber auch bei früheren beruflichen als auch außerberuflichen Tätigkeiten Gegenstand der Befragung.
  • Der Arzt stellt dabei fest, ob eine weitergehende ärztliche Untersuchung erforderlich ist. Ist sie das seiner Meinung nach, kann sie aber dennoch vom Beschäftigten abgelehnt werden.
  • Bei einer Untersuchung steht die audiometrische Untersuchung im Rahmen der klinischen Untersuchung im Fokus des Arztes. Im Vorfeld dieser Untersuchung sollte das gehör des Beschäftigten mindestens 14 Stunden lang nicht unter Schalleinwirkung mit einem Mittelungspegel von 80 dB und mehr gestanden haben (inklusive „Freizeitlärm“). Bei der Erstuntersuchung erfolgt eine Inspektion des Außenohrs sowie eine Tonaudiometrie in Luftleitung (Testfrequenzen 1 – 6 kHz).
  • Im Anschluss an eine Untersuchung kommt es zu einem weiteren Beratungstermin. Neben der Beratung des Beschäftigten kann ggf. auch eine Beratung des Arbeitgebers stattfinden. Hierbei schlägt der Arzt bei unauffälligem Befund eine Nachuntersuchung vor, die im Ablauf der (Erst-) Vorsorge entspricht. Ist der Befund dagegen auffällig, ist eine Ergänzungsuntersuchung angezeigt. Diese „Ergänzungsuntersuchung Lärm II“ sollte durchgeführt werden, wenn folgende Anhaltspunkte vorliegen:
    • Operation am Mittel- oder Innenohr in der Vergangenheit
    • Hörsturz in der Vergangenheit
    • Hörstörungen und Ohrgeräusche in Verbindung mit Schwindelanfällen
    • Entzündungen am Gehörgang oder an der Ohrmuschel
    • Im Rahmen der Untersuchung auf mindestens einem Ohr bei mehr als einer der Testfrequenzen (1 – 6 kHz) erreichten oder überschrittenen Luftleitungshörverlust
    • Gegenüber der letzten Hörprüfung auf mindestens einem Ohr innerhalb eines Zeitraums von maximal drei Jahren festgestellte Luftleitungsverschlechterung um mehr als 30 dB
    • Erreichter oder überschrittener Luftleitungshörverlust bei 2 kHz auf mindestens einem Ohr
    • Überschreitung des entsprechenden Werts der Summe der Luftleitungsverluste bei 2,3 oder 4 kHz auf mindestens einem Ohr
  • Zum Abschluss händigt der Arzt sowohl dem Beschäftigten als auch dem Unternehmer eine Vorsorgebescheinigung aus. Diese erhalten beide Personen in jedem Fall, egal, ob neben der Eingangsberatung auch eine Untersuchung stattgefunden hat oder nicht.
  • Nach der Vorsorge muss der Arzt alle Ergebnisse auswerten. Meint er, dass die Schutzmaßnahmen am betreffenden Arbeitsplatz nicht ausreichen, hat er darüber den Arbeitgeber/Unternehmer zu informieren und muss diesem darüber hinaus auch bessere Schutzmaßnahmen vorschlagen. Dazu gehören:
    • Verringerung der Lärmexposition des Beschäftigten durch Substitution, technische, organisatorische und personenbezogene Maßnahmen
    • Auswahl lärmarmer Arbeitsmittel und –verfahren
    • Auswahl geeigneter persönlicher Gehörschutzmittel
    • Motivation des Beschäftigten zur Lärmminderung und zur Benutzung von persönlichem Gehörschutz bei seiner Tätigkeit durch Unterweisung mit Übungen und Unterrichtung
  • Die ärztlichen Ergebnisse muss das Unternehmen wiederum in der Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung und seiner Schutzmaßnahmen berücksichtigen.
     
Schlagworte zum Thema:  Arbeitsmedizinische Vorsorge, Lärmschutz