Hat sich nach Durchführung der Gefährdungsbeurteilung ein Gefährdungspotenzial ergeben, können Maßnahmen im baulichen, technischen und arbeitsorganisatorischen Bereich ergriffen werden. Parallel dazu sind Mitarbeiter zu informieren und zu unterweisen. Darüber hinaus kann man den Beschäftigten direkte Hilfe und Unterstützung anbieten, wenn sie trotz aller Vorsichtsmaßnahmen mit Gewalt konfrontiert worden sind.

10.1 Maßnahmen im baulich-technischen Bereich

Die Möglichkeiten richten sich nach den jeweiligen Vorausbedingungen, Beschränkungen gibt es meist durch bauliche Gegebenheiten, die nicht veränderbar sind.

Als erfolgreich erwiesen haben sich folgende Maßnahmen im baulich-technischen Bereich:

  • Die Prüfung und Aktualisierung der baulich-technischen Sicherheitsmaßnahmen, z. B. Anzahl und Lage der Notausgänge, Schutzwände, angemessene Beleuchtung, Installation von Alarm- und Notrufsystemen, Zugangskontrollen, Videoüberwachung, Türen mit Zugangscode.
  • Ergänzen lassen sich diese Maßnahmen – insbesondere in Betrieben und Behörden mit hohem Kundenverkehr – durch eine ansprechende Gestaltung der Warteräume. Gute Sitzgelegenheiten, helle, freundliche Farben, Lese- und Spielmaterial für Kinder signalisieren Wertschätzung des Besuchers.
  • Einrichtung einer Info-Theke, wodurch die Kunden "aufgefangen" und gemäß ihrem Anliegen an die entsprechenden Stellen weitergeleitet werden. Grundlegende Informationen, z. B. zu notwendigen Papieren, damit ein Antrag bearbeitet werden kann, können hier bereits gegeben werden.
 
Praxis-Tipp

Unterstützung von den Unfallversicherungsträgern

Die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung obliegt dem Unternehmer. Bei Fragen zur Vorgehensweise helfen die Aufsichtspersonen des jeweiligen Unfallversicherungsträgers, die auch bei der Gestaltung der Räumlichkeiten oder technischen Möglichkeiten zur Reduzierung der Gefahr nützliche Hinweise geben.

10.2 Maßnahmen im arbeitsorganisatorischen Bereich

Im Bereich der Arbeitsorganisation bieten sich an:

  • Die Vorhaltung geringer Bargeldbestände sowie die Nutzung bargeldloser Alternativen.
  • Die Vermeidung von Einzelarbeitsplätzen. Sollte dies nicht möglich sein, sind Fluchtwege offen zu halten oder der Kontakt zu Nachbarbüros durch offene Türen zu ermöglichen.
  • Büromaterial (Locher, Tacker …) oder sonstige Gegenstände, die als Waffe dienen könnten, nicht auf den Schreibtisch oder den Counter stellen.
  • Ausreichendes Personal, um Wartezeiten zu verkürzen.
  • Ein "Warteschlangemanagement" mit Führungsvorrichtungen, Bodenmarkierungen, Nummern, die ausgegeben werden schafft Struktur und Übersicht.
  • (Wiederholte) Verstöße gegen die "Hausordnung" werden notfalls mit Hausverbot und Beendigung der Geschäftsbeziehung durchgesetzt.
  • Null-Toleranz-Strategie: Es wird keinerlei Gewalt gegenüber dem Personal geduldet und ggf. rechtliche Schritte gegen den Täter eingeleitet.
  • Eine Dokumentation des Vorgefallenen. Das Vorkommnis sollte mit einer Unfallanzeige dem Unfallversicherungsträger angezeigt werden.
  • Die Arbeitsabläufe und Geschäftsprozesse sind so zu gestalten, dass ein flüssiger Arbeitsablauf erfolgen kann. Dadurch werden beim Kunden keine unnötigen Aggressionspotenziale geschürt und Mitarbeiter geraten nicht in Stress, weil ausreichendes Personal und eine funktionierende Software zur Verfügung stehen und die Verwaltungsakte überschaubar sind.
  • Individuell kann vereinbart werden, dass – speziell für Schalterkräfte – ein in Deeskalation ausgebildeter Mitarbeiter in jeder Schicht den Kollegen in kundenkritischen Situationen zur Seite steht oder dass schwierige Gespräche zu zweit geführt werden.
  • Mitarbeiter, die eine belastende Situation erlebt haben, sollten für eine kurze Zeit weg vom Arbeitsplatz oder vom Telefon können. Rückzugsmöglichkeiten, wo man einige Minuten für sich alleine sein kann, sind ebenso hilfreich, wie den erlebten Stress im Beisein eines Kollegen oder einer Kollegin "wegzureden".
  • In Teambesprechungen sollten Gewalterlebnisse besprochen und Verhaltensweisen in Konfliktsituationen reflektiert werden.
 
Praxis-Tipp

Unternehmenspolicy

In einer "Unternehmenspolicy" wird festgehalten dass das Unternehmen gegen jede Art von Aggressionen und Gewalt vorgeht und beides nicht toleriert. Diese Grundsatzerklärung beinhaltet klare Regeln, die für Kunden, Mitarbeiter und Führungskräfte gleichermaßen gelten. Diese Regeln werden klar kommuniziert und eingehalten und gelten sowohl für externe als auch interne Gewalt. Mit einer Anti-Mobbing-Vereinbarung wird sichergestellt, dass Mobbing im Betrieb nicht geduldet wird.

Eine Handlungsempfehlung zur Implementierung einer Unternehmenspolicy ist die INQA-Broschüre "Gewaltfreier Arbeitsplatz".

10.3 Maßnahmen auf personeller Ebene

Hier ist präventiv an die Information und Qualifikation der Beschäftigten zu denken.

  • In Unterweisungen/Sicherheitsgesprächen ist auf die Gefahr von potenzieller physischer und psychischer Gewalt durch Kunden hinzuweisen. Auch Führungskräfte sind diesbezüglich zu informieren.
  • In Gewaltpräventions- und Deeskalationsseminaren zur Bewältigung schwieriger und bedrohlicher Situationen mit Kunden kann branchenspezifisch vorgebeugt und Sicherheit vermittelt w...

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