Nun werden systematisch alle Gefährdungen und Belastungen in den zu betrachtenden Arbeitsbereichen/Tätigkeiten erfasst. Weiterhin muss festgelegt werden, welche Voraussetzungen die Personen erfüllen müssen, die mit der Prüfung und Erprobung von Arbeitsmitteln beauftragt werden sollen. Eine hohe Akzeptanz bei der Umsetzung der Maßnahmen kann erreicht werden, wenn die Beschäftigten bereits hier eingebunden werden. Außerdem kennen die Beschäftigten die Gefährdungen und Belastungen an ihrem Arbeitsplatz selbst am besten.

Abb. 1: Gefährdungs- und Belastungsfaktoren

 
Praxis-Tipp

Gefährdungs- und Belastungskataloge

Als Unterstützung bieten die Berufsgenossenschaften für die einzelnen Betriebsarten/Arbeitsbereiche bzw. Tätigkeiten Gefährdungs- und Belastungskataloge an. Betriebsspezifische Gefährdungen, die in den Katalogen nicht erfasst sind, müssen ergänzt werden.

Liegen für einzelne Gefährdungen bereits Gefährdungsbeurteilungen auf der Grundlage anderer Rechtsvorschriften (z. B. Gefahrstoffverordnung, Lastenhandhabungsverordnung) vor, sind die Dokumente in die Gesamtbeurteilung einzubinden. Betriebszustände außerhalb des Normalbetriebs (siehe Abschn. 2.2.1) sind bei der Gefährdungsbeurteilung mitzubetrachten.

 
Wichtig

Psychische Belastungsfaktoren und psychische Belastung

Obwohl psychische Erkrankungen – nach Muskel- und Skelettkrankheiten und Krankheiten des Atmungssystems – derzeit die dritthäufigste Ursache für krankheitsbedingte Ausfalltage sind, werden psychische Belastungsfaktoren im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung eher selten betrachtet.

 
Achtung

Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ist Pflicht

Mit der Aufnahme des Kriteriums "psychische Belastung bei der Arbeit" (§ 5 Abs. 3 Nr. 6 ArbschG) ist die Verpflichtung, im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung auch psychische Belastung zu berücksichtigen, nun eindeutig geregelt; dies muss nach § 6 ArbSchG auch dokumentiert werden. Damit wurde der unbestimmte Rechtsbegriff "menschengerechte Gestaltung der Arbeit" (§ 2 Abs. 1 ArbSchG) weiter konkretisiert.

Mögliche hemmende Faktoren sind[1]:

  • die Begriffe "psychische Belastung bzw. Beanspruchung" werden uneinheitlich verwendet und zu wenig konkretisiert und häufig mit psychischen Störungen bzw. Erkrankungen gleichgesetzt;
  • mangelndes Wissen und fehlende Qualifikation der Verantwortlichen in Unternehmen, Behörden und bei Unfallversicherungsträgern;
  • unübersichtliches Angebot an Analyseverfahren, Verfahrensvorschlägen und Handlungshilfen;
  • festgefahrene Konfliktstrukturen im Unternehmen.

Wird die Gefährdungsbeurteilung dagegen als Verständigungs-, Entwicklungs- und Lernprozess verstanden, sind folgende Maßnahmen empfehlenswert:

  • Arbeitgeber und Betriebsrat stimmen die Vorgehensweise ab;
  • Verfahren und Instrumente einsetzen, die pragmatisch und auf die betriebliche Situation zugeschnitten sind;
  • Umsetzung durch eine Steuerungsgruppe, die mit Entscheidungsträgern besetzt ist;
  • bei der Einführung mit Pilotprojekten beginnen.

Obwohl viele Unternehmen erkannt haben, dass auch psychische Belastungen betrachtet werden müssen, zögern sie, weil sie nicht wissen, wie sie vorgehen sollen. Praktische Hilfe, auch für Kleinbetriebe, liefert der IAG Report 01/2013 "Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen – Tipps zum Einstieg" (www.dguv.de).[2]

[1] Beck/Richter/Ertel/Morschhäuser: Gefährdungsbeurteilung bei psychischer Belastung in Deutschland – Verbreitung, hemmende und fördernde Bedingungen, 2012.

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