Rolle der Gefährdungsbeurteilung

Laut dem Stressreport 2019 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), der im Jahr 2020 veröffentlicht wurde, geben 60 % der Befragten (N=17.852) an, dass sie häufig verschiedene Arbeiten gleichzeitig erledigen müssen, 48 % geben an, dass sie häufig unter starkem Termin- oder Leistungsdruck stehen, 46 % geben an, dass sie häufig Arbeitsunterbrechungen haben und 34 % geben an, dass sie häufig sehr schnell arbeiten müssen (BAuA, 2020).

Höhere Belastung durch Veränderung der Arbeitswelt

Sowohl die Unternehmen als auch die Beschäftigten selbst stellen sich die Frage nach geeigneten Lösungsansätzen. Allen ist bewusst, dass sich die Arbeitswelt schon seit längerer Zeit im Wandel befindet, der sich in den letzten 3 Jahren durch die zunehmende Digitalisierung und Technisierung beschleunigt hat. Der Übergang zu neuen Arbeitsformen bietet für einen Teil der Beschäftigten Vorteile, wie z.B. eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch flexible Arbeitszeitgestaltung und Möglichkeiten wie Homeoffice oder dem aktuellen Hype Workation. Für Beschäftigte mit Anwesenheitspflicht am Arbeitsplatz, z.B. in Produktionsbereichen, in der Pflege oder im Handel, sind flexible Arbeitszeitlösungen nur bedingt möglich. In den Betrieben ist zu beobachten, dass Belastungssituationen zum einen durch die faktische Zunahme der Arbeitsintensität (hohe Quantität pro Zeiteinheit bei gleichzeitig hohen Qualitätsanforderungen) entstehen, zum anderen sehen sich insbesondere ältere Beschäftigte einem hohen Druck bei der Umstellung auf neue Arbeitsformen, hier in der Regel mit vermehrter digitaler Arbeit, ausgesetzt.

Was tun bei Zeit- und Leistungsdruck sowie Informationsflut?

So lautet der Titel einer BAuA-Veröffentlichung zu Gestaltungsmöglichkeiten für Betriebe (Schulz-Dadaczynski & Junghanns, 2023). Sie basiert auf einem laufenden Projekt der BAuA (Nr. F 2511) und hat zum Ziel, eine Handlungshilfe zur Auswahl und Umsetzung von Maßnahmen zu entwickeln und zu evaluieren. Vor der Umsetzung von Maßnahmen sollte jedoch eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen stehen, die nicht nur nach § 5 Arbeitsschutzgesetz verpflichtend durchzuführen ist, sondern vor allem im Zuge des Prozesses Erkenntnisse über die betriebliche Situation und mögliche Lösungsansätze liefert. Ergibt sich aus der Gefährdungsbeurteilung ein Handlungsbedarf, kann die oben genannte Handlungshilfe zur Lösungsfindung herangezogen werden.

Hinsichtlich der Art des Verfahrens empfiehlt es sich, nur solche Verfahren und Instrumente einzusetzen, die die neuen Arbeitsformen bereits berücksichtigen. Dazu gehören Befragungsinstrumente wie der FGBU von Dettmers & Krause (2020), MABO von Englisch (2018) oder MOLA der Unfallversicherung Bund und Bahn (2021). Darüber hinaus wird empfohlen, auch die Qualität und das Bewertungsverfahren der jeweiligen Instrumente zu prüfen. Wurde das Verfahren einer wissenschaftlichen Güteprüfung unterzogen, werden die Qualitätsgrundsätze der GDA beachtet und geben die Autoren eine Empfehlung zum Vorgehen bei der Bewertung und Festlegung von Grenzwerten, d.h. eine Einstufung, ob Handlungsbedarf besteht? Sind diese Anforderungen erfüllt, sollte eine erfolgreiche Durchführung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen gelingen.

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Schlagworte zum Thema:  Gefährdungsbeurteilung, Stressmanagement