Gefährdungsbeurteilung bei Alleinarbeit

Bei Alleinarbeit müssen in vielen Fällen besondere Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden. Diese sind abhängig von der Art der Gefährdungen am Arbeitsplatz und müssen im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung ermittelt werden. Wie genau sieht eine Gefährdungsbeurteilung für Alleinarbeitsplätze aus?

Alleinarbeit, egal ob ortsgebunden oder mobil, ist nicht automatisch eine Gefahr für die Beschäftigten – und zumeist auch nicht unzulässig. Es gibt Allein- bzw. Einzelarbeitsarbeitsplätze, die aus arbeitsschutzfachlicher Perspektive kaum oder gar keine Probleme aufwerfen. Doch in bestimmten Arbeitsbereichen, so zum Beispiel bei Montage- oder Reparaturarbeiten, im Außendienst, bei Gebäudereinigung nach Betriebsschluss, Laborarbeiten oder Wach- und Sicherheitsdiensten, kann die Gefährdung so groß sein, dass der Arbeitgeber zusätzliche Schutzmaßnahmen einplanen muss. Grundlage für die Ermittlung der Risiken ist auch bei Alleinarbeitsplätzen die Gefährdungsbeurteilung.

Was wird als Alleinarbeit bezeichnet?

Als Alleinarbeit gilt jede Tätigkeit, die außerhalb der Ruf- und Sichtweite anderer Personen ausgeführt wird. Ein Beschäftigter muss also nicht notwendigerweise die einzige Person beispielsweise in einem Gebäude oder auf einer Baustelle sein. Sobald ein Beschäftigter unbemerkt von anderen Personen einen Arbeitsunfall hat, gilt seine Arbeit als Alleinarbeit. Es handelt sich allerdings nicht mehr um Alleinarbeit, wenn sich eine andere Person entweder in Ruf- und Sichtweite, in Ruf-, aber nicht Sichtweite oder aber in Sicht-, aber nicht Rufweite befindet.

„Andere Personen“ können theoretisch auch Kunden, Gäste oder Besucher des Unternehmens sein. Diese könnten aber einem verunfallten Mitarbeitenden aller Voraussicht nach nur sehr eingeschränkt helfen. Daher sollten Arbeitgeber in der Planung von Schutzmaßnahmen nur eigene Beschäftigte vorsehen, die im Falle eines Unfalls dem Alleinarbeiter helfen, ihm Erste Hilfe leisten oder ihn retten könnten.

Ziele der Gefährdungsermittlung

Der erste Schritt im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist die Ermittlung aller am Arbeitsplatz vorliegenden Gefährdungen. Ist Alleinarbeit für eine bestimmte Tätigkeit nicht ohnehin grundsätzlich verboten (Beispiel: Einstieg in einen Silo), ist es notwendig, für die einzelnen Tätigkeiten die möglichen Gefährdungen zu ermitteln. Dabei ist es mit der Identifizierung der Gefährdungen allein nicht getan. Denn jede Tätigkeit muss vor dem Hintergrund der am jeweiligen Arbeitsplatz herrschenden Voraussetzungen analysiert werden, d.h. alle Gefährdungen müssen mit dem individuellen physischen und psychischen Leistungsvermögen des Alleinarbeiters an dem spezifischen Arbeitsplatz in Beziehung gesetzt werden.

Berechnung des Risikopotenzials

Nach der Gefährdungsermittlung ist es erforderlich, den Alleinarbeitsplatz hinsichtlich seines Risikos für den Beschäftigten zu beurteilen. Daher wird jede Gefährdung einzeln bewertet, indem für sie ein Risiko-Wert (R-Wert) ermittelt wird. Als Grundlage für die Berechnung des Risiko-Werts müssen aber zunächst die folgenden Werte ermittelt werden:

  • die Einordnung der Tätigkeiten bei der Alleinarbeit in Gefährdungsstufen (Gefährdungsziffer GZ),
  • die Notfallwahrscheinlichkeit (NW) und
  • die Berechnung der Zeit, die erforderlich ist, um am Unfallort die ersten Hilfsmaßnahmen durchzuführen (Erstversorgungsziffer, EV).

Die Risikobeurteilung des Alleinarbeitsplatzes erfolgt dann nach der Formel R = (GZ+EV) x NW. Liegt der Wert bei über 30 handelt es sich um einen Arbeitsplatz mit einem inakzeptablen Risiko, d.h. ohne die Umsetzung von (zusätzlichen) Schutzmaßnahmen darf hier keine Alleinarbeit stattfinden.

Grundproblem bei Maßnahmen-Festlegung

Bei der Festlegung von Schutzmaßnahmen verfährt der Arbeitgeber gewöhnlich nach dem S-T-O-P-Prinzip. Bei der Alleinarbeit ergibt sich aber hierbei folgendes grundsätzliches Problem: Die in anderen Bereichen primären Schutzmaßnahmenkategorien Substitution und Technische Maßnahmen können bei einem Alleinarbeitsplatz einen Unfall in der Regel nicht verhindern. Überwachungs- sowie Kommunikations- bzw. Melde-Lösungen sorgen zwar dafür, dass Hilfe schneller vor Ort ist, der Alleinarbeiter ist aber auch dann in der Regel bereits verunfallt.

Im Hinblick auf die Substitution könnte die Lösung nur darin bestehen, dass eine zweite Person am Arbeitsplatz eingesetzt wird; eine Lösung also, die eher eine Erweiterung als eine Substitution im eigentlichen Sinne darstellt. Damit ist die Arbeit aber keine Alleinarbeit mehr und ob sich dann eine solche Doppelbesetzung des einstigen Einzelarbeitsplatzes allein schon aus rein wirtschaftlichen Gründen für den Arbeitgeber noch lohnt, mag bezweifelt werden.

Relevante Schutzmaßnahmen

Anhand des festgestellten Risikopotenzials muss der Arbeitgeber geeignete Schutzmaßnahmen treffen. Bei Arbeiten mit geringem Gefährdungspotential ist die Einrichtung eines telefonischen und/oder digitalen Rückmeldesystems, über das der Einzelarbeiter in bestimmten Zeitintervallen über die Situation vor Ort informiert, vollkommen ausreichend.

Bei Arbeiten mit hohem Gefährdungspotential sollten von den Alleinarbeitern dagegen Hilfsgeräte wie Signalgeber getragen werden, die bei Unfallgefahr drahtlos, automatisch und willensunabhängig Alarm auslösen. Bei besonders gefährlichen Arbeiten muss der Arbeitgeber sicherstellen, dass der allein arbeitende Mitarbeitende kontinuierlich von anderen Personen im Unternehmen kontrolliert werden kann, er sich also ständig in Sichtweite dieser Kolleg:innen befindet.

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